Gewinne, Gewinne, Gewinne! Sie sind oftmals das Einzige, was die Experten zwischen Wall Street und Paradeplatz analysieren. Welchen Gewinn meldete ein Unternehmen? Erfüllte es die Erwartungen? Werden die Gewinne in einem Markt im nächsten Jahr wachsen oder nachgeben?

Gute Fragen. Aber die auf den Gewinn pro Aktie fixierten Anleger übersehen einen besseren Messwert für die Zukunft eines Unternehmens: die Bruttogewinnmarge. Diese erhält ihre Macht besonders in späteren Bullenmärkten wie jetzt gerade, weil sie selten berücksichtigt wird. Wie und warum verschaffen Ihnen «fette» Margen einen Vorsprung gegenüber den anderen?

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Es stimmt, Gewinne sind wichtig. Wer Aktien besitzt, besitzt die künftigen Gewinne eines Unternehmens. Aber die Gewinne der Vergangenheit sagen wenig aus über das, was folgt. Warum? Mit Rechnungswesen-Tricks können Unternehmen die kurzfristigen Ergebnisse verdrehen und verfälschen. Ich meine damit nicht Skandale im Stil der Swissair.

Firmen entscheiden völlig legal, wie und wann sie Abschreibungen nachjustieren und vornehmen. Oder in welchem Quartal Aktien zurückgekauft und Einrichtungen modernisiert werden. Prozesskosten oder Kosten durch regulatorische Massnahmen können den Nettoertrag eines Jahres beeinträchtigen, wiederholen sich jedoch nicht. Alle diese Dinge verzerren die offiziell angegebenen Gewinne und verschleiern das Wichtigste: die Stärke des Kerngeschäfts und die Wachstumsfähigkeit.

Keine Relikte aus der Vergangenheit

Ebenso wichtig: Durch die enorme Aufmerksamkeit, die auf den Nettogewinn gerichtet wird, werden neue Prognosen oder Ergebnisse fast unmittelbar eingepreist. Bis die Nachricht beim Durchschnittsanleger ankommt, hat die Aktie bereits entsprechend nach unten oder oben ausgeschlagen.

Über den Autor

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen in sechs Ländern, die rund 188 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investment-Managern der USA.

Wie ich hier im Juli 2020 ausführte: Wenn umfassend eingepreiste Daten niemandem mehr einen Vorsprung beim Anlegen verschaffen, analysieren Sie einfach die Anhänger der Daten selbst. Diese datengetriebenen Manager sehen Messdaten der «alten Schule» – wie die Bruttogewinnmargen – als Relikte einer Ära, in der die schweizerischen Börsen noch auf Genf, Basel und Zürich verteilt waren. Diese werden als genauso unnötig betrachtet wie die Händler auf dem Parkett, die in diesen vordigitalen Zeiten laut ihre Order ausgaben. Die Datenfreaks behaupten, dass es solche rudimentären Werkzeuge nicht mit den komplexen digitalen Algorithmen aufnehmen können. Gemach.

Mehr Forschung und Marketing

Als ich vor fünfzig Jahren anfing, wurden die Bruttomargen noch gelehrt, weil sie so fundamental sind, so einfach zu berechnen! Keiner brauchte superschnelle Computer. Und so gehts: Man zieht einfach die direkten Kosten in der Gewinn- und Verlustrechnung vom Umsatz ab – das war auch damals schon leicht zu finden. Dann teilt man das Ergebnis durch den Umsatz. Fertig!

Bruttomargen bieten einen entscheidenden, klaren Blick auf die Fähigkeit eines Unternehmens, künftiges Wachstum selbst zu finanzieren. Höhere Bruttomargen bieten mehr Raum für hohe Forschungs- und Entwicklungsausgaben, Marketing- oder Verkaufsbemühungen. Sie ermöglichen es Firmen, auf einfache Weise Fremdkapital für Investitionen, Fusionen und Übernahmen zu finanzieren – alles, was zukünftiges Wachstum fördert. Ihre Einfachheit macht es schwer, sie zu fälschen.

Hohe Margen bieten auch Puffer für einen Abschwung, indem Unternehmen auch dann Gewinne erwirtschaften können, wenn die Kosten steigen oder die Nachfrage sinkt. Damit können kleinere Konkurrenten ausgebremst werden. In einem späten Bullenmarkt, in dem wir uns meiner Ansicht nach gerade befinden, sehnen sich Anleger nach solchen Aktien.

Erinnern Sie sich: Mit zunehmendem Alter des Bullenmarkts entwickeln diejenigen, die während des Aufschwungs investiert waren, immer mehr Höhenangst. Sie fürchten, dass ein Bärenmarkt ihre Gewinne zunichtemachen könnte. Die optimistischen späten Anleger indessen wollen Wachstum mit relativer Stabilität. Fette Margen bieten beiden Gruppen eine relative Sicherheit. Firmen mit engen Margen? Sie brechen im Abschwung ein, wenn sich die Gewinne in Luft auflösen. Daher geht es ihnen in der Erholungsphase zu Beginn eines Bullenmarktes am besten.

Leider nur wenige Tech-Aktien

Schweizer Anlegerinnen und Anleger auf der Suche nach hohen Margen sind im Vorteil. Die durchschnittliche Bruttomarge von 49 Prozent in Ihrem Markt übertrifft den weltweiten Durchschnitt von 30 Prozent bei weitem. Der Schweizer Healthcare-Sektor führt das Feld dank den grossen Pharmaunternehmen mit satten 69 Prozent an. Die Nichtbasiskonsumgüter, vor allem Luxusgüterunternehmen, glänzen mit 50 Prozent. Basiskonsumgüter liegen ebenfalls bei 47 Prozent.

Technologie ist ein besonders «fetter» Sektor mit weltweit 46 Prozent Bruttomarge. Die Schweizer Technologieaktien erreichen das auch, sind jedoch nicht so zahlreich. Kontinentaleuropa bietet da wenig Hilfe: Im Vergleich zu den 22,4 Prozent weltweit machen Technologiewerte hier nur 10,5 Prozent der Marktkapitalisierung aus. Die Schweiz und Europa verfügen bei den Kommunikationsdienstleistungen ausserdem kaum über die technologienahen Interactive Media & Services, die im Schnitt 62 Prozent Marge erreichen. Schauen Sie daher in Amerika nach Technologiewerten.

Invest-Guru Ken Fisher: «Bleiben Sie wachsam!»

Manche lesen die Euphorie an den Märkten als Verkaufssignal. Ist das richtig? Nein, noch nicht, sagt Anlage-Guru Ken Fisher im Gastbeitrag.

Aber auch bei Ihren Nachbarn finden Sie Bereiche mit hohen Margen: Diversifizieren Sie Ihren Pharmaanteil mit Optionen in Frankreich, Dänemark oder Deutschland. Sehen Sie sich in Frankreich und Deutschland nach Luxusgütern mit interessanten Margen um. Global betrachtet bieten auch die Basiskonsumgüter mit Haushalts- und Körperpflegeprodukten (49 Prozent beziehungsweise 53 Prozent) gute Margen. Suchen Sie diese Unternehmen in Grossbritannien, den Vereinigten Staaten und Japan.

Die Schweiz ist ein margenstarker Markt – nutzen Sie ihn!

Was ist mit den Bruttomargen der viel gepriesenen Value-Aktien? Mager. Rohstoffe, Industriewerte, Versorgungsunternehmen, Energie – diese wertgeladenen Sektoren bieten global Bruttomargen von unter 25 Prozent. Bei den Finanzaktien funktionieren Bruttomargen aufgrund des Geschäftsmodells nicht, hier sind die Nettozinsmargen entscheidend.

Die Banken leihen kurzfristig, um langfristige Kreditvergaben zu finanzieren. Die Lücke zwischen beidem bestimmt die Nettozinsmarge. Bei niedrigen langfristigen Zinsen und den von der SNB und EZB festgelegten kurzfristigen Zinsen von unter null ist die Differenz minimal. Die Nettozinsmargen dürften schwach sein. Das bedeutet, dass die von den Experten so geliebten Substanzwerte wahrscheinlich hinterherhinken.

Lassen Sie sich nicht täuschen, wenn sich die meisten Anleger auf Kleinigkeiten und Komplexitäten konzentrieren: In der raffinierten Einfachheit der Bruttomarge liegt ein Zauber. Nutzen Sie ihn zu Ihrem Vorteil – auf dem margenfreundlichen Schweizer Markt und anderswo.

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