BILANZ: Die Volkswirtschaften in Nordeuropa haben sich in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich stark entwickelt. Wie sind Ihre Erwartungen für 2006?

Erling Skorstad: Skandinavien wird 2006 mit einem Prozentpunkt stärker als der Rest Europas wachsen. Auf Grund der Globalisierung korrelieren die entwickelten Volkswirtschaften aber immer mehr miteinander. Bei unseren Analysen konzentrieren wir uns daher nicht so sehr auf die Unterschiede zwischen den Ländern.

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Dennoch ist die Korrelation zwischen den skandinavischen Ländern untereinander noch höher als zu Europa.

Das ist so. Denn die politischen Systeme im Norden ähneln sich sehr und unterscheiden sich vom Rest Europas. Dänemark, Norwegen und Schweden haben alle eine ähnliche Sozialstruktur. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmer in diesen drei Ländern ähnlich auf verschiedene wirtschaftliche und politische Veränderungen reagieren.

Welche Politik verfolgen die skandinavischen Zentralbanken?

Die Dänische Zentralbank orientiert sich bei der Zinspolitik strikt an der Politik der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn sie hat sich dazu verpflichtet, die
dänische Krone innerhalb eines engen Bandes zum Euro zu halten. Schweden und Norwegen gehen ihre eigenen Wege. Wegen des Öls hat Norwegen eine riesige Kapitalbasis. Dort versucht man die Staatsausgaben in einem gesunden Verhältnis zu den Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu halten, um die Inflation zu bremsen.

Wie haben sich die Zinsen in diesen Ländern entwickelt?

In Schweden und Norwegen sind die Zinskurven noch flacher als im Rest Europas. Das liegt daran, dass die kurzfristigen Zinsen in den beiden Ländern höher sind. Die langfristigen Zinsen sind wie überall verhältnismässig tief. Auf lange Sicht ist die globale Wirtschaft für die Zinsentwicklung ausschlaggebend.

Was empfehlen Sie Anlegern in diesem Umfeld?

Es wird immer schwieriger, attraktive Investment-Chancen zu identifizieren. Ein breit angelegtes Anleihenportfolio ist daher wichtig. Anlagen in verschiedene Länder bringen dazu die nötige Diversifikation.

Was bedeutet das für einen Schweizer Investor?

Natürlich muss ein grosser Teil des Portfolios in Schweizer Bonds investiert sein. Das ist wohl die sicherste Alternative. Aber ein Schweizer Investor sollte auch in andere Länder anlegen. Nachbarländer wie Deutschland oder Frankreich bringen nicht wirklich die gewünschte Diversifikation, da sie sich zu ähnlich zum Heimatmarkt entwickeln. Attraktive Möglichkeiten bieten die drei skandinavischen Märkte, die sich alle zur Diversifikation eignen. Aber auch osteuropäische Länder wie Ungarn oder Bulgarien sind interessante Kandidaten. Die baltischen Staaten sind dabei die sichersten, da sie eine enge Verbindung zu Skandinavien haben.

Worauf sollte ein Anleger bei der Wahl achten?

Bondmärkte, die eine andere Struktur aufweisen als der Heimatmarkt, sind besonders sinnvoll. Dänemark ist dafür das beste Beispiel. Aus Gründen der Asset Allocation ist das für einen Schweizer Anleger sicher interessant. Denn der dänische Markt ist ganz anders strukturiert und hat eine exzellente Bonität.

Was ist so besonders am dänischen Bondmarkt?

In Dänemark gibt es genau genommen zwei Anleihenmärkte. Zum einen gibt es den Markt für Staatsanleihen, der ziemlich ähnlich ist wie in anderen Ländern. Doch dieser macht nur rund 30 Prozent des Gesamtmarktes aus. Grosse Bedeutung hat in Dänemark der Markt für Hypotheken-Pfandbriefe. Die Korrelation der dänischen Pfandbriefe zu anderen Obligationenmärkten ist sehr niedrig und daher zur Diversifikation und Risikosenkung besonders gut geeignet.

Haben diese Anleihen in Dänemark eine besondere Tradition?

Die Geschichte der Pfandbriefe begann vor rund 200 Jahren mit einem Feuer.
Kopenhagen ist damals bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Zu dieser Zeit hat man sich überlegt, wie man den Wiederaufbau finanzieren könnte. Daraus ist das heutige System entstanden.

Und wie funktioniert das heute?

In Dänemark verschulden sich die Hausbesitzer langfristig bei einem Hypothekeninstitut zu einem festen Zinssatz. Diese Kredite werden gebündelt und als Pfandbriefanleihen auf dem Bondmarkt verkauft. Die Laufzeiten liegen bei 20 bis 30 Jahren. Eine Besonderheit dabei ist, dass die meisten dieser Anleihen kündbare Schuldverschreibungen sind. Sie können also jederzeit zum Nennwert verkauft werden. Bei sinkenden Zinsen kann sich ein Hausbesitzer so zu besseren Konditionen neu verschulden.

Sind diese Produkte auch für Ausländer interessant?

Allerdings, denn sie bieten höchste Sicherheit und eine attraktive Verzinsung. Die dänischen Pfandbriefanlagen rentieren ein Prozent höher als dänische Staatsanleihen und zwei Prozent höher als deutsche Staatspapiere vergleichbarer Laufzeit und Bonität. Zudem gehen die Hypothekarinstitute bei der Kreditvergabe sehr konservativ vor. Private Hausbesitzer dürfen maximal 80 Prozent ihrer Liegenschaft belehnen. Also selbst wenn der Hauswert um 20 Prozent fällt, hat der Kreditgeber noch immer kein Bonitätsrisiko. Seit der Einführung vor über 200 Jahren gab es keinen einzigen Zahlungsausfall.

Wie liquide ist denn dieser Markt?

Das Angebot ist riesig. Mit einem Volumen von rund 170 Milliarden Euro ist der Markt nicht nur sehr gross, sondern auch extrem liquide.

Gilt das für alle skandinavischen Bondmärkte?

Am wenigsten Liquidität gibt es in Norwegen. Das liegt sicher daran, dass es dort nicht so einen grossen staatlichen Finanzierungsbedarf gibt. Es ist zwar ziemlich umsichtig, einen Bondmarkt zu behalten für den Tag, an dem man ihn wieder braucht. Aber derzeit ist das in Norwegen nicht der Fall. Die Staatskassen sind prall gefüllt. Aus rationaler Sicht sollten die Norweger ihren Anleihenmarkt schliessen.