Anlagen in Bezug auf ökologische, soziale und governancebezogene Kriterien (ESG) haben in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt – mit wachsender Produktpalette. Die ESG-Fonds können zahlreichen Anlegerbedürfnissen entsprechen, ob nun einer Präferenz für gewisse Werte – beispielsweise durch Ausschluss von Unternehmen mit Tätigkeiten, die nicht mit den Werten des Anlegers übereinstimmen –, einer Herbeiführung bedeutender Veränderungen, einer Erfüllung regulatorischer Anforderungen oder einer Verbesserung der risikobereinigten Renditen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Andreas Zingg ist Head of Switzerland & Liechtenstein bei Vanguard Investments Switzerland GmbH.

Aber ESG-Anlagen können von Natur aus nur subjektiv sein: Die Anleger sollten also Ratings und Methoden, auf denen das Produkt beruht, verstehen. Denn auch unter den sogenannten «ESG-Screened» Produkten, die den Grossteil der ESG-Fonds ausmachen, gibt es in der Praxis viele unterschiedliche Ansätze beim Portfolioaufbau.

Fokus gezielt wählen – E, S oder G?

Ein ESG-Index kann beispielsweise bestimmte Sektoren – darunter fossile Brennstoffe, Tabak oder umstrittene Waffen – auf der Grundlage von Daten ausschliessen, die zeigen, wie viel Umsatz ein Unternehmen in diesen Sektoren erwirtschaftet. Diese Indizes werden generell ein Ausschlussverfahren anwenden und sind für gewöhnlich anhand der Marktkapitalisierung gewichtet. Andere Aspekte, etwa Governance, sind komplexer.

Hierbei geht es eher darum, wie ein Unternehmen seine Geschäfte führt, nicht, in welchem bestimmten Sektor es tätig ist. Indizes, die sich auf diesen Aspekt konzentrieren, greifen eher auf eine Kombination aus Ausschluss- und Integrationsverfahren zurück (wobei das Engagement in den Unternehmen angesichts ihrer ESG-Ratings ausgelöst wird) und sind in Wertpapieren übergewichtet, die laut ihrer Methode als «Best in Class» gelten.

«Das Ratingverfahren ist kompliziert und kann mehr als 60 Hauptkategorien für ESG umfassen – Datensicherheit, Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer, Treibhausgasemissionen, Abfallwirtschaft, Gefahrgutmanagement.»

Sie kombinieren für gewöhnlich die Marktkapitalisierung mit der Gewichtung der ESG-Ratings. Gewöhnlich werden ESG-Ratings von Research-Anbietern herangezogen (auch subjektiv), um zu bestimmen, welche Aktien in einem Index aufgenommen werden sollten.

Ungeachtet der Art des ESG-Index, für den sich ein Anleger entscheidet, er muss sich bewusst sein, dass die zugrundeliegenden Positionen der verschiedenen verfügbaren Produkte sich stark unterscheiden können, nicht zuletzt in Bezug auf ihre Diversifizierung.

Beispielsweise kann die Anzahl Aktien in ESG-Indizes, welche das globale Aktienuniversum nachbilden, von knapp 5.000 bis zu weniger als 400 reichen, in Abhängigkeit des Indexanbieters und der berücksichtigten Kriterien.

Anbieter von ESG-Ratings sind sich nicht immer einig

Nicht nur die Unterschiede bei den Methoden des Index-Screenings können für Verwirrung sorgen. Denn verschiedene ESG-Ratings für Einzelunternehmen geben den ESG-Anlagen einen noch subjektiveren Charakter.

Auch wenn die Anbieter der ESG-Ratings sich Studien zufolge bei einem ESG-Rating weitestgehend einig, kann es zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen (negatives Rating bei einem Anbieter für ESG-Ratings und bei einem anderen ein positives Rating).

Auf Ebene der Indizes kann dies dazu führen, dass dasselbe Unternehmen aus ESG-spezifischen Gründen von einer Benchmark ausgeschlossen ist, gleichzeitig jedoch zu den 10 grössten Positionen eines anderen ESG-Index zählt, da dieser einen anderen Ratinganbieter mit einer anderen Methode nutzt.

Denn das Ratingverfahren ist kompliziert und kann mehr als 60 Hauptkategorien für ESG umfassen – einige der Kategorien des Sustainability Accounting Standards Board umfassen Datensicherheit, Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer, Treibhausgasemissionen sowie Abfallwirtschaft und Gefahrgutmanagement. Darüber hinaus sind die ESG-Daten der Unternehmen weder genormt noch obligatorisch. Und aus diesem Grund beruhen sie weitgehend auf der Selbstauskunft der Unternehmen.

Den gewählten ESG-Index verstehen

Angesichts der Subjektivität der ESG-Ratings und -Methoden bedarf es einem signifikanten Urteilsvermögen, um eine ESG-Gesamtübersicht über ein Unternehmen zu erlangen. Die Unterschiede der ESG-Screening-Methoden der Indizes zeigen, wie wichtig es für die Anleger ist, die Regeln eines ESG-Index zu verstehen, da das Screening für den Aufbau des ESG-Index zumeist mit der Definition der Sektoren beginnt.

Eine sorgfältige Due-Diligence-Prüfung ist erforderlich. Als Teil dieses Prozesses sollten die Anleger versuchen, ihr Verständnis zu vertiefen, indem sie sich wichtige Fragen über die Methode stellen: Welche Merkmale werden ausgewählt und warum? Wie wird jedes Merkmal gemessen und warum? Wie werden die Merkmale bei der Bestimmung eines Gesamtratings gewichtet und warum?

Am wichtigsten ist jedoch, dass ESG-Anlagen nicht dazu führen sollten, dass man von vernünftigen Anlagegrundsätzen abweicht. ESG-Aspekte sind für Anleger kein Grund, höhere Gebühren zu zahlen und sollen auch nicht zu Strategien mit hohem Risiko führen. Nach möglichst niedrigen Kosten streben, einen langfristigen Ansatz verfolgen und seine Anlagen streuen ... all dies trifft auf ESG-Anlagen genauso wie auf jede andere Anlageart zu.