Der Schweizer Aktienfonds der deutschen Fondsgesellschaft DWS rentierte bis Ende Oktober vergangenen Jahres mit rund 15 Prozent. Vergleichbare Produkte der beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse erzielten im selben Zeitraum um die sechs Prozent. Der Schweizer Aktienfonds von Julius Bär lag mit 2,4 Prozent im Plus. Über zehn Prozentpunkte mehr Rendite für ein und denselben Markt in nicht einmal einem Jahr zu erzielen, ist enorm. Ähnliche Performanceunterschiede lassen sich bei fast allen Fondskategorien beobachten. Was klar zeigt, wie wichtig es ist, aus der Flut von Anlagefonds den besten herauszupicken. Diese Aufgabe überlassen Anleger gerne ihrer Bank; diese soll die erfolgreichsten Fonds finden und sie dem Kunden ins Depot legen.

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Doch genau an diesem Punkt hat die Geschichte einen Haken. Denn nur zu oft landen an Stelle der objektiv besten Fonds die hauseigenen Produkte der Bank in den Portfolios – ein Missstand, über den sich Werner Räber, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Thomas Fischer und Partner, immer wieder ärgert. «Die Kunden, die zu uns kommen, haben fast alle hauptsächlich hauseigene Fonds in ihren Depots», sagt Räber, «pro forma sind manchmal noch ein bis zwei Fremdfonds beigemischt. Das ist typisch für Banken, die selber eine grosse Fondspalette anbieten, wie die Kantonalbanken, die UBS oder die Raiffeisenbanken.»

Wie kann das denn sein? In der Schweiz schreiben sich doch alle Banken auf die Fahnen, eine «offene Fondsarchitektur» zu pflegen. Doch es ist schwer zu sagen, was sich hinter diesem Schlagwort verbirgt. «Bei manchen Banken und Anbietern ist das Thema offene Fondsarchitektur eine Mogelpackung», meint Rolf Biland, Leiter Anlagestrategie beim Vermögenszentrum in Zürich. Es sei eine Gewissensfrage, was man unter dem Namen «open architecture» tatsächlich anbiete. Und die Palette dessen, was als offene Architektur bezeichnet wird, sei in der Tat sehr breit. Unterschiedlich hoch sind daher auch die Anteile an Fremdfonds in den Depots der verschiedenen Banken. Bei den Raiffeisenbanken ist nur ein marginaler Anteil in Drittfonds investiert, bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) etwa ein Viertel und in den Portfolios der Kunden vom Bankhaus Julius Bär liegen 85 Prozent Fremdprodukte.

Die offene Fondsarchitektur definiert jede Bank in ihrem eigenen Sinne. Bei der UBS steht es zum Beispiel nicht zur Debatte, Drittfonds direkt zu vertreiben. «Wir wollen unseren Kunden keine Einzelprodukte, sondern Lösungen verkaufen», erläutert Hansjörg Borutta vom Wealth-Management der UBS die Haltung seines Hauses. Dennoch beschreibt man bei der UBS die Fondsarchitektur als offen. «In den standardisierten Portfolios der Bank sind bis zu 50 Prozent Fremdfonds enthalten», sagt Borutta.

Auch beim Bankhaus Clariden werden Drittfonds nicht aktiv vertrieben, allerdings aus einem anderen Grund. «Da haben wir keine Kontrolle. Vielleicht wechselt das Fondsmanagement oder sogar der Eigentümer der Bank, das können wir gegenüber unseren Kunden nicht verantworten», sagt der Fondschef der Bank, Beat Wittmann. Und trotzdem praktiziert Clariden eine spezielle Form der offenen Architektur. «Wir vergeben systematisch Mandate für das Fondsmanagement. Wir suchen jeweils den Besten seiner Klasse und vertrauen ihm das Management eines Clariden-Fonds an», erklärt Wittmann das Konzept, das auch bei anderen Bankhäusern wie beispielsweise Vontobel, Sarasin oder Pictet praktiziert wird.

Den ersten grossen Schritt in Richtung offene Architektur machte vor rund sechs Jahren die Credit Suisse (CS) mit der Lancierung einer offenen Fondspalette. Unter dem Namen Fund Lab startete das Projekt 1999 mit gut einem Duzend Fondsanbietern. Heute enthält die Plattform 2500 Fonds von 55 Fondsanbietern. «Das Fund Lab kann man zum einen als Supermarkt nutzen. Anleger können auf eigene Faust die Tabellen, Vergleichstools und Informationen nutzen, um so selber einen Fonds auszuwählen. Oder sie nehmen die Beratung der Bank in Anspruch», sagt Emil Stark, Produktmanager der Credit Suisse. Für alle Fonds einer Kategorie fallen bei der CS die gleichen Preise an.

Ein ähnliches Konzept in kleinerem Rahmen bietet die Bank Sarasin an. Dort werden viermal im Jahr Empfehlungslisten an die Kunden gegeben. In jeder Fondsklasse werden immer mindestens zehn konkurrierende Produkte untersucht und bewertet. Für alle Fonds, die überprüft werden, gilt eine einheitliche Preisregelung. Die Palette der hauseigenen Fonds umfasst etwa 25 Produkte. Der Anteil an Fremdfonds in den Depots ist daher logischerweise deutlich höher als derjenige der Sarasin-Fonds.

Trotz den vielfältigen und teilweise sehr positiven Massnahmen zur Öffnung der Fondsarchitektur bleiben Schwachstellen bestehen. In keinem Fall hat der Anleger die Möglichkeit, aus allen in der Schweiz zugelassenen Fonds zu wählen. Attraktive Vertriebsvereinbarungen mit einzelnen Fondsanbietern beschränken das Angebot. Hinzu kommt das schwierige Thema Gebühren. Eine einheitliche Lösung für alle Fonds ist nicht die Regel, zudem werden die eigenen Anlagefonds oft durch geringere Depotgebühren oder andere Anreize bevorzugt. Oft stecken auch die Anlageberater selbst in einem Interessenkonflikt. Die hauseigenen Produkte kennen sie besser und haben auch eine gewisse Nähe zu ihnen. In vielen Fällen sind auch die Provisionen für die Hausprodukte höher als für Drittfonds. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, gibt es verschiedenste Anreizsysteme, bei denen zum Beispiel die Verkäufer, welche die meisten hauseigenen Produkte verkaufen, einen Preis erhalten.

Die Sicht der Banken ist einfach nachzuvollziehen: Mit dem Verkauf der hauseigenen Produkte lässt sich mehr Geld verdienen als mit Fremdfonds oder solchen mit einem externen Management. «Es gibt viele interne Verträge zwischen Fondsanbietern und den Banken, die den Rückfluss von Gebühren regeln. So verdienen die Banken auch, wenn sie Fremdfonds verkaufen», sagt Biland vom Vermögenszentrum. Und wie viel verdienen sie? «Das ist ein gut gehütetes Geheimnis.» Biland hält es aber für unwahrscheinlich, dass mit dem Verkauf von Fremdfonds mehr verdient werden kann als mit den eigenen. Daher habe die Hausmannskost bei der Beratung stets erste Priorität.

Den Interessen der Bank stehen die Interessen der Kunden gegenüber. Diese ziehen den grössten Nutzen aus einer offenen Fondsarchitektur. Vor allem, weil sich die Qualität der angebotenen Fonds dadurch verbessert. Das hat Natalie Detil, Leiterin des Fonds-Research bei Vontobel, beobachtet: «Die Einführung der offenen Fondsarchitektur hatte bei allen Banken den Nebeneffekt, dass das Angebot von Drittfonds den Erfolgsdruck auf die eigenen Produkte erhöhte. Das hat einen positiven Effekt auf die Performance der hauseigenen Fonds.» Der härtere Wettbewerb, den eine offene Architektur mit sich bringt, wird zudem zu einer Konsolidierung am Fondsmarkt führen. Heute sind noch Milliarden Franken in Produkte investiert, die über Jahre unterdurchschnittlich gut abschneiden. Durch eine höhere Transparenz werden solche Fonds immer wieder negativ auffallen und wahrscheinlich von der Bildfläche verschwinden.

In Bezug auf die offene Architektur ist der Unterschied zwischen dem, was die Banken sagen, und dem, was sie tun, meist noch sehr gross. «Wir sind bei diesem Thema noch im Anfangsstadium. In Kontinentaleuropa war der Markt traditionell geschlossen. Wir haben bisher 20 Prozent des Weges zu einer offenen Architektur beschritten», meint Beat Wittmann von Clariden. Beschleunigt wird der Prozess durch kritischere Anleger. «Kunden sind heute viel informierter als früher. Sie sind auf dem neusten Stand, weil sie die Performance der Fonds im Internet verfolgen. Sie kommen in die Bank mit einer eigenen Liste guter Fonds. Das macht natürlich Druck», sagt Natalie Detil von der Bank Vontobel.

Die Leistungstransparenz wird durch das Internet und diverse Datenbanken immer grösser. In den USA ist die offene Fondsarchitektur viel ausgeprägter als in Europa. Im Durchschnitt wird über die Hälfte in Fremdfonds investiert. Dies hängt aber vor allem mit der ganz anderen Marktstruktur zusammen. Der Fondsvertrieb wird hauptsächlich über unabhängige Vermögensverwalter abgewickelt. Den Universalbankcharakter, der die Schweiz prägt, kennt man dort weniger. «Daher wird es hier auch niemals so eine offene Architektur wie in Amerika geben», erwartet Biland vom VZ. «Aber die Zahl der Fremdfonds in den Portfolios wird zunehmen, auch wenn sich die Banken dagegen sträuben.»