Konservative Anleger halten sich gerne an Aktien aus krisensicheren Branchen. Diesen Ruf genossen einst auch die Hersteller von Dentalimplantaten – heute wissen wir es besser. Doch es gibt einige wenige, vergleichsweise krisenresistente Wirtschaftszweige. Beispielsweise die Warenkontrolle.

Die globale Nummer eins dieser Branche ist die in Genf domizilierte SGS. Das Unternehmen befasst sich mit Inspektionen, Prüfungen sowie Zertifizierungen von Rohstoffen bis hin zu Betriebsabläufen. Unter Leitung von Christopher Kirk ist SGS über die letzten Jahre prächtig gediehen, auch wenn das Betriebsergebnis 2011 primär wegen Währungseffekten um 5,5 Prozent schrumpfte. Kirk verfolgt ambitiöse Wachstumspläne: Bis 2014 soll der Umsatz um zwei Drittel steigen. Dieses Ziel will er über Zukäufe, aber auch mit einem starken organischen Wachstum erreichen. Der Gewinn pro Aktie soll sich sogar auf 140 Franken verdoppeln.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Lange im Schatten von SGS stand Konkurrent Bureau Veritas. Ebenfalls über Akquisitionen hat CEO Frank Piedelièvre das französische Unternehmen in veritable Höhen hochgekauft. Sein erklärtes Ziel: «Wir wollen die globale Führung übernehmen.» Bei SGS macht man sich diesbezüglich keine Sorgen; die Genfer halten einen Marktanteil von sieben Prozent, Bureau Veritas kommt auf fünf. Sowieso verfügen beide Unternehmen über genügend Ellenbogenfreiheit, denn die Warenkontrolle gehört zu den Wachstumsbranchen.

Das erklärt die relativ hohe Bewertung dieser Aktien. Die SMI-Titel SGS weisen ein für dieses Jahr geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20,2 auf, Bureau Veritas sind mit 16,7 etwas günstiger bewertet. Dafür bieten SGS mit 3,9 Prozent eine bessere Dividendenrendite als Bureau Veritas mit 2,3 Prozent. Mittelfristig sind beide Valoren attraktiv, und zwar nicht nur für konservative Anleger.

Big Ukraine. Kennen Sie den Big-Mac-Index? Dieser vergleicht weltweit die Preise des Paradehamburgers von McDonald’s und rechnet diese zum US-Dollar-Kurs um. Weil der Big Mac überall standardisiert ist, kam das britische Wirtschaftsmagazin «The Economist» 1986 auf die Idee, aus dem Preisvergleich einen stark vereinfachten Indikator für die Kaufkraft der einzelnen Länder respektive deren Währungen zu konstruieren. Laut dem Index ist der Schweizer Franken die weltweit am stärksten überbewertete Währung: Hier kostet der Big Mac 6.81 Dollar. Dieser Befund vermag nicht wirklich zu überraschen. Erstaunlicher finde ich dagegen, dass die global mit 50,2 Prozent am meisten unterbewertete Währung der ukrainische Hrywna ist.

Kam es nach dem Zerfall der Sowjetunion in der Ukraine noch zu heftigen Inflationsschüben, hat sich die Devise über die letzten vier Jahre stabilisiert. Dies sowie der Rohstoffreichtum, aber auch die an Fahrt aufnehmende Wirtschaft erregen die Aufmerksamkeit westlicher Investoren. Für Emerging-Markets-Profi Mark Mobius ist das Land «einer der interessantesten Anlagemärkte». Allerdings sind Direktanlagen an der Börse von Kiew nur unter Schwierigkeiten zu bewerkstelligen, und auch das Angebot an Anlagefonds ist wenig üppig. Zudem liegt politisch noch einiges im Argen. Für meinen Geschmack bergen Investments in der Ukraine vorderhand zu hohe Risiken.

Zu geringe Spannung. «Mit Stromaktien kannst du nichts falsch machen», habe ich als Jungjourni bei der «Finanz und Wirtschaft» noch gelernt. Doch das ist lange her. Heute jedenfalls kann man mit Stromaktien eigentlich fast alles falsch machen. Zwar darf sich die Branche über die Nachfrage nach Energie nicht beklagen – dennoch stehen die Valoren seit einigen Jahren unter Druck. Unter die Räder gekommen sind vor allem Alpiq sowie BKW FMB; alleine über die letzten 52 Wochen verloren die Papiere 53 respektive 45 Prozent an Wert. Doch auch Repower, Romande Energie, CKW oder die stark auf den südbadischen Raum ausgerichtete Energiedienst Holding glänzen nicht durch eine spannungsvolle Performance (siehe Tabelle «Schwachstrom» unter 'Downloads').

Der jüngst von Axpo veröffentlichte und völlig verhagelte Ausweis für 2011 – Gewinn minus 89 Prozent! – zeigt es auf: Die Stromerzeuger stehen im Regen. So werden im grenzüberschreitenden Stromhandel längst nicht mehr die dicken Gewinne von ehedem eingefahren. Dazu gesellen sich anhaltend moderate Strompreise, ein schwacher Euro und Restrukturierungsbedarf der Unternehmen. Erst recht alles von unten nach oben gekehrt hat die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima.

Was der Ausstieg aus der Kernenergie alles nach sich ziehen wird, ist noch offen. Sicher ist heute nur: Die Stilllegung von Atomkraftwerken kommt weitaus teurer zu stehen als einst gedacht – und in den Bilanzen berücksichtigt. Am Ende ihrer Lebenszeit verursachen die fünf Schweizer Werke Kosten von rund 21 Milliarden Franken. Die Aktien der Stromproduzenten bieten für mich zu wenig Spannung.

Süss – und teuer. Die neusten Zahlen, die Lindt & Sprüngli veröffentlicht hat, sind auf den ersten Blick enttäuschend. So ist der Umsatz um 2,6 Prozent auf 2,49 Milliarden Franken gefallen. Allerdings hat sich darin ein massiv negativer Währungseinfluss niedergeschlagen. Dieser wird vom höchsten Chocolatier Ernst Tanner auf 9,5 Prozent beziffert. Das organische Wachstum dagegen ist mit sechs Prozent gut ausgefallen. In den wichtigsten Märkten konnte das Unternehmen «bedeutende Umsatz- und Marktanteilsfortschritte erzielen». Dies trifft insbesondere auf das hart umkämpfte heimische Absatzgebiet zu. Beim Betriebsergebnis wird ein gutes Resultat in Aussicht gestellt. Der Margenzuwachs dürfte «eher im oberen Bereich der im letzten März angekündigten Bandbreite von 20 bis 40 Basispunkten liegen», wie es aus Kilchberg heisst.

Als Schweizer bin ich stolz auf «unsere» Lindt & Sprüngli. Ich mag deren Schokolade – weitaus mehr als die Wertpapiere. Einmal sind die Titel ausgesprochen hoch bewertet: Die Namenaktien kommen auf ein für 2012 geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25,8, die PS sind mit 22,4 auch nicht gerade ein Schnäppchen. Die schlechte Handelbarkeit ist ebenfalls ein Minuspunkt. Nur wenige Investoren können es sich erlauben, für eine Namenaktie mehr als 31 000 Franken hinzublättern. Schade, dass Ernst Tanner von einem Split der Titel nichts wissen will; das würde wieder Pep in den Handel bringen.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch