US-Präsident Barack Obama feiert die Verabschiedung seiner Gesundheitsreform durch den Kongress als historischen Sieg – zu Recht. Kein Sieg, dafür ein veritables Eigentor ist das von Obama jüngst unterzeichnete Gesetz, wonach ausländische Finanzgesellschaften Daten über ihre amerikanischen Kunden der US-Steuerbehörde IRS melden müssen. Sonst haben sie 30 Prozent an Quellensteuern auf Erträgen aus US-Wertschriften zu bezahlen. Das Problem: Das Gesetz beschert den Geldhäusern einen beträchtlichen Mehraufwand, der sich in entsprechend saftigen Zusatzkosten niederschlägt. Die Konsequenz: Viele Banken, Anlagefonds und andere Grossinvestoren werden keine oder weniger US-Wertpapiere kaufen.

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Der US-Aktienmarkt wird also noch mehr an Attraktivität einbüssen. Ich habe das Gefühl, dass sich Dividendenpapiere aus Übersee in unseren Breitengraden schon lange nicht mehr der hohen Popularität von früher erfreuen. Die Finanzkrise hat der Wall Street viel von ihrem Nimbus genommen. Ganze Marktsegmente, die einst die begehrtesten Aktien stellten, haben ihren Glanz verloren. Kaum jemand will sich noch an amerikanischen Finanz- oder Banktiteln die Finger verbrennen. Und von den Autovaloren aus Detroit, die zu ihren besten Zeiten den gesamten Aktienmarkt mitziehen konnten, will niemand mehr etwas wissen. Dazu gesellen sich die Dollarängste; ausländische Anleger sind es leid, neben dem Kursrisiko noch ein veritables Währungsrisiko zu tragen.

Die internationalen Kapitalströme werden zunehmend in aufstrebende Kapitalmärkte gelenkt, vor allem nach Asien. Die neuen IBMs, GMs oder Citycorps sitzen in Indien und China. Dort sind die Aktien von morgen zu finden, an denen europäische wie auch amerikanische Anleger nicht mehr vorbeikommen. Vorderhand ist die Wall Street noch Leitbörse. Doch es lässt sich absehen, wann Hongkong und andere Märkte ihr den Rang ablaufen werden. Als junger Finanzjournalist lernte ich noch: An US-Aktien kommt keiner vorbei. Da müssen wir nun wohl umlernen.

Limbergers Maus. Zwei Jahre lang hat Thomas Limberger davon gesprochen, im Rahmen einer Diversifikationsstrategie dem Energietechnik-Konzern Von Roll ein frisches Geschäftsfeld anzuhängen. Zwei Jahre lang haben die Aktionäre der Dinge geharrt, die da kommen sollen. Und siehe da, jüngst holte der CEO zum grossen Schlag aus: Er akquirierte die BHU Umwelttechnik und legte damit den Grundstein für den neuen Unternehmensbereich Von Roll Water. Welch ein Schachzug; das jüngste Töchterlein erwirtschaftet mit 22 Mitarbeitern zwölf Millionen Franken Umsatz. So erkaufte sich Von Roll Zugang ins Gebiet der Wasser- und Abwasseraufbereitung, zu einem 180-Milliarden-Markt. Das Warten hat sich gelohnt, Limberger eroberte einen Marktanteil von 0,007 Prozent. Der Berg hat eine Maus geboren!

Scherz beiseite. Von Roll läuft es nicht gerade rund; 2009 schrumpfte der Umsatz um 23 Prozent, unter dem Strich resultierten elf Millionen Franken Verlust. Und für dieses Jahr sind die Aussichten verhalten. Für mich sind die Aktien ein No-go.

Strategiedebakel. Die Plakatgesellschaft Affichage steht bei ihrer Auslandstrategie vor einem Scherbenhaufen. Für die Aktionäre jedenfalls sind die Verluste schmerzlich. Auf die Generalversammlung hin will deshalb eine Gruppe um den Solothurner Lorenz Jäggi eine Sonderprüfung beantragen und abklären, wie es zum Debakel kommen konnte und wer dafür die Verantwortung trägt. Allein mit den Turbulenzen in Griechenland als Begründung, wo Affichage laut «Finanz und Wirtschaft» 150 Millionen Franken aufgeworfen hat, wollen sich die Minderheitsaktionäre nicht abspeisen lassen. Denn einerseits reichen die Probleme weiter zurück, andererseits hat sich die Expansion von Oberitalien bis Rumänien als Flop erwiesen. Diese dürfte gemäss Affichage-Finanzchef Ulrich von Bassewitz weitere 70 Millionen Franken gekostet haben, womit der Aufwand für das 2007 gestartete Auslandabenteuer insgesamt fast dem letztjährigen Umsatz in der Schweiz entspricht.

Obwohl der Aktienkurs der Expansion gefolgt ist, also südwärts tendierte, ist nicht mit einer raschen Erholung zu rechnen. Die einst üppige Substanz ist weg und die Bewertung, gemessen an Verschuldung und Rendite, hoch. Zudem zeigt der zehnköpfige Altherren-Verwaltungsrat, der zusammen mit dem Management zwei Drittel des Aktienkapitals beherrscht, bisher keine Anstalten, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Und auch die Hauptaktionärin JC Decaux hält sich still. Schliesslich wäre ja erst noch zu klären, wie viel die Verlustvorträge in der Schweiz zu ihrer Steueroptimierung beitragen und wie nützlich es für die Pariser war, gemeinsam mit Affichage nach Osteuropa vorzustossen. Von ähnlichen Verlusten oder gar einem Rückzug aus diesen Märkten ist im Jahresabschluss von JC Decaux jedenfalls nichts zu lesen.

Festes Fundament. Der Wirtschaftsabschwung hat weltweit vor allem den Baukonzernen sowie baunahen Unternehmen zu schaffen gemacht. In der Schweiz dagegen zeigt sich diese Branche erstaunlich widerstandsfähig. Sika beispielsweise ist ohne tiefe Blessuren über die Krise gekommen; in den schwierigen Jahren 2008 und 2009 sanken Umsatz und Ebitda lediglich um 9 respektive 15 Prozent. Das sind gute Werte für ein Unternehmen, das mit Spezialitätenchemie vier Fünftel des Umsatzes im Bauwesen erwirtschaftet.

Die beiden Sika-Lenker, CEO Ernst Bärtschi und Präsident Walter Grüebler, haben das Unternehmen besonnen durch unruhige Zeiten gesteuert. Ausbezahlt hat sich dabei die Globalisierung; während in den traditionellen Märkten Amerika und Europa deutliche Einbussen resultierten, wurden in Indien, dem Mittleren Osten, Afrika sowie Lateinamerika zweistellige Zuwachsraten registriert. Auch künftig dürfte der Wachstumsschub vor allem aus den Schwellenländern kommen. Sika entwickelt laufend neue, innovative Produkte, die dafür sorgen, dass die Firma stärker wächst als die Bauwirtschaft selbst. Entgegen dem Börsentrend schossen die Aktien seit Anfang März um gegen 20 Prozent in die Höhe. Dennoch sind die Valoren mit einem für 2011 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,4 tief bewertet und bieten mittelfristig viel Kurspotenzial.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch