«Herr, die Not ist gross! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los», stöhnt der Zauberlehrling in der gleichnamigen Ballade von Johann Wolfgang von Goethe. Einen zunehmend unliebsamen Geist loswerden möchte wohl auch Bruno Pfister, Chef von Swiss Life. Sein oberster Kontrolleur, Präsident Rolf Dörig (rechts im Bild), hat vor drei Jahren, damals als CEO des Lebensversicherers, den deutschen Finanzproduktberater AWD für satte 1,9 Milliarden Franken erworben. Ein wenig glückbringender Grosseinkauf; bislang hat AWD der Mutter ziemlich grosse Löcher in die Kasse gebrannt.

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Quasi mit übernommen wurde Carsten Maschmeyer (links im Bild), AWD-Gründer und einstiger -Hauptaktionär. Der Deutsche avancierte dank Aktientausch zum grössten Privataktionär der Swiss Life. Auch als Verwaltungsrat nimmt der 51-Jährige kein Blatt vor den Mund und stichelt gerne gegen das Management. Etwa als die Swiss-Life-Oberen die Kosten bei AWD zurückschnitten, um die Verluste zurückzufahren. Maschmeyer süffisant: «Ich war der Meinung, dass man den Gewinn mit Umsatz steigert.» Den Lenkern von Swiss Life dürfte auch sonst die Freude an AWD vergangen sein. Denn die Akquisition hat das Image des Versicherers beschädigt. Dieser Tage beginnt in Wien ein Gerichtsverfahren, Tausende von Geschädigten klagen wegen systematischer Fehlberatung. Eine weitere Klageflut droht in Deutschland über AWD und damit Swiss Life hereinzubrechen.

Seit der Übernahme ist der Aktienkurs der Swiss Life um 60 Prozent abgestürzt. Zwar stehen auch die Papiere der anderen Lebensversicherer unter Druck, doch nicht in diesem Ausmass. «Da spielt der AWD-Malus mit», sagte mir ein Finanzanalyst. Der aktuelle Börsenkurs repräsentiert lediglich die Hälfte des Buchwerts pro Titel. Dennoch rühre ich die Aktien nicht an, solange Carsten Maschmeyer in den Teppichetagen der Swiss Life für hochrote Köpfe sorgt.

HEISSE LUFT. «Die Zuversicht der Investoren ist nicht unberechtigt», hat die Börsenzeitung «Finanz und Wirtschaft» jüngst über Von Roll berichtet. Zuversicht? Ich schreibe seit Jahren über Von Roll, Zuversicht kann ich bei den Aktionären schon seit langem nicht mehr feststellen. Die angebliche «Zuversicht» der jüngsten Zeit hat den Aktienkurs alleine über die letzten vier Monate um ein weiteres Viertel geschmälert. Und Besserung ist nicht in Sicht. Die Geschichte der Von Roll, das ist seit gut 20 Jahren eine Anhäufung von Misserfolgen und geplatzten Träumen. CEO Thomas Limberger spricht zwar seit langem davon, bald zum grossen Schlag auszuholen – bislang jedoch wurde am Hauptsitz im zürcherischen Au vor allem heisse Luft produziert. Nicht gerade zum Vorteil der Aktionäre. Halten Sie sich zurück; wenn es bei Von Roll eines Tages tatsächlich wieder aufwärtsgeht, bleibt genügend Zeit zum Einstieg.

Dicke Renditen. Wer schwergewichtig auf Festverzinsliches setzt, hat dieser Tage einen schweren Stand. Die Renditen in der Schweiz liegen am Boden, der Preis für Neugeld wird wohl noch längere Zeit tief bleiben. Wer dagegen etwas risikofreudiger ist, der findet Alternativen, und zwar im Aktienmarkt. Nicht wenige Valoren bieten Dividendenrenditen, die ein Mehrfaches der Verzinsung bieten, die mit erstklassigen Obligationen zu erreichen ist.

Ich denke da beispielsweise an die Aktien der europäischen Telekomfirmen. Gleich mehrere Titel bieten überdurchschnittlich hohe Dividendenrenditen von bis zu 8,6 Prozent (siehe «Saftige Renditen»). Diese verführerischen Sätze allerdings haben ihren Preis; den meisten Telekomkonzernen geht es zwar gut, doch das Ertragspotenzial über die nächsten Jahre ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eher bescheiden. Die Mehrheit der in der Tabelle aufgeführten Aktien haben sich im bisherigen Jahresverlauf denn auch schlecht gehalten. Was bleibt, sind die Renditen. Doch dazu gesellt sich das Währungsrisiko. Wenn der Euro auf 1.20 Franken abschmiert, haben sich die 8,6 Prozent, die mit France Télécom zu holen sind, in Luft aufgelöst. Wer sich einen Einstieg in Telekomvaloren überlegt, sollte deshalb noch etwas zuwarten, bis sich die Situation an den Devisenmärkten beruhigt hat. Und wer gar keine Währungsrisiken eingehen will, kann sich an Swisscom halten; die 5,8 Prozent sind auch nicht ohne.

Ohne Biss. Vor drei Jahren löste Domenico Scala die glücklose Heliane Canepa an der Spitze von Nobel Biocare ab. Scala wurde damals als Retter des arg ins Trudeln geratenen Zahnimplantateherstellers gefeiert. Die Euphorie ist längst verflogen. «Wer rettet heute Nobel Biocare vor Domenico Scala?», hat mich jüngst ein Finanzanalyst gefragt – und dabei nicht einmal ansatzweise den Mund zu einem Lächeln verzogen. Scala jedenfalls konnte den Niedergang des Unternehmens bislang nicht aufhalten. Umsatz und Gewinn sinken, der Aktienkurs zeigt nach unten. Hat die Börse Nobel Biocare im Jahr der Machtübernahme durch Scala noch mit elf Milliarden Franken bewertet, ist die Firma den Investoren inzwischen gerade noch zwei Milliarden wert. Konkurrent Straumann dagegen kommt auf 3,4 Milliarden Franken Börsenkapitalisierung. Nobel Biocare, einstiger Superstar des Dentalimplantategeschäfts, läuft auf dem Zahnfleisch.

Während in der Konzernzentrale krampfhaft auf Zweckoptimismus gemacht wird, gilt die Firma inzwischen sogar als Übernahmekandidat. Der finale Tiefschlag erfolgte jüngst; während Nobel Biocare für das erste Halbjahr einen leichten Umsatzrückgang auf 419 Millionen Franken meldete, schraubte Straumann in derselben Periode die Verkäufe leicht höher auf 392 Millionen. Die Nummer zwei rückt dem Marktleader immer mehr auf den Pelz. Ja, Straumann-CEO Beat Spalinger zeigt sich in einem Interview mit «Cash online» überzeugt: «Wir sind neuer Weltmarktführer.» Denn Nobel Biocare erzielt nicht den gesamten Umsatz mit Implantaten.

Mit Nobel Biocare kann es eigentlich nur noch aufwärtsgehen. Und genau aus diesem Grund bin ich positiv gestimmt für die Aktien. Immerhin erzielt das Unternehmen immer noch eine Betriebsgewinnmarge von gegen 20 Prozent, und das Zahnimplantategeschäft verspricht in absehbarer Zeit wieder bessere Erträge. Allerdings sind die Titel hochspekulativ und nur für Anleger geeignet, die sehr viel Geduld haben.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch