Die Konjunkturerholung in Europa verliert an Schwung; Griechenland droht der Ruin; Spanien, Portugal und Irland stecken in der Finanzkrise; der Euro verliert an Vertrauen. Und was machen die Aktienmärkte? Sie boomen.

Die Börsen haben sich weitgehend abgekoppelt von der Realwirtschaft. Sie werden seit einem Jahr angetrieben von Billiggeld, das die Notenbanken in noch nie gesehenem Ausmass in die Märkte pumpen, um den Absturz der Weltkonjunktur zu verhindern.

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Die Notenbanken befinden sich auf einer Gratwanderung. Schliessen sie ihre Geldschleusen zu früh, drohe eine neue Rezession, warnt IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn. Damit wüchsen die auch so schon enormen Schuldenberge weiter. Eines nicht allzu fernen Tages jedoch müssen die Inflationshüter damit anfangen, die Liquidität abzuschöpfen. Das heisst, die Zinsen werden steigen. Den Reigen eröffnet hat Mitte Februar Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank; er erhöhte den Diskontsatz von 0,5 auf 0,75 Prozent. Dagegen wird Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, nicht so schnell an der Zinsschraube drehen, denn die Wirtschaftserholung in der Eurozone steht auf wackligen Füssen. Doch auch in Eu-ropa ist das Ende der lockeren Geldpolitik absehbar.

Das Billiggeld hat an den Weltbörsen zu einer neuen Spekulationsblase geführt. Stellen die Notenbanken ihre Pumpen ab, platzt die Blase. Was heisst das für den Anleger? Wichtigstes Gebot: Behalten Sie die Nerven. Schmeissen Sie risikoreiche Papiere aus dem Depot, konzentrieren Sie sich auf Blue Chips von ertragsstarken Unternehmen. Ich bevorzuge Titel heimischer Provenienz. So verliert die ins Haus stehende Korrektur ihren Schrecken.

Cola-Krieg. Jahrelang hat Migros ausschliesslich Pepsi verkauft, Coop füllte ihre Gestelle nur mit Coca-Cola. Und beide Detailhändler machten die Cola-Marken des Konkurrenten madig. Aus und vorbei: Migros wird künftig auch Coca-Cola anbieten. Im Gegenzug hat Coop in der hauseigenen Zeitung einen wohlwollenden Artikel über die Pepsi-Geschichte publiziert – mit der Fussnote, diese Marke nun auch zu führen. Der Schweizer Cola-Krieg kümmert Coca-Cola im fernen Atlanta nicht. Der Getränkekonzern hat für das vierte Quartal 2009 starke Zahlen geliefert: Der Gewinn stieg um 55 Prozent. Was Konzernchef Muhtar Kent von ehrgeizigen Wachstumszielen träumen lässt. Bis in zehn Jahren soll der weltgrösste Getränkeproduzent mehr als doppelt so viel verkaufen und dabei an jeder Flasche Brause auch noch mehr verdienen. Sogar wenn an diesen kühnen Plänen Abstriche zu machen wären, werden die Gewinne auch künftig sprudeln. Die Aktien jedenfalls gehören zu meinen Favoriten im Feld der internationalen Blue Chips.

Gerüchte um Glencore. 2009 hat die «Financial Times» mit der Meldung für Aufsehen gesorgt, Glencore dränge an die Börse. Neun Monate sind verstrichen, doch beim Rohstoffhändler hat sich nichts geregt. Jetzt meldet die Finanzzeitung, Mick Davis als Chef von Xstrata habe die Vorteile eines Zusammengehens der beiden Konzerne herausgestrichen. Xstrata und Glencore? «Eine Fusion macht keinen Sinn», hat mir ein Finanzanalyst erläutert. Glencore hält 34,4 Prozent an der in Zug domizilierten Xstrata. Damit beherrscht Glencore den riesigen Bergbaumulti nach Belieben. Das zeigt sich auch daran, dass der Rohstoffhändler einen grossen Teil der Produkte der De-facto-Tochter vermarktet.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, würde die Fusion schon mehr Sinn ergeben: Mittels Merger mit der in Zürich und London kotierten Xstrata käme Glencore quasi durch die Hintertüre an die Börse und könnte sich dergestalt leichter finanzieren. Nur glaube ich nicht daran, dass sich das Unternehmen öffnen will – zumindest jetzt noch nicht. Ein Anlagespezialist mit besten Kontakten zu Glencore hat mir erzählt, ein Drittel der rund 300 Partner, welche die Aktien halten, möchte «Kohle sehen», sprich die Firma an die Börse bringen. Das seien vor allem jüngere Händler, die den schnellen Deal gewohnt sind. Die Mehrheit allerdings halte nichts davon; diese zieht die gerade im Rohstoffgeschäft so wichtige Verschwiegenheit dem Zwang zur Transparenz vor.

The Grand Old Man bei Glencore, Präsident Willy Strothotte, sei einer Öffnung ebenfalls wenig zugetan, sagt mein Informant. Auch die Börse scheint von den Fusionsgerüchten wenig zu halten; die Xstrata-Aktien notieren weit unter den 2008 erzielten Höchstkursen.

Die Kanonen donnern. Die Amerikaner werden nicht müde, im Welthandel die Saubermänner zu markieren. Handkehrum kennen sie keine Scheu, wenn sie Vorteile erzielen können. Das muss dieser Tage Toyota erfahren. Der weltgrösste Autoproduzent ruft Millionen von Autos wegen Brems- und Gaspedalproblemen zurück. Nur ist dasselbe den US-Autofabriken GM, Ford und Chrysler auch schon öfters passiert. Im Fall von Toyota allerdings kocht die amerikanische Volksseele; das Feuer wird fleissig geschürt – auch von Regierungsseite. So war sich US-Verkehrsminister Ray LaHood nicht zu schade, die Besitzer der von der Rückrufaktion betroffenen Toyota-Modelle aufzurufen, diese ja nicht mehr zu fahren.

Toyota steht auch an der Börse unter Druck, der Aktienkurs ist innert kurzer Zeit um ein Fünftel abgeschmiert. «Kaufen, wenn die Kanonen donnern», lautet eine Börsenweisheit. Bei Toyota allerdings donnern die Kanonen etwas gar laut. Der japanische Vorzeigekonzern hat schon manchen Sturm überstanden, doch diesmal erlitt Toyota im wichtigsten Auslandmarkt einen schweren Imageschaden, gefolgt von heftigen Verkaufseinbrüchen und möglicherweise Dutzenden von Klagen. Der fast legendäre Ruf in Sachen Qualität ist dahin. Akio Toyoda, Konzernchef und Enkel des Firmengründers, unternimmt zwar alles, um den Schaden in Grenzen zu halten. Dennoch wird der führende Autohersteller noch Jahre unter den Folgen zu leiden haben. Lassen Sie die Aktien vorderhand links liegen.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch