Geldwäscherei in der Schweiz: Warum Rechtsanwälte und Notare bei der Suche nach Oligarchengeldern eine Schlüsselrolle spielen

In der Schweiz liegen wohl deutlich mehr als die bislang eingefrorenen 7,5 Milliarden Franken der Putin-Freunde. Das zumindest schreiben die G7-Botschafter in ihrem Brief an den Bundesrat. Während Seco-Chefin Helene Budliger Artieda der Darstellung widerspricht, machen die Diplomaten Druck. Ihrer Ansicht nach muss der Bundesrat bei zwei Dingen nachbessern, damit die Sanktionen erfolgreich durchgesetzt werden können: 1. Die Schweiz soll der Oligarchen-Taskforce Repo beitreten, um sich international auszutauschen. 2. Die Schweiz soll die Rolle von Rechtsanwälten in der Vermögensverwaltung untersuchen und die rechtlichen Rahmenbedingungen überarbeiten. Besonders der zweite Punkt ist interessant – denn er betrifft das Schweizer Rechtssystem. Die Botschafter rufen den Bundesrat dazu auf, Gesetzeslücken zu schliessen, um die Umgehung von Sanktionen innerhalb der Schweiz zu erschweren. «Es ist Besorgnis über die Möglichkeit entstanden, dass Schweizer Datenschutzbestimmungen, die Mandanten bei rechtlichen Angelegenheiten schützen sollen, dafür genutzt werden können, um die Spuren von Finanzströmen zu verwischen», heisst es in dem Schreiben, das der «Tagesanzeiger» am Donnerstagabend veröffentlichte. G7-Staaten fordern Schweiz zur Gesetzesänderung auf Man sei besorgt, dass die Behörden wegen des Datenschutzes daran gehindert würden, illegale Finanzstrukturen zu untersuchen, welche von als Finanzvermittler tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aufgebaut wurden. «Wir fordern die Schweizer Regierung auf, weitere Schritte zu unternehmen, um die Unterscheidung zwischen dem Schutz der Privatsphäre in rechtlichen Angelegenheiten und denjenigen, die die Privatsphäre nutzen, um wirtschaftliche Eigentümer zu schützen, zu klären», schreiben die G7-Botschafter. Die Schweiz weist die Vorwürfe von sich. «Zwar ist der Bundesrat der Auffassung, dass Rechtsanwältinnen und -anwälte im Rahmen ihrer spezifischen beruflichen Tätigkeiten nicht zur Meldung gesperrter Vermögenswerte verpflichtet werden sollen. Rechtsanwältinnen und -anwälte, welche Tätigkeiten ausüben, die nicht dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, haben hingegen in jedem Fall die Meldepflicht zu erfüllen. Dies gilt beispielsweise für Tätigkeiten im Rahmen der Vermögensverwaltung oder Verwaltungsratsmandate», sagt ein Sprecher des Wirtschaftsdepartements. Tatsächlich aber gibt es knifflige Grauzonen. Das Problem in der Schweiz bei der Sanktionsumsetzung scheinen nicht die Banken zu sein. Die gelten laut Expertinnen und Experten gar als «overcompliant». Das Motto: Lieber einmal zu viel Geld sperren als zu wenig. Die Knacknuss sind offenbar Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die sich als Vermögensverwalter betätigen. Darüber können Eigentumsverhältnisse viel einfacher verschleiert werden. Banken können nur eine Selbsterklärung einfordern Laut der Taskforce Repo gibt es Treuhandgesellschaften, die speziell zur Sanktionsvermeidung aufgesetzt wurden. «Die Vereinbarungen können darauf hindeuten, dass alle an der Treuhand beteiligten Personen – einschliesslich Anwaltskanzleien, Treugeber (auch als Protektoren bezeichnet), Treuhänderinnen und Begünstigte – in die Umgehung von Sanktionen verwickelt sein können», schreibt die Taskforce in einem kürzlich veröffentlichten Bericht. Diese extra aufgebauten Finanzkonstrukte geniessen in der Schweiz einen besonderen Schutz. Wegen des Anwaltsgeheimnisses beissen sich daran offenbar selbst die engagiertesten Ermittlerinnen und Ermittler die Zähne aus. Zwar dürfen natürlich auch Anwältinnen und Anwälte prinzipiell keine Straftaten begehen. Aber eine Gesetzeslücke ermöglicht es Branchenvertretern mit schlechten Intentionen, unter dem Radar zu operieren – denn sie sind im Geldwäscherei-Gesetz (GwG) nicht explizit erwähnt. Das erst vor zwei Jahren revidierte GwG schützt Anwältinnen und Anwälte bei Geldwäscherei nicht vor Strafe. Doch es macht es den Behörden fast unmöglich, ihnen überhaupt auf die Schliche zu kommen. Eröffnet ein schweizerischer Anwalt oder Notar ein Konto oder Depot bei einer Bank, unterschreibt er eine Erklärung, dass «die eingebuchten Vermögenswerte ausschliesslich im Rahmen einer berufsspezifischen Tätigkeit (und nicht in der Eigenschaft als Finanzintermediär) gehalten werden, die dem anwaltlichen oder notariellen Berufsgeheimnis nach schweizerischem Recht untersteht»: das sogenannte Formular R. So funktioniert die Beziehung zwischen Banken und Rechtsanwälten Das Formular R ist für Anwälte und Notare gedacht, die zum Beispiel eine Erbschaft abwickeln und dafür ein Konto oder Depot eröffnen wollen. Es regelt auf Basis der aktuellen Gesetzgebung, wie eine Anwältin oder ein Anwalt einen Mandanten mit bestimmten Vermögenswerten vertreten kann. In den allermeisten Fällen dürfte die Erklärung nach bestem Wissen und Gewissen abgegeben werden. «Aber es gibt natürlich auch solche, die sich auch mit dem Formular R als Finanzvermittler betätigen und sozusagen Durchlauferhitzer sind», sagt ein Schweizer Bankenexperte im Gespräch mit der «Handelszeitung». Der Compliance-Officer einer Bank könne dann höchstens Druck aufbauen – eine rechtliche Grundlage aber hat er dafür nicht. Ein Beispiel: Ein Anwalt eröffnet ein Konto bei einer Bank, unterschreibt das Formular R und zahlt 250’000 ein. Der Anwalt bestätigt mit seiner Unterschrift, dass das Konto nur zu diesen im Formular aufgezählten Zwecken verwendet wird. Problem: Ob das tatsächlich so ist oder aber das Konto für andere Zwecke genutzt wird, kann die Bank kaum kontrollieren. Karin Keller-Sutter will Geldwäschereigesetz ausweiten In unserem Beispiel sähe das so aus: Der Compliance-Officer der Bank fragt nach, woher die hohe Summe stammt. Der Anwalt erklärt, es handle sich um die Erbschaft eines Mandanten. Der Compliance-Officer ist misstrauisch, er hakt weiter nach. Doch der Anwalt beharrt auf seiner Darstellung. Im Ergebnis bedeutet das: Widersteht er dem Druck, kann die Bank nichts tun. Denn der Anwalt müsste bei einem möglichen Verstoss zwar Auskunft geben. Aber gleichzeitig kann ihm niemand nachweisen, dass er überhaupt von einem möglichen Verstoss weiss. Das ist der Punkt, den die G7-Botschafter in ihrem Brief ansprechen. Der Bundesrat hat das Problem bereits erkannt. Bereits seit Oktober arbeitet das Finanzdepartement an einer Vorlage für ein zentrales Register zur Identifikation wirtschaftlich Berechtigter von juristischen Personen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter will auch Notarinnen und Anwälte dem Geldwäschereigesetz unterstellen. Zwar hatte das Parlament die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei der Revision im Frühjahr 2021 von der Gesetzgebung ausgenommen. Mit dem ausländischen Druck könnten sich die Vorzeichen aber ändern.

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Die schwierige Rolle der Rechtsanwälte