BILANZ: Frau Weischenberg, Sie tanzen von Berufes wegen auf Prominentenpartys, werden zu Gala-Diners in Schlösser und zur Jagd einladen. Sind Sie Teil dieser Gesellschaft?

Sibylle Weischenberg: Ich bin, wie Sie gesagt haben, zu Gast in dieser Welt und lege Wert darauf, bei mir selbst zu bleiben und die nötige Distanz zu wahren. Wenn man diese Welt mit der eigenen vermischt, kann es sein, dass man darin untergeht.

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Wieso?

In unserer Einkommensklasse kann man einen derartigen Lebensstil unmöglich finanzieren.

 
Zur Person
Sibylle Weischenberg



Die Society-Expertin plaudert in ihrer eigenen Rubrik «W.I.P.» (Weischenbergs Important People) jeden Donnerstag live im Sat-1-Frühstücksfernsehen über die wichtigsten Prominenten der Woche. In ihrem Buch «Wir können auch anders» verrät sie «feine und fiese» Erfolgsstrategien für Frauen. Sibylle Weischenberg kommentiert die königlichen Hochzeiten am Fernsehen und ist eine gefragte Radiomoderatorin. Sie studierte Soziologie, Publizistik, Kunstgeschichte, Germanistik und Journalistik. Sie arbeitete zunächst für Reuters, war persönliche Pressereferentin von Johannes Rau und schrieb beim «Spiegel» als Politredaktorin. Für «Gala» und «Bunte» verfasste sie jahrelang Porträts über Celebrities und interviewte internationale Berühmtheiten.

Gibt es etwas, worauf Sie neidisch sind?

Ja, auf diese absolute finanzielle Sicherheit. Ich bin nicht gefeit davor zu sagen, die hätte ich auch gerne. Geld macht auch frei in den Entscheidungen. Andererseits zahlen viele Leute auch einen hohen Preis dafür. Das relativiert vieles.

Geld und Luxus werden fast immer in einem Atemzug genannt. Ist das so?

Ja, das gehört für mich zusammen. Luxus ist, etwas zu besitzen, was andere nicht haben, ohne das man aber auch gut leben könnte. Ich erlebe in der Society den Irrsinn der Suche nach etwas, was noch kein Mensch auf der Welt hat. Luxus, machen wir uns doch nichts vor, dreht sich immer rund um eine körperliche und seelische Behaglichkeit.

Ist ein Leben im Luxus Garant für Glück?

Sie können sich mit Luxus eine Maske überstreifen, können zaubern und auch die Einsamkeit, die oft dahinter steckt, überdecken. Letztlich sind aber die entsetzliche Leere und die Sehnsucht nach Erfülltheit dahinter genauso bitter. Ich kenne viele reiche, berühmte Menschen, die mir immer zu sagen versuchen, dass sie im Leben nicht glücklicher seien als jene, die sie um dieses Leben beneideten.

Lieber arm und glücklich als reich und unglücklich?

(Lacht.) Es ist eine alte Geschichte, dass es sich auf seidenen Kissen besser weinen lässt. Dennoch: Luxus stillt den Schmerz nicht. Er wird nicht lebbarer durch das Drumherum, vielleicht ein bisschen angenehmer. Das gelebte Leid bleibt immer das gleiche. Darum bringen sich auch reiche Leute um, obwohl sie alles haben, was sie sich wünschen.

Definieren Sie den Begriff Luxus für uns.

Luxus ist wie ein Gummiparagraf, der sich stets ausdehnt. Er beginnt vielleicht mit Geld, wandelt sich dann, wird aber immer etwas Imaginäres bleiben. Wenn alles erreicht ist, sagen viele Reiche, es nützt dir alles nichts, wenn du nicht gesund bist. Was übrig bleibt, müsste man wahrscheinlich den reichsten und ältesten Menschen fragen. Wahrscheinlich reduziert es sich dann darauf, sich ein Mittel kaufen zu können, das unsterblich macht.

Bedeutet Luxus für alle das Gleiche?

Nein, jemand wie Prinz Charles würde Luxus anders definieren als jemand, der sich sein Vermögen erarbeiten musste und demnach Luxus zwangsläufig über Geld definiert. Charles ist mit allen Insignien des Reichtums geboren, er hat den berühmten goldenen Löffel, überspitzt formuliert, überall stecken. Und der steckt ihm sprichwörtlich gesagt auch im Hals. Was er gesucht und gefunden hat, ist die Abgeschiedenheit seines Landsitzes, wo er mit seinen Blumenzwiebeln spricht. Das ist für ihn Luxus par excellence.

Sein Luxus besteht darin, mit den Pflanzen zu sprechen?

Er leistet sich den Luxus, einen Spleen zu haben, und die Menschen getrauen sich nicht, darüber zu lachen. Ausserdem liebt er eine Frau gegen allen Anstand. Für ihn war es der Inbegriff des Luxus, etwas völlig Irrsinniges tun zu dürfen. Mal ganz abgesehen davon, dass er seiner Geliebten gegenüber davon geschwärmt hat, er möchte gerne ihr Tampon sein. Die Wahrnehmung des persönlichen Glücks geht, wie Sie sehen, schon sehr weit. Für ihn ist die Selbstbestimmtheit, gegen die Regeln zu leben, sein ganz persönlicher Luxus.

Und der Rest der Menschheit strebt nach goldenen Wasserhahnen und einer Luxusyacht vor St-Tropez?

Nein, natürlich nicht. Vielleicht ist nur der glücklich, der herausgefunden hat, was Luxus wirklich bedeutet. Ganz sicher ist es heute nicht mehr so, dass denkende Menschen Luxus über Kaviar und Champagner definieren.

Luxus, ein bisschen Dekadenz – ist das vorbei?

Ja, von Zu-viel-Sahne-Essen wird einem auch übel. Das war in den Achtzigerjahren zuletzt so. Das waren die fetten Jahre mit den aufgedonnerten, glänzend gesprayten Haaren – denken Sie an Farah Fawcett in «Drei Engel für Charlie». Da protzte man mit seinem Ferrari oder sonst einem grossen Auto. Doch inzwischen haben die Leute der guten oder weniger guten Gesellschaft begriffen, dass ein aufgetunter Golf luxuriöser daherkommt als ein Porsche oder Ferrari.

Soll das heissen, die einstige Schickeria verschwindet von der Bildfläche?

Na ja, das vielleicht nicht. Aber die Society feiert sich nicht mehr um ihrer selbst willen. Das ist auch ein kulturelles Problem. In einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit werden Sie nicht erleben, dass die Prominenten ihren Reichtum zeigen, das ist politically not correct.

Die Renaissance von verloren gegangenen Tugenden wie vornehmer Zurückhaltung und Bescheidenheit?

Richtig. Wir erleben im Moment eine totale Rückbesinnung auf alte Werte. Deswegen zeigen viele Reiche und Prominente eine Fassade der Bescheidenheit. Das macht sich besser. Denken Sie an die Home-Storys. Früher hat doch jeder Prominente seine Türen aufgemacht und vorgeführt, was er hat. Das ist heute verpönt. Keiner will mehr zeigen, dass er schön und luxuriös wohnt.

Und wo wird heute noch hemmungslos dem Luxus gefrönt?

Hinter verschlossenen Türen, wenn man unter sich ist. Oder natürlich bei Wohltätigkeitsanlässen. Die Welle der Charity ist ja von Amerika auf Europa übergeschwappt.

Die deutsche Charity-Königin heisst Ute Ohoven. Waren Sie schon einmal bei einem ihrer Anlässe eingeladen?

Ja, sicher. Sie hat das Prinzip der Wohltätigkeitsanlässe für Deutschland umgesetzt und sehr eng mit den Medien kooperiert. Ich habe an ihren Galas beispielsweise den Dalai Lama und auch Arafat kennen gelernt. Jedes Jahr ist immer einer der aufsehenerregendsten Menschen der Welt zu Gast.

Und da darf man dann zeigen, was man hat?

Ja. Bei den prunkvollen Galas und Bällen, wo es von illustren Gästen wimmelt, holt man den echten Schmuck aus der Schatulle.

Wieso nur dann? Was tragen die Leute denn sonst?

Guten nachgemachten Schmuck. Darauf setzen auch die Modehäuser. Es ist gar nichts mehr dabei, man weiss schliesslich, dass auch Königinnen aus Sicherheitsgründen mit nachgemachtem Schmuck reisen.

Wenn man Ihnen zuhört, bekommt man fast Mitleid mit der Luxusindustrie. Kauft denn niemand mehr Juwelen und Luxuskleider?

Tja, die gute, heile Luxuswelt, die gibt es nicht mehr. Aber das heisst nicht, dass sich mit Luxusprodukten kein Geld mehr machen liesse. Nur: Die Klientel dieser Branchen hat sich verändert. Die Araber und Russen sind in die Bresche gesprungen. Die zahlen das in bar und halten ganze Luxuslandstriche am Leben. Gehen Sie einmal nach Baden-Baden, dort ist in den teuren Geschäften alles auch auf Russisch angeschrieben.

Was machen die Luxusmodelabels, um am Leben zu bleiben?

Man muss sich etwas einfallen lassen. Karl Lagerfeld zum Beispiel macht jetzt eine Linie für H&M. Er verkauft sich natürlich unheimlich gut, indem er jetzt behauptet, dass er damit am Puls der Zeit ist. Aber die meisten Luxusmodelabels haben ohnehin längst Zweit- und Drittlinien. Die Klientel, die in die teuren Geschäfte geht und wahllos ordert, hat sich geändert.

Wer ist es denn heute?

Popstars wie Madonna, P. Diddy, Britney Spears. Alles Personen, die eine Unterhaltungsindustrie darstellen, sozusagen die Agnellis von heute.

Die Bilder im Fernsehen sprechen trotzdem eine andere Sprache. Unzählige Prominente auf Shoppingtour in Juwelierläden, der Luxuschampagner Roederer Cristall wird an Strandpartys flaschenweise verspritzt.

Heute setzen sich nur noch Amerikaner so in Szene. Nicht die Deutschen und schon gar nicht die Schweizer. Die Amerikaner sind traditionell stolz auf das, was sie geschaffen haben, und zeigen es gerne her. Ich finde das vernünftig, einerseits ist es für die einen ein Anreiz, sich auch so etwas zu schaffen, andererseits stillt es den Voyeurismus.

Jetzt sind wir ganz neugierig, welchen Luxus sich diejenigen noch leisten, die für Geld fast alles kaufen können.

Man lebt nicht mehr den Rausch der Dinge wie in den Achtzigern, wo auch Geld für Drogen und Genussmittel verpulvert wurde. Viel Geld wird beispielsweise in Immobilien investiert. Claudia Schiffer, Madonna oder auch Boris Becker stecken ihr Geld in Trutzburgen. Dahinter steckt natürlich auch das Bedürfnis nach Sicherheit.

Und sonst? Die Sehnsucht nach dem ewigen Leben beginnt doch schon bei einem jugendlichen Äusseren. Und viele reiche Menschen sehen auffallend jünger aus, als sie sind. Das lässt vermuten, dass Geld in Schönheitsoperationen fliesst.

Es wird unglaublich viel Geld in Schönheitsoperationen investiert. Ein wirklich leuchtendes Beispiel ist Silvio Berlusconi. Wer hätte gedacht, dass ein Politiker von Rang und Namen sich Botox spritzen lässt und Echthaar implantiert? So was hätte es früher nie gegeben, und er ist nur die Spitze des Eisberges.

Gibt es denn wirklich niemanden mehr, der tatsächlich auf grossem Fuss lebt und das auch zeigt?

Doch, da fällt mir spontan Flavio Briatore ein. Allerdings ist er auch zugleich der Prototyp unserer Zeit. Er zeigt zwar, was er hat, arbeitet aber extrem hart dafür. Er macht keine zehn Tage Urlaub am Stück. Wenn er in seinem Club «Billionaire» tanzt, dann tut er das, um Leute anzuziehen, die dafür bezahlen. Wenn er in seinem wunderbaren Haus in Kenia ist, arbeitet er ständig, lädt junge Fahrer dorthin ein und arbeitet an Verträgen. Er ist immer im Dienst, kann den Luxus, den er erarbeitet hat, nicht wirklich geniessen.

Zum Glück gibt es da noch die Königshäuser, die für Glamour und das Zelebrieren eines luxuriösen Lebensstils stehen. Die Hochzeiten in den verschiedenen Königsfamilien der letzten Monate wurden von Millionen Menschen verfolgt.

Ja. Das sind gelebte Aschenputtel-Träume. Machen wir uns doch nichts vor, viele von uns glauben doch immer noch, dass eines Tages der Märchenprinz auftaucht. Und da kommen Geschichten à la «Prinz heiratet Journalistin» im Fall von Letizia und Felipe oder auch «Prinz heiratet Mutter eines unehelichen Kindes aus dem Drogenmilieu» wie im Fall von Mette-Marit und Haakon gerade recht.

Und jetzt darf die nicht blaublütige Welt an der Wandlung vom Aschenputtel zur Prinzessin teilhaben. Und die aufgeputzten Schlösser bestaunen, den Inbegriff des Luxus!

So einfach ist das nicht. Es ist eigentlich genau das Gegenteil der Fall. Denken Sie an Mette-Marit, die sich alle Sympathien verspielte, weil sie in London mit der goldenen Kreditkarte ihres Gatten bei Chanel einkaufen ging. Man gönnt ihr die Liebe ihres Mannes, nicht aber den Luxus. Prinzessinnen sollen Kinder kriegen und sich aufreiben, aber nicht in Luxus baden.

Aber die Hochzeiten wurden äusserst prunkvoll inszeniert.

Ach was. Die zukünftigen Königinnen mussten sich doch alle in Bescheidenheit üben. Kein protziger Schmuck, kein Luxus. Letizia durfte sich noch nicht einmal von Valentino einkleiden lassen. Prinzessinnen müssen heute mitfühlend und nett sein, wie Diana das vorgelebt hat.

Und was ist mit jungen Superreichen, wie es die Hilton-Sisters sind? Sie verfügen über Millionen-Konten und zeigen es auch. Was haben diese jungen Frauen für einen Luxusbegriff?

Allerdings, die zeigen Luxus, das ist ein Phänomen. Aber machen wir uns doch nichts vor, was führen sie uns denn vor? Abgründe, Drogenmissbrauch, Sex-Videos. Denen ist es egal, wenn ihr Ruf ruiniert ist. Paris Hiltons Einstieg in die internationale Medienwelt war, als sie sich mit gespreizten Beinen beim Aussteigen aus einem Luxusauto fotografieren liess. Ihr Sex-Video mit Exfreund Rick Solomon, «One Night in Paris», vermarktet sie mit, ausserdem liess sie sich bei der Arbeit auf einem Bauernhof zu einer total depperten Person stilisieren. Da denkt man, dass man so viel Geld und Luxus dazu nutzen könnte, sich besser darstellen zu lassen, als man ist. Sie aber lässt sich demütigen, indem sie noch eine Stufe darunter geht. Schlimmer gehts nimmer!

Ein Verhalten, das den Luxusgedanken pervertiert?

Ja. Ekelhaft und über die Schmerzgrenze hinaus, finde ich. Sie haben die Insignien des Luxus gar nicht. Luxus ist ja auch eine Form von Polsterung und Sicherheit. Dies ist die totale Abkehr von dem, was wir alle unter Luxus verstehen.

Vielleicht ist es das, was sie suchen?

Möglich, und psychologisch höchst interessant. Ich denke, auch der am luxuriösesten lebende Mensch wird immer noch etwas finden, was ihm fehlt. Alle streben nach dem letzten Quäntchen von dem, was man noch nicht hat. Luxus ist in dem Sinne etwas Gemeines, denn er bleibt letztlich immer unerreichbar. Auch wenn man alles erreicht hat und gerade weil man weiss, wie es sich anfühlt, bleibt immer diese furchtbare, dämonische Angst, alles zu verlieren.