BILANZ: Herr Egli, mögen Sie keine Banker?

Guido Egli: Warum fragen Sie?

Weil Sie in Zürich soeben den «Beef Club» geschlossen haben. Der war beliebt vor allem bei Bankern, die am Mittag ein schönes Stück Fleisch essen wollten.

Wir bedauern natürlich jede Schliessung eines Restaurants. Aber die Banker kamen leider nur am Mittag. Am Abend hatten wir ein sehr ruhiges Geschäft, wenn nicht sogar ein totes. Und der «Beef Club» war auch in die Jahre gekommen – er war schon seit langem für uns kein Geschäft mehr. Da haben wir Geld verloren.

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Mövenpick war als Marke einst omnipräsent. Heute haben Sie in Zürich nur noch zwei Lokale. Warum geben Sie die Keimzelle von Mövenpick fast völlig auf?

Es mag so erscheinen, aber das tun wir nicht. Meist lag es an auslaufenden Mietverträgen. Am Paradeplatz etwa hätte uns eine Verlängerung der Pacht fast das Doppelte gekostet als bisher. Und ein Restaurant mit derart hohen Mietkosten trägt sich nie und nimmer. Da mussten wir aus unternehmerischer Sicht die Konsequenzen ziehen, schweren Herzens. Beim Bahnhof Stadelhofen war es ähnlich. Schauen Sie, anfangs wurden unserem Gründer Ueli Prager die Flächen zu sehr niedrigen Preisen regelrecht angetragen. Das hat sich im Lauf der Jahre komplett geändert – schon gegen Ende seines Schaffens wurde die Rentabilität der Restaurants deshalb zum Problem.

Gemäss dieser Logik müssten alle Restaurants aus den Innenstädten verschwinden. Das tun sie jedoch nicht.

Viele schon – an teuren Lagen passiert das immer mehr. Aber wir haben ja noch zwei Restaurants in der Innenstadt, eines an der Nüschelerstrasse, nicht weit vom Paradeplatz. Da werden wir demnächst eine der attraktivsten Weinbars in Zürich eröffnen. Es ist also nicht so, dass wir Zürich aufgäben. Aber ich akzeptiere, dass es vielleicht diesen Anschein hat.

Wird es in fünf Jahren in der Schweiz in City-Lagen noch Mövenpick-Restaurants geben?

Ich denke, ja. Aber limitiert. In Basel und Luzern haben wir Betriebe an sehr guten Lagen. Auch da hatten wir kürzlich Mietverhandlungen. Da konnten wir noch einigermassen verkraftbare Lösungen finden. Wir können uns jedoch vorstellen, mit einem neuen Konzept auch wieder neue Restaurants aufzumachen. Und es ist nicht so, dass wir nur auf dem Rückzug wären. Am Flughafen Zürich eröffneten wir am 19. Mai ein Marché-Restaurant, und zwei weitere werden folgen. Damit schaffen wir 100 neue Arbeitsplätze. Bisher waren wir am Flughafen Zürich nicht vertreten.

Trotzdem ist der Mythos der Marke in den letzten Jahren immer mehr verblasst.

Sie können in der Gastronomie nicht während 60 Jahren Trendsetter sein. Und die Gewohnheiten des Gastes ändern sich: Heute wollen Sie vielleicht in ein Mövenpick gehen, weil Sie Lust haben auf Tatar, morgen zum Italiener und übermorgen zum Chinesen. Wir haben eine unglaubliche gastronomische Vielfalt. Der Konkurrenzkampf ist enorm. Es mag sein, dass deshalb die Strahlkraft der Marke hierzulande abgenommen hat. Aber Sie müssen auch sehen: Wir haben das internationale Geschäft enorm forciert, eben weil der Schweizer Markt gesättigt ist. Vor sieben Jahren machten wir in der Schweiz 43 Prozent des Umsatzes, heute sind es nur noch 25 Prozent.

Das Erfolgsrezept von Ueli Prager war die Innovation: Er brachte als Erster in grossem Stil Lachs und Meeresfrüchte in die Schweiz, mit der «Silberkugel» das erste Schnellverpflegungslokal nach US-Vorbild, auch die Weinkeller und die Marché-
Restaurants waren Neuerungen. Diese Innovationskraft ist Mövenpick abhandengekommen.

Das glaube ich nicht. Unsere Weinkeller etwa sind in den letzten Jahren in völlig neuem Glanz erstrahlt. Und es gibt kein besseres Autobahn-Restaurationskonzept als «Marché». Da haben wir auch Erfolg.

Mit Verlaub, da haben Sie etwas aufgefrischt, was es schon lange gibt. Neu ist das nicht.

Vielleicht nicht ganz neu, aber erfolgreich. Ohne Innovationen können Sie kein Konzept erfolgreich im Markt halten.

In den letzten Jahren ist in der Gastronomie die Post bei den Coffeeshops abgegangen. Warum hat Mövenpick, eine Marke, die von vielen mit Kaffee assoziiert wird, dieses Feld völlig der Konkurrenz überlassen?

Wir haben es in Zürich am Rindermarkt probiert, aber das hat nicht funktioniert. Da haben wir zu viel hineingepackt. Jetzt haben wir ein neues Coffeeshop-Konzept in Deutschland mit dem Namen «Mövenpick Café». Das funktioniert sehr gut.

Soll das Konzept auch in die Schweiz kommen?

Ja, das planen wir. Wann, kann ich noch nicht sagen.

Der grösste Bereich von Mövenpick sind heute die Hotels. Die Hälfte davon steht in Nordafrika und im arabischen Raum. Was bedeuten die Unruhen in diesen Gebieten für Ihr Geschäft?

Es wäre falsch zu sagen, wir spürten die Krise nicht. Aber es ist nicht dramatisch. Wir spüren sie in Ägypten, Tunesien, Jemen –und auch in Saudi-Arabien, obwohl es dort ruhig ist.

Können Sie den Rückgang quantifizieren?

In den betroffenen Ländern liegen wir momentan rund 25 bis 30 Prozent unter Budget. In Asien und Europa läuft die Hotellerie aber positiv.

In Ägypten wollten Sie dieses Jahr ein neues Hotel und drei neue Flussschiffe in Betrieb nehmen. Bleibt es dabei?

Am Plan haben wir nichts geändert, es kann aber zeitliche Verschiebungen geben. Auch in Abu Dhabi, in Saudi-Arabien und in Dubai sind neue Häuser im Bau.

Wie geht es Ihrem Hotelprojekt in Tripolis?

Das ist kein Projekt – das ist nie weiter als bis zur Absichtserklärung gekommen. Diese Absichtserklärung ist bis auf weiteres sistiert. Wie es jetzt weitergeht, wissen wir natürlich gar nicht, solange die Zukunft des Landes nicht absehbar ist. In erster Linie machen uns die Folgen der Geschehnisse für die Menschen vor Ort sehr betroffen. Da sind finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen zweitrangig.

Wie leicht oder schwierig war es, mit Gaddafi zu geschäften?

Wir waren nie mit Gaddafi im Geschäft. Partner war die Bank of Commerce & Development.

Und die hatte trotz Diktatur nichts mit dem Staat zu tun?

Die Bank war für viele westliche Länder und Unternehmen ein wichtiger Partner für Geschäfte in Libyen.

Der asiatische Markt boomt, und Sie haben dort nur sieben Hotels in Betrieb. Warum haben Sie das verschlafen?

Wir haben das nicht verschlafen. Historisch waren wir immer sehr stark in Europa und im Mittleren Osten – Ueli Prager eröffnete 1975 das erste Hotel in Ägypten, das war damals revolutionär. Das hat uns dort gut verankert. Heute haben wir uns Asien als wichtiges neues Gebiet auf die Fahne geschrieben. Dabei gehen wir Schritt für Schritt vor. Weltweit haben wir 25 Projekte in der Entwicklungsphase, die meisten davon in Asien.

Funktioniert die Marke Mövenpick dort?

Sie ist dort zwar noch nicht so bekannt, aber die Bekanntheit bauen wir jetzt auf. Und die Swissness zieht auch in Asien. Man weiss, dass wir Schweizer sind.

Sie verkaufen unter Ihrem Label mehr als 90 Lizenzprodukte, von Biskuits über Konfitüre bis Salatsaucen und Fertigmenus. Wie weit kann man eine Marke wie Mövenpick strecken?

Mövenpick ist eine sehr starke Marke, besonders in Deutschland, der Schweiz und in Benelux – der Bekanntheitsgrad liegt bei über 90 Prozent. Wir waren seit je im Premiumbereich mit Markenprodukten aus der Gastronomie vertreten. Denken Sie an Lachs oder Kaffee. Wir könnten die Marke für alles Mögliche lizenzieren, ich habe wöchentlich neue Anfragen auf dem Pult. Denn viele Hersteller wollen in diesen margenträchtigen Premiumbereich. Ich habe schon Anfragen für Mövenpick-Würste bekommen. Aber wir sind sehr selektiv und lehnen vieles ab.

Die Markenrechte für Eiscrème haben Sie 2003 an Nestlé verkauft. Ist es nicht hochgefährlich, wenn ein anderer Konzern mit der eigenen Marke machen kann, was er will?

Der Nestlé-Konzern kann ja nicht machen, was er will. Es gibt ganz klare Abmachungen, dass die Marke etwa im Premiumsegment positioniert bleiben muss. Es gibt ein Advisory Board mit Vertretern beider Konzerne, in dem wir uns zweimal im Jahr treffen und die Grundzüge der Markenführung absprechen.

Der Mövenpick-Konzern gehört inzwischen zu 100 Prozent Luitpold von Finck. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit ihm?

Sehr gut, wir haben praktisch jeden Tag Kontakt.

Grad so? Dann lässt er Sie auch wissen, wenn er die Dillsauce am Eismeergarnelensalat noch etwas zu salzig findet?

Das kann vorkommen. Herr von Finck engagiert sich für die Marke Mövenpick und für das Geschäft. Als aktiver Verwaltungsrat in der Holding und in den Unternehmensbereichen beschäftigt er sich intensiv mit strategischen Fragen. Und er beteiligt sich auch stark an operativen Entscheidungen der Unternehmensbereiche, auch bei den Konsumgüterprodukten.

Sie erwirtschaften eine Nettorendite von homöopathischen 
0,8 Prozent. Wie lange schaut der Inhaber noch zu?

Wir müssen sicher mehr verdienen. Die Verzinsung des Kapitals ist noch nicht da, wo sie sein sollte. Aber man muss auch akzeptieren, dass ein von Restaurants geprägter Konzern tiefere Margen erwirtschaftet als andere Konsumgüterfirmen.

Mehr verdienen heisst konkret?

Wesentlich mehr.

Wie wollen Sie das erreichen?

Wir müssen in allen Bereichen das Ertragsoptimum erreichen und auch die Kosten senken.

Inklusive Personalabbau?

Das habe ich nicht so gesagt.

Sie sind auch Vizepräsident der Von Roll. Was können Sie als Konsumgüterspezialist zum Elektrokonzern beitragen?

Ich glaube, ich bin als unternehmerische Persönlichkeit vielfältig aktiv. Ich habe einen betriebswirtschaftlichen Background, ich verbrachte einen Grossteil des Berufslebens in der Konsumgüterindustrie und habe langjährige Erfahrung im Management von grossen Unternehmen. Diese Kompetenzen kann ich auch einbringen in eine Firma, die in einer anderen Sparte tätig ist. Letztlich funktioniert eine Firma immer mehr oder weniger gleich. Im VR geht es um die strategische Führung, die fachliche Kompetenz muss vom Management kommen.

 

Guido Egli (60) steht seit 2006 an der Spitze von Mövenpick. Der Konzern mit 18 000 Mitarbeitern setzte letztes Jahr 1420 Millionen Franken um und gehört Luitpold von Finck, einem Sohn von Baron August von Finck. Egli leitete vorher bereits die Konsumgütersparte des Konzerns, zuvor arbeitete er bei Emmi und als CEO bei Hero. Zudem ist er Vizepräsident der Von Roll (ebenfalls in Von-Finck-Händen) und Präsident des Grand Casino Luzern.