Dass der Swiss Market Index im ersten Halbjahr 2020 «nur» 5,4 Prozent verlieren würde, hätte man Ende März noch für unmöglich gehalten. Doch damals, nach den ersten Wochen des Corona-Lockdowns stand der SMI rund 30 Prozent tiefer als zu Jahresbeginn. In den USA registrierte der Dow Jones zwischen April und Juni mit 18 Prozent den höchsten Quartalsgewinn seit 1987. 

Die rasante Aufholjagd seither entzweit die Börsenbeobachter. Das eine Lager kann die Abkoppelung der Aktienwelt von den realwirtschaftlichen Gegebenheiten nicht nachvollziehen. «Die Firmengewinne werden in diesem Jahr massiv einbrechen, doch das interessiert die Börse derzeit nicht», sagt Urs Wietlisbach, Milliardär sowie Gründer und Verwaltungsrat von Partners Group, im Interview mit der «Bilanz». Partners Group erwartet laut Wietlisbach erst in sechs bis neun Monaten eine Welle der grossen Zukäufe, sprich: Die Preise werden bis dann purzeln und tiefer sein.

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Geld ist da, also…

Das Lager der Börsen-Versteher verweist dagegen auf die beispiellosen staatlichen Konjunkturpakete und die gigantischen geldpolitischen Massnahmen der Notenbanken, welche die Wirtschaft stützen und den Börsen Aufschwung verleihen. Vor allem die Schaffung neuer und grosser Liquidität wird seit der Finanzkrise 2008 fast in Endlosschleife betrieben, insofern folgen die Kursanstiege einer gewissen Logik.

Aber ob das nachhaltig ist? Den Börsen scheint zuletzt jedenfalls etwas die Luft auszugehen. Auch der Swiss Market Index (SMI) zeigte im abgelaufenen Monat gewisse Lähmungstendenzen. Nach den deutlich positiven Monaten April und Mai konnte der SMI im Juni noch 1,8 Prozent zulegen.

SMI 2020

Entwicklung des SMI Juni 2019 bis Juni 2020.

Quelle: Google

Lonza war im ersten Halbjahr mit einem Plus von 42 Prozent die beste Aktie im SMI. Nebst der schon vor der Corona-Krise guten Positionierung als Pharma-Auftragsfertiger kamen mit der Nomination von Roche-Top-Manager Pierre-Alain Ruffieux als CEO und der Zusammenarbeit mit der US-Firma Moderna bei einem Covid19-Impfstoff weitere Erfolgsmeldungen dazu.Eigentlich ist man als Beobachter dazu geneigt, nach einer derartigen Kurshausse wie bei Lonza von Aktien-Käufen abzuraten. Aber wirklich gute Argumente dazu gibt es nicht: Der Titel eilt weiter von Rekord zu Rekord und wird dabei erheblich gestützt durch Käufe von Investoren aus dem angelsächsischen Raum. Steigt Lonza dereinst in die Basler Liga von Roche oder Novartis auf?

Beste und schlechteste Aktien 1. Semester 2020

Beste und schlechteste Aktien im Swiss Market Index im ersten Halbjahr 2020.

Quelle: Bloomberg

Wirklich auffallend war im ersten Halbjahr die unterschiedliche Entwicklung von Branchenkonkurrenten im SMI:

Banken: Seit Jahr und Tag predigen Credit-Suisse-freundliche Analysten und Fondsmanager das grosse Aufholpotenzial der Aktie gegenüber der höher bewerteten Konkurrenz. Doch die nackte Tatsache ist: Jedesmal, wenn es rumpelt an der Börse, verliert die Credit Suisse überproportional zur UBS. Das zeigt sich auch in der SMI-Halbjahresperformance: Die UBS-Aktie verliert 11 Prozent, die CS-Aktie 25 Prozent. Was zeigt: Das Investorenmisstrauen der CS gegenüber ist nach wie vor erheblich. Anleger sind, falls sie überhaupt in Bankaktien investieren wollen, bei der UBS besser aufgehoben. 

Pharma: Der neue Corona-Antikörpertest und Hoffnungen wegen einer möglichen Wirksamkeit des Medikamentes Actemra bei Covid-19 brachten dem Genussschein von Roche eine Performance von 5 Prozent im Halbjahr. Roche will aber erklärtermassen kein Gewinner der Coronakrise sein. Dennoch nutzten die sonst eher diskreten Pharma-Manager von der Basler Grenzacherstrasse die Corona-Situation PR-mässig subtil aus. CEO Severin Schwan und VR-Präsident Christoph Franz waren in den Medien präsent wie selten zuvor. Dann pries auch noch Donald Trump Roche als «Great Company».

Lokalrivale Novartis kann keine Corona-News vorweisen, das Unternehmen hat auch seine Impfstoffsparte vor Jahren verkauft. Die Aktie verlor im ersten Halbjahr 10 Prozent. Novartis will sich in Zukunft als Biotechfirma positionieren, doch dieses Narrativ ist derzeit bei Investoren weniger gefragt. Dazu kamen Probleme mit Augenheilmitteln und eine Strafe in den USA. Bei Novartis braucht es deutlich mehr Geduld als bei Roche. Der Aktienkurs hat sich zwar seit Mitte 2018 deutlich verbessert. Die Marke von derzeit 82 Franken sahen Investoren aber bereits Anfang 2015 schon mal. 

Uhren: Es gibt wohl keinen Chef einer SMI-Firma, der so überzeugt ist von seinem Unternehmen wie Nick Hayek. Mitglieder des Swatch-Managements kauften mitten im Corona-Börsenschlamassel im März Swatch-Aktien im Wert von rund 165 Millionen Franken. Dies würde das «bedingungslose Vertrauen in die Kraft und Gesundheit des Unternehmens untermauern», liess die Firma verlauten.

Investoren sehen das differenzierter. Die Aktie verlor im ersten Halbjahr 30 Prozent, Richemont dagegen gab nur 20 Prozent nach. Die Schwäche von Swatch ist nicht bloss auf Corona und die unsichere Situation in Hongkong zurückzuführen, wo Swatch rund 10 Prozent des Umsatzes erzielt. Die Aktie kostete Anfang 2014 einmal 600 Franken, heute bloss noch 188 Franken. Dazu beigetragen haben nebst einer Margenschwäche auch strategische Fehlentscheide, etwa das Zuwarten mit einer Antwort auf Smartwatches.

«Die Widerstände beim E-Commerce mit Medikamenten werden auch in der Schweiz zurückgehen.»

Am breiten Markt überrascht der Anstieg der Tech-nahen Titel wie Logitech, Also und bis zu einem gewissen Grad auch Swissquote wegen der «Stay-at-Home»-Thematik kaum. Nebst der Phantom-Gesellschaft Relief Therapeutics (plus 3500 Prozent, dies bei einem nominalen Wert von 3,6 Rappen pro Aktie) gibt es eine klare Gewinnerin: Die Online-Apotheke Zur Rose zog im ersten Halbjahr 142 Prozent an.

Das ist quasi die Antwort der Investoren auf die Schweizer Apotheker-Lobby, denen das Geschäftsmodell von zur Rose ein Dorn im Auge ist und die Online-Apotheke bekämpft. Doch die Widerstände beim E-Commerce mit Medikamenten werden auch in der Schweiz zurückgehen. 

Der kleine Bruder von Lonza

Bemerkenswert ist die Entwicklung von Bachem mit plus 61 Prozent im ersten Halbjahr. Der Pharmazulieferer aus Bubendorf BL, der wie der kleinere Nordwestschweiz-Bruder von Lonza daherkommt, fuhr im Mai die Produktion des Narkosemittels Propofol wegen der Coronavirus-Krise hoch, was natürlich mehr Umsatz bringt. Doch schon zuvor jubelten die Investoren. Die Aktie kostete Anfang 2016 noch 50 Franken, heute 250 Franken. 2019 war ein Rekordjahr für Bachem, es wurden neue Ziele gesetzt. Investoren warten aber wohl besser ab, bis der Corona-Effekt aus der Aktie weicht.

Beste und schlechteste Aktien SPI 1. HJ 2020

Beste und schlechteste Aktien im Swiss Performance Index im ersten Halbjahr 2020.

Quelle: Bloomberg

Die nahe Mailand domilizierte Biotech-Gesellschaft Newron (minus 74 Prozent) war schlechteste Aktie im SPI in diesem Jahr, knapp vor Dufry (minus 72 Prozent). Der Aktie des Reisedetailhändlers, dessen Umsätze im April 94 Prozent einbrachen, nützten zuletzt nicht einmal die Ankündigung von harten Restrukturierungsmassnahmen. Angesichts einer drohenden zweiten oder dritten Corona-Welle ist Dufry derzeit nicht einmal für kurzfristig orientierte Schnäppchenjäger ein Kauf. Dabei wollte Konzernchef Julian Diaz noch im Jahr 2015 in den SMI.

Einen «Reality Check» braucht Dufry auch bei den Bezügen. VR-Präsident Juan Carlos Torres Carretero verdiente 2019 über 4 Millionen Franken – am sechstmeisten aller Präsidenten von kotierten Schweizer Unternehmen und mehr als etwa bei ABB, Novartis oder Nestlé

Einen Kursverlust von 41 Prozent weisen die Titel von Kudelski seit Januar auf. Die Aktien fielen im März auf ein Allzeittief von 2,50 Franken, zu Dotcom-Zeiten waren es einmal knapp 270 Franken gewesen. Seit Jahren geht es mit den Titeln schleichend abwärts. Ob aus der Aktie jemals noch etwas wird? Solange Patron André Kudelski die Zügel in der Hand hält und so kein Aktionärsdruck entstehen kann, bleiben die Hoffnungen auf  sehr bescheidenem Niveau.

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Daniel Hügli
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