Nach dem Lunch in Londons exklusivem Gentleman’s Club «White’s» bestieg Tom Purdey ein geräumiges Black-Cab-Taxi. «Take me to Purdey’s», befahl er dem Chauffeur. «Where is that, Sir?», fragte der. «If you don’t know Purdey’s, forget it!», kam die Antwort, und Tom Purdey stieg wieder aus.

«Das war Ende der Vierzigerjahre», erzählt Richard Purdey, der jetzige Chairman, der die Anekdote über seinen exzentrischen Grossonkel zum Besten gibt. «Damals kannte jeder Taxifahrer unsere Adresse, und die guten Cabbies wissen sie auch heute noch.»

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Audley House, 57–58 South Audley Street, Mayfair, ist seit 1882 die erste Adresse für Schrotflinten und Jagdgewehre der ganz besonderen Art. James Purdey & Sons, Gun & Rifle Makers to Her Majesty the Queen, His Royal Highness the Prince of Wales and His Royal Highness the Duke of Edinburgh, haben mit einer gewöhnlichen Jagdwaffenschmiede so viel gemeinsam wie die Patek-Philippe-Manufaktur mit einer Swatchfabrik. Eine «Purdey» ist nicht einfach eine handgefertigte Schrotflinte, sie ist ein Kunstwerk, ein Produkt von Hunderten von Arbeitsstunden, auf Hochglanz poliert, verziert von den besten Graveuren, massgeschneidert auf den Körper des Jägers. Eine Purdey Gun ist ein Kultobjekt: Ein unglaublich raffiniertes, feinst verarbeitetes Stück Luxus, das gleichzeitig einem äusserst archaischen Zweck dient, also hoch zivilisierte Ästhetik und Handwerkskunst mit primitivem menschlichem Urinstinkt vereint. Purdey bringt es erfrischend unprätentiös auf den Punkt: «If you shoot a gun, it is to kill an animal.»

«Four Tigers in 25 Minutes»

Jagd als Sport ist nicht jedermanns Sache und trägt heutzutage mehr als nur einen Hauch von Provokation mit sich. Umso erstaunlicher, dass sich selbst Pazifisten nur schwer der hapto-erotischen Anziehungskraft dieser Edelflinten entziehen können und im legendären Long Room voller Faszination den von Hand gehämmerten Sheffield-Stahl und das hoch polierte türkische Walnuss-Wurzelholz streicheln. Der Long Room im Audley House ist der berühmteste Gun Room der Welt, wo nur Kunden Einlass finden, die sich mindestens das 100 000 Franken teure Grundmodell von Purdey leisten können. Von hier aus dirigierte schon James Purdey the Younger, der Sohn des Firmengründers und Ur-Ur-Grossvater von Richard Purdey, die Geschicke des Unternehmens. Durch einen Lichtschacht in der Mitte des Raumes konnte er direkt in die darunterliegende Werkstatt blicken und gleichzeitig seine Kunden empfangen.

«James Purdey Jr. wollte, dass der Long Room wie eine Mischung aus Gentleman’s Club und Showroom wirkt», erklärt Richard Purdey die viktorianische Ausstattung des Raumes mit Ölporträts der Purdey-Familie, Jagdtrophäen und Glasvitrinen voll mit Purdey Guns der letzten zweihundert Jahre. Hier scheint die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stehen geblieben zu sein, auf dem Kaminsims stehen noch immer signierte Fotografien von zufriedenen Kunden wie Kaiser Willhelm II, Queen Victoria und Prinz Frederick von Preussen. Auf einer verblichenen Sepia-Fotografie ist ein indischer Maharadscha zu sehen, der irgendwo im Dschungel mit stolz geschwellter Brust und Purdey-Gewehr bei Fuss vor einem riesigen weissen Rolls-Royce steht, vor ihm vier erlegte Tiger. «Four Tigers in 25 Minutes, 1928» lautet die lakonische Bildlegende. «Quantität war damals das Wichtigste. Die aristokratischen Jäger wollten möglichst viele und möglichst grosse Tiere schiessen. Aus heutiger Sicht eine furchtbare Einstellung», kommentiert Richard Purdey das Bild. «Heute setzen sich praktisch alle Jäger dafür ein, die verschiedenen Tierarten in ihren natürlichen Lebensräumen zu erhalten und nur eine limitierte Anzahl zu schiessen.»

Der erste tote Fasan vor den Füssen

Jagd ist ein besonders streitbares, hoch politisches Thema in der britischen Öffentlichkeit, denn viele sehen den aristokratischen Sport als Ausdruck der Klassengesellschaft, die – obschon seit Jahren offiziell totgesagt – noch immer das soziale Leben auf der Insel prägt. Wer als Ausländer das Privileg hat, zu einem «Driven Game Shoot», wie die traditionelle englische Fasanenjagd heisst, eingeladen zu werden, dem wird sofort bewusst, wie stark der Jagdtrieb in diesem Land noch immer mit aristokratischen Ritualen verbunden ist. Die vom Gutsherr eingeladenen Mitglieder der Jagdpartie, genannt «Guns», stellen sich auf offenem Feld in einer Reihe entlang einem Waldstück auf. Auf das Signal des Jagdhorns hin werden die Schrotflinten geladen und die «Beaters» (Treiber), traditionell die Pächter und Knechte der auf dem Boden des Gutsherrs liegenden Bauernhöfe, beginnen mit Holzstöcken um sich schlagend die Vögel aus dem Unterholz aufzuscheuchen. Sobald diese auf der Höhe der Baumspitzen ins Freie fliehen, sind sie zum Schuss freigegeben.

Dem unbeteiligten Beobachter mag dieses Spektakel bestenfalls langweilig, schlimmstenfalls grausam erscheinen, doch selbst als unerfahrener Teilnehmer wurde ich nach ein paar zögerlichen Schüssen plötzlich vom Jagdfieber gepackt. Der Geruch von Schiesspulver und die fast erotische Wärme der Flinte haben einen beunruhigend stimulierenden Effekt, und der plötzliche Adrenalinschub, als der erste Fasan tödlich getroffen vom Himmel mir direkt vor die Füsse fiel, führte zu einem geradezu hemingwayesken Rauschzustand von exstatischer Euphorie. Die menschliche Natur hat ihre dunklen, triebhaften Seiten, und genau wie Sex hat Jagen eine irrationale Anziehungskraft, die sich erst während des Aktes voll entfaltet.
Obwohl heutzutage nicht nur aristokratische Gutsherren auf eigenem Land jagen, sondern auch die vermögende Bourgeoisie für mehr als 1000 Franken pro Kopf an organisierten «Shoots» teilnimmt, ist das potenzielle Kundensegment in Grossbritannien viel zu klein, zumal eine Purdey Gun eine Ewigkeit hält und über Generationen vererbt wird. Hauptmarkt ist deshalb schon seit mehreren Jahrzehnten die USA, wo es nebst vermögenden Jagdenthusiasten in den Südstaaten auch viele reiche Waffennarren gibt, die sich ihre «Purdeys» nicht zum Gebrauch, sondern als Sammlerobjekt kaufen.

Eric Clapton orderte zwei Flinten

Neben den klassischen Modellen werden für diese Kunden in der firmeneigenen Manufaktur im Londoner Stadtteil Hammersmith in zwei Jahre dauernder Handarbeit besonders extravagante Flinten mit stark gemasertem Wurzelholzschaft und opulenten Goldintarsien hergestellt. Auf den Werkbänken der Waffenschmiede wird derzeit auch an einer Bestellung für einen berühmten Kunden gearbeitet: Gitarrengott Eric Clapton, selber aktiver Jäger, hat sich für ein sehr geschmackvolles, klassisches Modell mit dezenter Silbergravur entschieden.

Wie es sich für einen wahren Gentleman gehört, hat Clapton sich nach englischer Tradition gleich zwei absolut identische Flinten anfertigen lassen. So kann man das Nachladen einem Assistenten überlassen. «A Pair of Purdeys», das ideale Weihnachtsgeschenk «for the man who has everything».

Jann Schwarz lebt und arbeitet als freier Autor in England und in der Schweiz.

75 Gewehre pro Jahr
James Purdey & Sons, gegründet 1814, ist neben Holland & Holland der berühmteste Hersteller von exklusiven Jagdflinten und Gewehren. Nur rund 75 handgefertigte «Purdeys» verlassen jedes Jahr die Werkstatt in London, wo 50 Handwerker in bis zu 600 Stunden Handarbeit die individuell auf den Kunden abgemessenen Unikate herstellen.


1994 wurde Purdey von der französischen Vendôme-Gruppe übernommen, die zum Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont gehört. Gleichzeitig mit der Übernahme stieg mit Richard Purdey, dem Ur-Ur-Urgrossenkel des Firmengründers, als Chairman erstmals seit dem Tod von Tom Purdey 1957 wieder ein Mitglied der Gründerfamilie in die Geschäftsleitung auf.


Nebst Flinten und Gewehren verkauft Purdey auch eine exklusive Kleiderlinie im typischen englischen Tweed-Look.


www.purdey.com