Goldbullen tun sich im Moment trotz allgegenwärtiger Krisen schwer. Am Donnerstag fiel der Preis für das Edelmetall unter die Marke von 1700 US-Dollar. Im Tief kostete eine Feinunze (31,1 Gramm) 1697 Dollar und damit so wenig wie zuletzt vor knapp einem Jahr. 

Gegenüber dem Jahreshöchststand Anfang März bei 2070 Dollar hat das seit Menschengedenken beliebte Edelmetall 18 Prozent verloren.

Zu Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar hatte der Goldpreis noch ein enormes Wachstum zu verzeichnen. Der Krieg hat die Erwartungen an die US-Notenbank Fed kurzfristig gedämpft, die Zinssätze schnell und aggressiv anzuheben, um der hohen Inflation seit 40 Jahren entgegenzuwirken. In der zweiten Märzwoche erreichte die Kursentwicklung des Edelmetalls seinen Höhepunkt.

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Danach nahm der Preis wieder so weit ab, dass er bis Ende Juni das Niveau vom Januar erreichte und im Juli noch einmal deutlich an Höhe verlor. 

Starker Dollar und steigende Realzinsen

«Bis Anfang Juli machte Gold seinem Ruf als sicherer Hafen alle Ehre», sagt Carsten Menke, Edelmetallexperte bei Julius Bär, gegenüber cash.ch. Der Goldpreis habe sich in einem Spannungsfeld befunden: Während steigende Rezessionsrisiken und hohe Inflationsraten den Goldpreis gestützt hätten, seien die Straffung der Geldpolitik, der erstarkte Dollar und steigende Anleiherenditen ein Negativfaktor gewesen.

Der Dollar konnte seine momentane Stärke vor allem durch die restriktive Zinspolitik der Fed erreichen. Durch die Zinserhöhungen wurden die amerikanischen Märkte für Investoren interessant. In der Folge floss mehr Kapital in den Dollar-Raum, was zur Stärke der US-Währung mit beitrug. Doch auch die Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg und die Rezessionsängste haben die Nachfrage nach der Fluchtwährung angetrieben.

Grafik Cash

Die Entwicklung des Goldkurses seit Anfang2022

Quelle: cash.ch

Seit Jahresbeginn hat der US-Dollar Index, der den Wert des Dollars mittels eines Währungskorbs aus sechs Währungen vergleicht, um 13,7 Prozent an Wert gewonnen. Die Leitwährung ist so stark wie zuletzt im Jahr 2002. Dabei stehen der Dollar und der Goldpreis in einer umkehrenden Beziehung zueinander: Steigt der Dollar, so fällt der Goldpreis, da man mit jedem Dollar nun eine grössere Menge an Gold kaufen kann als zuvor.

Gold fällt auch, wenn Erträge aus Staatsanleihen anfangen zu steigen. Dies gilt speziell für die der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit, die diesbezüglich weitgehend als Massstab gelten. Im Gegensatz zu vielen anderen Investitionen, erhalten Anlegerinnen und Anleger für Gold keine Zinsen. 

Mehr noch, es fallen Lagerungskosten an. Wenn Zinssätze anfangen zu steigen, schneidet Gold oft schlecht ab, da sich Investoren anderen Anlageklassen wie Anleihen zuwenden, aus denen sie fortlaufende Erträge erwirtschaften können.

«Im Negativszenario nimmt die Dollarstärke weiter zu, was den Goldpreis wegen weiterer Verkäufe auf ein Niveau bei 1500 Dollar befördern könnte. Dies wäre jedoch ein klares Kaufniveau»

Carsten Menke, Edelmetallexperte bei Julius Bär

Die Rendite der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ist dieses Jahr wegen der vollzogenen und eingepreisten Leitzinserhöhungen der Fed von 1,63 auf knapp 3 Prozent angestiegen. Zwar ist die negative Beziehung zwischen Gold und der Rendite der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit zwar gegeben. Doch sollte man vielmehr die Realzinsentwicklung beachten. 

Bei dieser wird auch die goldpreistreibende Inflation berücksichtigt. Seit März dieses Jahres sind die Realzinsen stark gestiegen, überschritten Anfang Mai die 0-Prozent-Grenze und erlebten im Juni ihren bisherigen Jahreshöhepunkt. 

Im Juli sackt Anlegernachfrage ab

Warum konnte sich der Goldpreis trotz steigendem Dollar und positiver Realzinsen so lange halten? «Bis Anfang Juli war die Anlegernachfrage stark genug, so dass kein Rücksetzer erfolgte», sagt Menke. Seither sei diese aber deutlich eingebrochen. Physisch-hinterlegte Goldprodukte verzeichneten Verkäufe von mehr als 40 Tonnen, was den Goldpreis unter die technisch wichtige Marke von 1800 Dollar befördert hat und weiteren Verkaufsdruck nach sich zog.»

Ein Grund für diesen Schwund der Anlegernachfrage bestünde darin, dass die Inflationserwartungen deutlich zurückgekommen sind und die realen US-Anleiherenditen angezogen hätten.

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Zudem dominiere am Goldmarkt die angelsächsische Perspektive mit einem starken Fokus auf den Dollar und die Zinsen. «Die Zinsdifferenz zwischen Europa und den USA wird grösser. Deshalb wird der US-Dollar gegenüber dem Euro attraktiver, was zur Parität geführt hat und zu Goldverkäufen von US-Anlegern führte.»

Für Menke ist dieser starke Rücksetzer zwar erklärbar, aber trotzdem unplausibel, da die wirtschaftlichen Risiken zugenommen hätten, was den Realzins im Falle einer Rezession schlussendlich unter Druck setzen sollte. Denn ein wirtschaftlicher Einbruch dürfte dazu führen, dass Anleger noch stärker auf Anleihen setzen.

Wenn Anleihen dann wieder vermehrt gesucht werden, steigt deren Kurs. Per definitionem sinken damit die Anleiherenditen. 

Absturz auf 1500 Dollar oder Anstieg um 20 Prozent?

Doch was ist vom Goldpreis künftig zu erwarten? Menke geht davon aus, dass sich der Goldpreis bis Ende Jahr seitwärts entwickeln werde, da die Dollarstärke weiter anhalte. Grosse Rücksetzer sollten nicht erfolgen, da am Terminmarkt schon viel Negatives eingepreist sei.

Doch die Ausgangslage für Gold-Investoren ist aktuell mit sehr viel Unsicherheit behaftet: «Im Negativszenario nimmt die Dollarstärke weiter zu, was den Goldpreis wegen weiterer Verkäufe auf ein Niveau bei 1500 Dollar befördern könnte. Dies wäre jedoch ein klares Kaufniveau», ergänzt der Fachmann.

Dieses Szenario würde eintreten, wenn Europa in eine Rezession abrutscht, während dies in den USA nicht eintrifft. Mit einem russischen Gasstop für Europa würde die Wahrscheinlichkeit für diesen Ausgang sicherlich deutlich ansteigen.

Doch Menke hat auch ein optimistisches Szenario, in dem der Goldpreis zwischen 15 und 20 Prozent steigen könnte. «Falls die USA in eine Rezession schlittern und die US-Notenbank Fed eine Kehrtwende vollzieht, wäre dies sehr bullish für Gold.»

Viele Ökonomen sind mittlerweile der Ansicht, dass die Chance einer Rezession in den Vereinigten Staaten sehr hoch sei. Gold könnte in diesem Szenario also schon bald wieder als «sicherer Hafen» fungieren.

ManuelBoeck
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