Pünktlich zum Jahreswechsel startet der Wettbewerb über die beste Punktprognose für SMI und andere Indizes für 2021. Doch je länger der Zeithorizont, desto weniger wahrscheinlich wird es, eine korrekte Prognose abzugeben. Wer jedoch die Perspektive wechselt, kann sich losgelöst von kurzfristigen Zyklen auf die strukturellen Trends der Wirtschaft und der Kapitalmärkte konzentrieren.

Tilmann Galler ist globaler Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt.

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In unseren langfristigen Kapitalmarktschätzungen (siehe hier) versuchen wir genau das, indem wir das strukturelle Ertragspotential von Aktien und anderen Anlageklassen über einen Zeithorizont von zehn bis 15 Jahren prognostizieren.

Das langfristige Wachstum einer Volkswirtschaft wird durch zwei Faktoren definiert: die Demografie und die Produktivität. Beides Faktoren, die nur eingeschränkt von aktuellen Tagesthemen betroffen werden. Selbst die Pandemie hat bei den Wachstumsprognosen nur moderate Spuren hinterlassen.

Nach dem Absturz der Weltwirtschaft im ersten Halbjahr um 8,1 Prozent hat sich durch die kräftige Erholung im 3. Quartal der Rückgang des BIP seit Jahresanfang auf nur noch 0,5 Prozent verringert – so dass das Aufholpotenzial der Wirtschaft nicht mehr so gross ist, wie noch im Sommer auf dem Tiefpunkt der Wirtschaftleistung.

Warum ist das so wichtig für den Ausblick in der Kapitalanlage?

Es hilft letztendlich, den kräftigen Kursanstieg der Aktien richtig einzuordnen. Die inzwischen hohen Bewertungen reduzieren in der Tat die jährlichen Ertragserwartungen von beispielsweise US-Aktien um 3 Prozent jährlich, was im historischen Vergleich einem überdurchschnittlich hohen Abschlag entspricht. Aber das ist eben nur die eine Seite der Medaille.

Langfristige Aktienrenditen sind neben der Bewertung auch von Gewinnwachstum und Dividenden abhängig – und hier ist die Lage aufgrund des wenig veränderten Ausblicks für das Wirtschaftswachstum immer noch positiv. In der Summe sollte das strukturelle Wachstum in den nächsten zehn bis 15 Jahren den Malus der hohen Bewertung übertreffen.

So trauen wir den US-Aktien in Lokalwährung weiterhin eine jährliche Rendite von 4,1 Prozent zu. Auf den Anleihenmärkten hat die Pandemie tiefere Spuren hinterlassen. Die Leitzinsen und die Staatsanleihenrenditen sind weltweit auf das tiefste Niveau der Nachkriegszeit gefallen.

Die hohen Staatsschulden und Abwesenheit von Inflation werden die Normalisierung der Zinsen um Jahre verzögern, wodurch sich die langfristigen Renditeaussichten zusätzlich verschlechtern. Das bedeutet, für die nächsten zehn bis 15 Jahre, dass selbst wenn die Notenbanken ab 2023 wieder die Zinsen erhöhen werden, bei relativ stabilen Inflationserwartungen mit Staatsanleihen kein realer Kapitalerhalt mehr möglich sein wird.

Für Anleger sind diese langfristigen Aussichten sicherlich zwiespältig. Einerseits sind die Renditeerwartungen von Aktien immer noch positiv und deutlich oberhalb der Inflation. Andererseits zeigt sich, dass die Kursentwicklung der letzten 12 Monate bei Aktien und Renten die Renditeerwartungen weiter gesenkt hat.

Ein 60/40 Aktien-Renten-Portfolio in Schweizer Franken hat für die kommende Dekade gerade einmal die Aussicht auf 2,7 Prozent Rendite pro Jahr im Vergleich zu 3,3 Prozent im Vorjahr. Aktives Management und «Alpha» werden zukünftig also immer wichtiger.