Herr Laffer, ist Donald Trump wirklich ein neuer Ronald Reagan?
Die Ähnlichkeiten sind sehr gross. Als Ronald Reagan seine Kampagne begann, hatte auch er ein miserables Ansehen und wurde von seiner Partei schlecht behandelt. Er galt als Leichtgewicht, das seine Meinungen ständig ändert, als Rassist und Kriegstreiber.

Aber immerhin hatte er zwei Amtszeiten als Gouverneur von Kalifornien hinter sich. Er kannte also den politischen Betrieb – anders als Trump.
Ja, aber die Verachtung war genauso gross. Er galt als Schauspieler, der nichts von Politik verstand. Die Schwergewichte waren Kandidaten wie George Bush senior oder der spätere Präsidentschaftskandidat Bob Dole. Zu Beginn lag er weit hinten, aber dann gewann er 41 Staaten – und es folgte die beste Präsidentschaft der amerikanischen Geschichte.

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Reagan war ein Gentleman, kein Rüpel.
Im Auftreten sind sie unterschiedlich, Reagan war in der Tat der ultimative Gentleman. Aber die Attacken damals waren genauso scharf, das Land war genauso gespalten wie heute. Und Trump wird einen ähnlichen Regierungsstil pflegen wie Reagan: Er ist ein Anführer, ein Promoter, ein Zirkusdirektor im besten Sinne des Wortes. Und er wird eine ähnliche Wirtschaftspolitik machen. Ich bin begeistert von seinen Vorschlägen: Steuern senken, deregulieren, Wachstum schaffen.

So funktioniert, vereinfacht dargestellt, die Laffer-Kurve: die Steuern senken und trotzdem mehr Steuern einnehmen. Stimmt es, dass Sie das Modell Mitte der siebziger Jahre unter Präsident Ford bei einem Abendessen mit dessen Stabschef Dick Cheney und seinem Stellvertreter Donald Rumsfeld auf eine Serviette gezeichnet haben, um Ford von Steuererhöhungen abzuhalten?
Cheney war mein Klassenkollege in Yale und ein sehr guter Freund. Ich habe ihm und Rumsfeld dieses Modell präsentiert.

Woraufhin ein anwesender «Wall Street Journal»-Reporter den Ausdruck Laffer-Kurve erfand.
Um das klar zu sagen: Ich habe die Kurve nicht erfunden. Die Idee findet sich schon bei dem arabischen Gelehrten Ibn Chaldun im 14. Jahrhundert. Auch Keynes hat das Modell verwendet. Aber zu dieser Zeit, an diesem Ort habe ich es wiederbelebt.

Doch erst unter Reagan wurde es Regierungspolitik.
Als wir in den Wahlkampf einstiegen, waren wir nur 15 Leute in seinem Beraterteam in Beverly Hills. Ich war mit 35 Jahren der Jüngste. Das war der harte Kern auch nach dem Wahlsieg. Ich war acht Jahre Mitglied des Economic Policy Advisory Board. Dort haben wir die Reaganomics erfunden.

Die Situation 2017 ist nicht mit 1981 vergleichbar. Damals befanden sich die USA nach den lähmenden Carter-Jahren in der Rezession, gleichzeitig 
lag die Inflationsrate bei über 13 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei acht Prozent. Heute wächst die Wirtschaft, Inflation und Arbeitslosigkeit sind tief.
Den Eindruck, dass die US-Wirtschaft in gutem Zustand sei, halte ich für vollkommen falsch. Obama hat keinen wirklichen Aufschwung gebracht, die Stimmung ist schlecht. Meines Erachtens haben wir heute sogar die schlechteste Wirtschaftssituation der letzten 70 Jahre.

Wie kommen Sie darauf?
Ich nehme das Bruttoinlandprodukt, bereinige es um die Inflation und errechne dann die Wirtschaftsleistung pro jeden Erwachsenen. Ich nehme also das reale BIP pro Erwerbsfähigen. Dann komme ich auf den schlechtesten Wert seit 1950.

Aber die Arbeitslosenquote liegt offiziell 
bei nur 4,6 Prozent.
Weil sie nicht sauber berechnet wird. Jede Person, die sich nicht mehr als arbeitslos registrieren lässt, fällt aus der Statistik. Das ist eine riesige Zahl. Deshalb muss man den Anteil der erwachsenen Erwerbsfähigen an der Bevölkerung als Grundlage nehmen. Dann ist das Ergebnis desaströs.

Obama rühmt sich eines 75 Monate andauernden 
Jobwachstums.
Aber das entsteht nur durch die Zunahme der Bevölkerung! Das ist eine stupide Rechnung. Was zählt, ist die Wirtschaftsleistung pro Erwerbsfähigen. Und hier ist seine Bilanz verheerend.

Was hat er falsch gemacht?
Er hat nicht verstanden, dass man für Firmen und Bürger mit immer höheren Steuern keinen Wohlstand schaffen kann.

Viele Ökonomen sehen seine Leistung positiver.
Meine Berechnungsmethode wird kein seriöser Ökonom bestreiten – es sei denn, er ist politisch motiviert. Das bin ich nicht. Ich habe Demokraten genauso unterstützt wie Republikaner, ich war ein Kennedy- und Clinton-Demokrat und ein Reagan-Republikaner. Aus Wirtschaftssicht waren Bush jr. und Obama die schlechtesten Präsidenten, die wir seit Generationen hatten.

Und Sie haben schon im Sommer entgegen allen Prognosen der Umfrageinstitute detailliert dargelegt, warum Trump die Wahl klar gewinnen werde.
Hillary hat verloren, weil sie sich auf die Wirtschaftsleistung Obamas berufen hat. Das war ihr grosser Fehler.

Trump muss jetzt also nur die Rezepte 
von Reagan anwenden?
Ja, und ich sehe sogar das Potenzial, dass er mehr erreichen kann. Unter Reagan hatten wir zwei Jahre nach seinem Amtsantritt ein Wachstum von sieben Prozent. Das muss das Mindestziel sein.

Trump spricht von vier Prozent, das wäre schon 
sehr viel. Was sollte er als Erstes tun?
Eine Flat Tax einführen! Den gesamten Steuerdschungel zerschlagen und nur noch zwei Steuerquoten verwenden: die Mehrwertsteuer und eine Steuer auf alle persönlichen Einnahmen von zwölf Prozent. Dann würden die Steuereinnahmen und das Wachstum massiv steigen.

So radikal ist nicht mal Trump. Er will vor allem die Unternehmenssteuer von 39 auf 15 Prozent senken.
Das wäre schon mal ein sehr guter erster Schritt, denn sie zählt zu den höchsten der Welt. Wegen der viel zu hohen Steuerbelastungen haben amerikanische Konzerne gigantische Milliardenbeträge ins Ausland geschafft. Die müssen wieder zurück.

Das Hauptproblem bei den Steuersenkungen ist doch: Die Schulden gehen durch die Decke.
Es kommt darauf an, auf welchem Punkt der Laffer-Kurve man sich befindet. Wenn man die Steuern der Niedrigstverdienenden senkt, hat das in der Tat keinen Effekt auf die Wirtschaft und erhöht die Schulden. Wenn man dagegen die Steuern für die höchsten Einkommensklassen senkt, kommt es zu starkem Wirtschaftswachstum und einem Überschuss an Einnahmen. Unter Reagan haben wir die Steuerbelastung des Top-Prozents von 70 auf 28 Prozent gesenkt. Das Wachstum hob ab, die Steuereinnahmen als Teil des BIP gingen durch die Decke.

Dennoch hinterliess Reagan einen gigantischen Schuldenberg. Braucht es für das Funktionieren Ihres Modells nicht einen schlanken Staat? Reagan erhöhte die Staatsausgaben massiv, vor allem den Verteidigungsetat.
Damit das Modell gut funktioniert, braucht es tatsächlich tiefe Staatsausgaben. Doch die Situation damals war speziell. Verteidigungspolitik ist nicht mein Fachgebiet, aber meine Sicht ist, dass Reagan den dritten Weltkrieg gewonnen hat, ohne Truppen zu verlieren. Reagan hat die Russen über sein starkes Militär zur Aufgabe gezwungen. Wenn man den Gegner durch Angst zur Kapitulation zwingt, ist das viel besser, als wenn man ihn bekämpft.

Auch Trump will das Militär aufrüsten, obwohl 
der Kalte Krieg vorbei ist.
Ist die Sicherheitslage heute wirklich so viel besser? Das lässt sich schwer beurteilen. John F. Kennedy sagte treffend: «Verteidigungsausgaben sind immer verschwendet, wenn man in eine Situation gerät, in der man seine Militärmacht einsetzen muss. Das ist ein klares Signal, dass man nicht genug ausgegeben hat.» Reagan hat genug ausgegeben, aber das hat zu Defiziten geführt. Doch Bill Clinton gewann dadurch grossen Freiraum und erwirtschaftete schnell wieder Haushaltsüberschüsse. Ich bin ein grosser Fan von ihm.

Trump gibt sich als Protektionist und will Einfuhren mit hohen Zöllen belegen.
Ich bin durch und durch Freihändler. Es gibt Sachen, die machen Amerikaner besser als andere, und andere Sachen machen Ausländer besser. Wir und sie wären extrem dumm, wenn wir ihnen nicht die Produkte verkauften, die wir besser machen, und umgekehrt. Das sind die klassischen Handelsgewinne, bestens beschrieben von David Ricardo und Adam Smith.

Dann werden Sie die angedrohten Strafzölle von 35 Prozent auf chinesische oder mexikanische Güter kaum schätzen.
Ich finde, dass überhaupt keine Tarife auf irgendwelche Importe erhoben werden sollten. Trump sagt aber auch, dass er an Freihandel glaubt, nicht jedoch an unfaire Deals. Ich hoffe, dass das stimmt. Trump ist ein Verhandler, ein Dealmaker, ich bin ein langweiliger alter Ökonom, der Freihandel liebt. Kann er bessere Deals aushandeln? Ja, daran habe ich keine Zweifel. Dass er wirklich Strafzölle einführt, glaube ich erst, wenn ich es sehe.

Was erwarten Sie für die Börse?
Mir machen die ersten beiden Jahre Sorgen, wegen der Verzögerung: Es dauert eine Zeit, bis sich die neuen Gesetze auf die Wirtschaft auswirken. Das war auch bei Reagan so. Die Börse war im August 1982 auf dem tiefsten Punkt. Von da an hatten wir den schönsten Aktienboom der Geschichte. Aber sind die Kurse nicht jetzt schon zu hoch?Die Börse ist preisbereinigt auf dem Niveau von 2000. Wir hatten seitdem 16 Jahre ohne reale Gewinne. Wir mögen jetzt ein, zwei harte Jahre haben, aber dann geht es los. Trump kann nur gewinnen.

Warum?
Die Latte liegt sehr, sehr tief, der Wirtschaft geht es wirklich schlecht. Schon wenn Trump nichts macht, schlägt er Obama ganz einfach. Zudem hat er keine politischen Probleme, anders als wir 1981. Bei den Kongresswahlen 1982 haben wir den Senat verloren und viele Sitze im Repräsentantenhaus. Trump läuft nicht Gefahr, auch nur eine der beiden Kammern 2018 zu verlieren. Er hat die besten Voraussetzungen, aus den USA wieder eine grossartige Volkswirtschaft zu machen.

Schafft er eine zweite Amtszeit?
Ja, das denke ich. Ich bete nur, dass er sich nicht zu sehr mit populären Massnahmen profilieren will. Das Entscheidende ist das Wirtschaftswachstum, darauf muss er sich konzentrieren. Der Wohlfahrtsstaat ist keine Antwort. Er ist ein Fluchtort für Menschen, die nichts für sich selbst tun können. Die beste Form von Wohlstandsmehrung ist ein hoch bezahlter Job für so viele Leute wie möglich.

Was würde eine erfolgreiche trumpsche Wirtschaftspolitik für den Rest der Welt bedeuten?
Von Reagan haben alle profitiert: Es kam in sehr vielen Staaten zu Steuersenkungen. Wir brauchen viel mehr Wettbewerb zwischen Regierungen. Deshalb ist die EU so sklerotisch: Es fehlt an ökonomischem Wettstreit zwischen den Ländern. Das ist ein grosser Fehler.

Wird die EU crashen?
Ich glaube, das wir viele Brexits sehen werden in den nächsten acht, neun Jahren.

Und die Schweiz?
Ich komme zweimal pro Jahr geschäftlich nach Genf, und als junger Student in Freiburg im Breisgau kam ich zum Wandern in die Schweiz. Der Monte-Rosa-Gletscher hat mich stark beeindruckt. Ich spreche sogar ein paar Brocken Schwyzerdütsch. Ich finde dieses Land fantastisch. Es geht seinen eigenen Weg und hat internen Wettbewerb zwischen den Kantonen. Und vor allem: Die Schweiz hat niedrige Steuern und hohen Wohlstand. Die Schweiz praktiziert Reaganomics! Sie ist der Prototyp für die Laffer-Kurve. Ich liebe dieses Land.

Beraten Sie die Trump-Regierung?
Ich kenne viele Kabinettsmitglieder und spreche regelmässig mit ihnen. Da sind viele brillante Köpfe dabei. Wenn sie mich fragen, stehe ich zur Verfügung.