BILANZ: Welche Erwartungen haben Sie für die Börse 2009?

Marc Bürki: Es ist schwierig, positiv eingestellt zu sein, wenn alle schwarzsehen. 2009 wird für die Wirtschaft sicher hart. Aber die Börse hat bereits so stark korrigiert, dass die schlimmsten Erwartungen in den Kursen enthalten sind.

Wie stark haben die Swissquote-Anleger unter der Börsenkrise gelitten?

Im Durchschnitt liegt die Entwicklung der Depots etwas über dem SPI. Allerdings gibt es grosse Unterschiede zwischen jenen, die sehr intensiv handeln, und jenen, die langfristig ausgerichtet sind.

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Hat sich das Anlageverhalten verändert?

Die Nachfrage nach Fonds und Obligationen ist gestiegen. Das ist bei einem Online-Broker eher ungewöhnlich. Bei den strukturierten Produkten hat die Pleite von Lehman Brothers eine Zurückhaltung bewirkt, indem die Emittenten bewusster ausgewählt werden.

Zeigen sich Unterschiede in der Depotgrösse nach Geschlecht oder Alter?

Ich bin immer wieder erstaunt, wie ähnlich die Strategien sind. Wir haben Privatkunden, die sich sehr professionell verhalten und ähnlich gut diversifiziert sind wie institutionelle Anleger. Zwischen Frauen und Männern sind keine spezifischen Unterschiede feststellbar. Die jüngeren Anleger sind eher etwas aktiver.

Hatten Sie viel Resonanz von Kunden, die besonders besorgt und wegen ihrer Verluste verärgert waren?

Nein. Bei uns investieren die Kunden bewusst auf eigenes Risiko. Wir bieten keine Anlageberatung an. Hingegen fragen viele Kundinnen und Kunden bei uns nach Produktvorschlägen für ihre Anlageideen. Wir bieten ja inzwischen fast 200  000 Produkte auf unserer Plattform, da wird es für sie immer schwieriger, das passende Produkt zu finden. Aber es gab keine Panikreaktionen.

Wie viele Kunden waren vom Lehman-Kollaps betroffen?

Die Bank war kein Produktpartner von Swissquote. So hatten nur ganz wenige Kunden in diese Produkte investiert.

Wie hat Ihr System die enormen Volumen im Oktober und die extremen Wertschwankungen verkraftet?

Unsere Systeme haben immer einwandfrei funktioniert. Wir haben vor eineinhalb Jahren das Projekt D-Day gestartet, und die Kapazitäten wurden verdoppelt.

Vor allem im Oktober konnte Swissquote eine sprunghafte Zunahme an Neukunden verzeichnen, als die Turbulenzen an den Börsen am grössten waren. Worauf führen Sie diesen Ansturm zurück?

Die Zuverlässigkeit des Systems ist in solchen Situationen von entscheidender Bedeutung. In hektischen Tagen ist bei andern Plattformen der Zugriff zur Börse eingeschränkt oder gar nicht möglich, weil zum Beispiel die Kundenbetreuer überlastet und nicht erreichbar sind. Ein zweiter Grund ist die Sicherheit unserer Bank. Bisher herrschte die Meinung vor, je grösser, desto sicherer sei eine Bank. Doch nun hat sich gezeigt, dass im Gegenteil mit der Grösse das Risiko steigt. Das hat den einen oder andern Anleger zum Wechsel zu einer kleineren Bank wie uns bewogen.

Konnten Sie Marktanteile gewinnen?

Ja, etwa fünf Prozent. In andern Ländern haben die Marktleader ebenfalls Anteile gewonnen. Es ist eine Sogwirkung entstanden, was wohl wiederum mit der Sicherheit zu tun hat. Anleger entscheiden sich nicht einfach zum Wechsel, sondern vertrauen dem grössten Anbieter.

Hat sich das Potenzial von 400  000 Online-Kunden, das vor vier Jahren ermittelt worden ist, durch die Finanzkrise verändert?

Dieses Potenzial ist stabil geblieben, wie die jüngste Studie über Aktienbesitz in der Schweiz der Universität Zürich zeigt. So bleibt auch unser Ziel von 200  000 Kunden intakt. Die Finanzkrise hat sich als Katalysator für uns erwiesen. Derzeit gibt es in der Schweiz etwa 220  000 Anleger, die über eine Online-Plattform handeln. Davon haben wir einen Marktanteil von etwa 57 Prozent.

Welche Prioritäten setzen Sie für das laufende Jahr?

Das Wachstum weiterzutreiben. Dazu wollen wir das Angebot bei den Sparkonten ausbauen. Neu werden wir Sparpläne mit ETF anbieten. Zudem bauen wir die Plattform für den Devisenhandel um und aus. Sie muss noch schneller und effizienter werden.

Wieso gerade der Devisenhandel?

Dieser Handel wird ab April neu von der Finma, der neuen Finanzmarktaufsichtsbehörde, reguliert. Bisher war dieser Handel frei, weil Devisen keine Effekten sind. Nun wird aber neu eine Bankenlizenz für dieses Geschäft benötigt. Und viele Anbieter werden diesen Anforderungen nicht genügen. Wir erhoffen uns, dadurch neue Kunden zu gewinnen.

Gehört das Depot- und Administrationsgeschäft für Fonds ebenfalls zu den Wachstumsplänen?

Wir haben nun die Lizenz dazu und fungieren bereits für einige Fonds als Depotbank. Meistens sind jedoch Depotbank und Fondsadministration zusammen. Da wir keine Verwaltung anbieten, ist Wachstum in diesem Geschäft schwierig und steht auch nicht auf unserer Prioritätenliste. Allerdings nutzen ausländische Fonds, vor allem Hedge Funds, unsere vollautomatisierte Brokerschiene für ihren Wertpapierhandel. In diesem Bereich wollen wir durchaus weiterwachsen. Derzeit machen diese Geschäfte etwa fünf Prozent des gesamten Handelsvolumens aus.

Ein negatives Erlebnis hatten Sie ja mit dem Ausfall einer Lehman-Anleihe. Wie kam es zu diesem Zwischenfall?

Wir sind als Mitglied der Eurex verpflichtet, kollektive Sicherheiten für die Optionsgeschäfte unserer Kunden zu leisten. Entweder können schlecht verzinste Bareinlagen hinterlegt werden oder Obligationen. Wir wählten 2006 eine Lehman-Obligation aus, die damals noch beste Bonität genoss. Vor allem wurde der Zinssatz dieser Anleihe laufend dem Leitzins angepasst. Leider haben wir uns dann zu lange darauf verlassen, dass auch diese Bank vom Staat gerettet würde.

Ein gutes Investment wäre der Rückkauf eigener Aktien, die mit Kursen um 35 Franken nur 10 Franken über dem Ausgabepreis beim Börsengang vor acht Jahren notieren.

Wir haben in bescheidenem Umfang Aktien zurückgekauft. Aber nicht, um den Kurs zu stützen, sondern um Mitarbeiter-Optionspläne abzudecken. Der Bestand liegt bei etwas über fünf Prozent. Wir schütten lieber Dividenden aus.

Ist damit eine Erhöhung der Dividende zu erwarten?

Dies wird der Verwaltungsrat entscheiden und dann an unserer Bilanzpräsentation am 13.  Februar bekanntgeben.

Marc Bürki

1990 gründete der Elektroingenieur und Hobbypilot mit seinem Freund Paolo Buzzi ein Softwareunternehmen, aus dem 1999 der Online-Wertpapierhändler Swissquote hervorging. Ein Jahr später folgte der Börsengang, und 2002 erhielt die Plattform Bankenstatus. Mit 110  000 Kunden ist Swissquote unangefochtener Leader und weist einen Marktanteil von 57 Prozent auf. Bürki wurde 1961 in Marokko geboren, wo er aufwuchs.