BILANZ: Herr Rich, Sie sind ein grosser Sponsor in Sachen Kunst und Kultur, gerade beim Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL). Eine PR-Übung oder mehr?

Marc Rich: Das hat mit PR nichts zu tun. Ich geniesse die Konzerte im KKL, jedes für sich ist ein unvergessliches Erlebnis. Das Lucerne Festival ist etwas Wundervolles, wir gingen fast jeden Abend hin. Vor allem die Konzerte mit Claudio Abbado sind grossartig. Das KKL strahlt in die ganze Welt aus.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das kann man vom FC Luzern nicht behaupten. Trotzdem haben Sie für das Stadion einen namhaften Betrag gesprochen.

Weshalb sind Sie überrascht? Ich mag Sport. Zudem ist Sport etwas Gutes für junge Leute, das fördert den Teamspirit und die Leistungsbereitschaft.

Wie beurteilen Sie die Leistung von Glencore-Chef Ivan Glasenberg?

Ein hervorragender Mann mit sehr viel Erfahrung und noch mehr Energie. Er leistet gute Arbeit und hat Glencore unglaublich entwickelt.

Haben Sie damals Ivan Glasenberg zur Marc Rich AG geholt?

Ja, ich habe ihm in Südafrika den Kohlenhandel anvertraut. Bis heute pflegen wir eine enge Beziehung.

Ist es überhaupt nötig, dass Glencore und Xstrata fusionieren, wie es beabsichtigt ist?

Nötig ist es nicht, denn Glencore beherrscht Xstrata sowieso dank einer grossen Minderheitsbeteiligung.

Weshalb also die Elefantenhochzeit?

Sie macht Glencore stärker und noch mächtiger im Rohstoffmarkt, als das Unternehmen heute schon ist. Gerade in diesem Geschäft zählen Grösse und Macht sehr viel. Je grösser eine Firma ist, desto mehr Marktmacht hat sie und kontrolliert damit auch leichter die Preisgestaltung. Am Ende bedeutet das höhere Gewinne.

Kennen Sie Xstrata-Chef Mick Davis?

Ja, ein ziemlich harter Bursche. Er hat Xstrata führungsmässig gut im Griff, hält die Kosten unter Kontrolle. Davis ist der typische Finanzmann, aber weniger ein Trader.

Zuerst sollte Davis die fusionierte Firma führen, jetzt strebt Glasenberg die totale Macht an. Überrascht Sie das?

Für mich war immer klar, dass Ivan nicht zurückstehen würde. Er wäre höchstens für kurze Zeit auf die Seite gestanden und hätte sofort eingegriffen, wenn etwas aus dem Ruder gelaufen wäre. Für ihn ist es nicht wichtig, ob er die Nummer eins oder zwei im Konzern ist. Glasenberg ist sowieso die Schlüsselfigur, nicht zuletzt dank seiner hohen Beteiligung an Glencore.

Als Sie Glasenberg holten, hat Ihnen die Firma noch mehrheitlich gehört. Seit dem Glencore-IPO besitzt Glasenberg einige Milliarden mehr Vermögen als Sie. Ist das irritierend?

Überhaupt nicht. Er hat viel gearbeitet, um Glencore dahin zu bringen, wo die Firma heute steht. Ich bin glücklich über seinen Erfolg – und übrigens auch über meinen eigenen. Er ermöglicht mir ein angenehmes Leben. Aber ehrlich: Ich habe mich nie geärgert, wenn andere mehr verdienten als ich.

Nur haben Sie das Unternehmen Mitte der neunziger Jahre für einen Bruchteil des heutigen Werts ans Management verkauft.

Ich habe keine schlechten Gefühle deswegen. Wie gesagt: Glencore hat sich seither stark weiterentwickelt. Und schliesslich ist das alles doch Geschichte.

Halten Sie noch Beteiligungen an Glencore oder Xstrata?

Im Moment nicht. Ich bin aus beiden Investments wieder ausgestiegen. Und ich habe gut daran getan. Denn schliesslich haben sich beide Aktien über die vergangenen Monate wenig erfreulich entwickelt. Aber die Branche hat viel Potenzial, und es gibt nur wenige kotierte Unternehmen. Daher wohl auch die zeitweilige Überbewertung dieser Aktien durch den Markt.

Angeblich wollen Sie Ihre Villa in Meggen verkaufen und nach London ziehen …

… glauben Sie nicht alles, was die Presse schreibt. Es stimmt: Ich habe eine Wohnung in London, und die will ich behalten. Dort werde ich künftig auch Zeit verbringen, vor allem wegen meiner Töchter und deren Kindern. Doch ich werde nie aus der Schweiz wegziehen, sie wurde zu meiner Heimat.

Stand Ihre Villa nicht zum Verkauf?

Ich war zeitlebens ein Trader, und wenn jemand kommt und mir einen guten Preis bietet, dann verkaufe ich auch. Mir ist das Haus in Meggen, in dem ich seit Jahrzehnten lebe, zu gross geworden. Eigentlich wollte ich diese Immobilie verkaufen und an einen anderen Platz umziehen. Doch den von mir verlangten Preis erzielte ich nicht. Deshalb bleibe ich in meiner Villa, hier gefällt es mir immer noch sehr.

Reisen Sie noch viel?

Ja, doch fast nur noch in Europa. Nicht primär wegen meiner Familie, sondern aufgrund meiner unbändigen Neugier und meiner Geschäfte.

In welchen Gebieten?

Ich bin auch im Immobiliengeschäft aktiv, hauptsächlich in Spanien. Ich habe dort sehr viel Geld investiert und wegen der Krise auch sehr viel verloren, zumindest auf dem Papier. Doch ich glaube immer noch an dieses Investment. Spanien ist ein wunderbares Land mit wunderbaren Leuten.

Sind Sie in diesem Markt nicht gefangen?

Wir warten die weitere Entwicklung ab und verkaufen nichts mehr, weil die Preise zu tief sind. Wir haben die dortigen Aktivitäten redimensioniert. Eine Falle ist Spanien aber nicht. Wir müssen aus keinem unserer rund 25 Projekte aussteigen. Wir können es uns leisten, in aller Ruhe auf bessere Zeiten zu warten. Via Marc Rich Group halte ich erstklassiges Land. Und die Erfahrung zeigt: Landbesitz ist nie ein Fehler. Eine grosse Hilfe ist auch, dass ich in Spanien über gute Beziehungen verfüge.

Besitzen Sie in Spanien nur Land oder auch Häuser?

Nur Land. Ich empfand dies einst als Nachteil, denn Landbesitz allein brachte uns keine Einnahmen. In der Krise stellt sich das als Vorteil heraus. Wir müssen keine halbfertigen Immobilien unterhalten, es fallen keine Overhead-Kosten an, da wir die Projekte einfach einfroren. Wir konnten auch dank guten Abkommen mit den Banken die Schulden umstrukturieren.

Welchen Anteil repräsentiert Spanien am gesamten Immobilienbesitz der Marc Rich Group?

Das ist eine Frage der Bewertung. Gemessen am Kaufpreis, repräsentiert Spanien einen substanziellen Teil des Immobilienportfolios; basierend auf dem Marktpreis, ist dieser Anteil viel geringer. Daran lässt sich ablesen, in welch tiefen Schwierigkeiten der spanische Immobilienmarkt tatsächlich steckt.

Früher war die Marc Rich Group stark aktiv in Aktien, Hedge Funds und anderen Anlageprodukten, heute stehen Immobilien im Vordergrund. Weshalb wird umgeschichtet?

Seit etwa fünf Jahren schichten wir von Finanzprodukten in reale Werte um. Dank dieser Strategie erwirtschaften wir eine anständige Performance. Wir bewegen uns immer mehr weg von den Finanzmärkten, denn diese sind längst aus dem Gleichgewicht geraten. Sie haben mit realen Werten nicht mehr viel zu tun, was sich nur schon an den überrissenen Salären der Akteure zeigt. Wir konzentrieren uns auf Investments, die Stabilität, Ausgewogenheit, echte Werte und regelmässige Renditen bringen.

Weshalb die Abneigung gegen die Finanzmärkte?

Die Entwicklung an den Finanzmärkten hat gezeigt, dass man sich auf diese Einkommensquelle nicht mehr verlassen kann, weil sie extremen Schwankungen unterworfen ist. Auch scheinen Leute, die dieses Geschäft betreiben, heute völlig überfordert zu sein. Ich weiss nicht, ob es ihnen an Ausbildung und Erfahrung mangelt oder einfach an Engagement. Jedenfalls hat man den Eindruck, dass sie nicht das richtige Gefühl für ihre riskanten Anlagevehikel entwickeln.

Der einst wagemutige Ölhändler Marc Rich scheut Risiken?

Für komplexe, riskante Anlagen müssten wir ein grosses Risk-Management- sowie Inhouse-Trading-Team beschäftigen. Hinzu kämen eine Gruppe von Finanzanalysten und weitere Experten. Diese Struktur unterhielten wir vor Jahren, doch die Resultate blieben mager. Deshalb hat Kathrin Genovese, die ich vor knapp fünf Jahren als CEO einsetzte, die Marc Rich Group vollständig umstrukturiert und alle Aktivitäten, soweit möglich, zu den besten Experten ausgelagert. Sie hat das Family Office in Zug mit 30 Leuten übernommen, heute sind es noch 5.

Was ist das Resultat dieser Schrumpfkur?

Mit knapp einem halben Dutzend Beschäftigten funktioniert die Firma besser als je. Wir sind effizienter, deutlich profitabler und erzielen dieser Tage eine ausgezeichnete Performance.

Von wie viel Performance sprechen wir hier?

In diesem Jahr haben wir bislang acht Prozent erwirtschaftet. Das ist gut, aber nicht gut genug.

Mit welcher Performance sind Sie denn zufrieden?

Ich bin nie zufrieden (lacht).

Welches war der beste Deal Ihres Lebens?

Die Gründung der Marc Rich Group.

Und der schlechteste?

Der Wiederholungsversuch.

Massig Geld verdienten Sie einst dank Ihren Deals mit Iran. Würden Sie heute noch Handel mit diesem Land treiben?

Wenn es möglich wäre, warum denn nicht? Ich habe immer noch Partner in Iran, auf die ich mich verlassen könnte, und ich pflege dort unverändert beste Kontakte.

Auch im Erdölhandel?

Ja. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Iran will offenbar die Atombombe, Israel fühlt sich bedroht.

Iran befindet sich in einem desolaten Zustand. Nun stellt sich die Frage, ob sich die ökonomische und politische Situation verschlechtert oder nicht. Krieg ist immer eine fatale Sache.

Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Wie stark wird dadurch Ihre Unterstützung in Israel beeinflusst?

Ich unterstütze über die Marc Rich Foundations einige Organisationen, so das Peres Center for Peace in Tel Aviv, eine der wichtigsten Einrichtungen für den Frieden in Israel. Finanziell unterstützt werden aber nicht nur Institutionen auf israelischem Boden, sondern auch auf palästinensischem, beispielsweise bei der Durchführung von Konzerten, Studienprogrammen und anderem.

Haben Sie über die letzten Jahre Fortschritte in den Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern gesehen?

Unglücklicherweise sind die Fortschritte höchst bescheiden. Auf beiden Seiten sind zu viele halsstarrige Leute zu finden, darunter auch Politiker.

Zurück zum Business. Sie investieren wieder in Minen und Metalle. Mit beträchtlichen Mitteln?

Nein, das ist ein kleines Investment geblieben.

Einst waren Sie der «King of Oil». Haben Sie je damit geliebäugelt, wieder ins Ölgeschäft einzusteigen?

Von Zeit zu Zeit denke ich tatsächlich darüber nach. Doch das Hauptproblem ist, dafür die richtigen Leute zu finden. Wenn wir versuchen, eine schlagkräftige Truppe zu bilden, werden zuerst Forderungen bezüglich Löhnen und Leistungsprämien gestellt. Das ist für mich der falsche Ansatz, und deshalb sagen wir denen auch sofort Goodbye. Heute ist es viel schwieriger, in diesem Geschäft die richtigen Leute zu finden. Die Mehrheit will nicht mehr hart arbeiten, sondern nur noch viel Geld kassieren.

Sie haben einst den Rohstoffhandel in der Schweiz begründet. Sind Sie stolz darauf?

Ich bin stolz darauf, dass sich der Rohstoffhandel zu einem wichtigen Faktor der Schweizer Volkswirtschaft entwickelt hat. Dazu habe ich sicher einen massgeblichen Beitrag geleistet. Viele Entscheidungsträger der Branche haben ihr Handwerk in meinen Firmen gelernt.

Der Rohstoffhandelsplatz Schweiz wird im In- und Ausland kritisiert. Ist die Kritik betreffend Intransparenz und Profitgier berechtigt?

Die Habgier hat ihren Preis. Will heissen: Unsere Konsumgesellschaft fordert ihren Tribut. Und nun sollen die Beschaffer an den Pranger gestellt werden? Ich verstehe diesen Widerspruch nicht.

Wie präsent sind Sie noch im Tagesgeschäft der Marc Rich Group?

Die wichtigsten Entscheide treffe ich immer noch selbst. Doch meinen Leuten lasse ich viel Freiheit. Das war schon früher so. Ich hole mir die besten Talente und lasse sie walten.

Wie stark sind Ihre beiden Töchter in der Firma involviert?

Ilona und Danielle sind zwar für meine Stiftungen tätig, doch in der Firma kaum aktiv. Kathrin Genovese informiert sie aber täglich über das Geschehen. Meine Schwiegersöhne führen erfolgreich ihre eigenen Geschäfte, doch sind beide auch für mein Unternehmen tätig: Kenny Schachter ist in London Kunsthändler und bei meiner Firma MR Art Trading als Experte aktiv, Richard Kilstock agiert als Berater bei der Marc Rich Real Estate.

Beim Versuch, Ihre Töchter fürs Geschäft zu interessieren, haben Sie sogar den Privatbankier Karl Reichmuth eingesetzt.

Nur hat auch das nichts genützt. Sie waren einfach nicht interessiert. Ich verstehe das bis zu einem gewissen Grad. Meine Töchter führen ihr eigenes Leben, sie haben Kinder und sind beide grossartige, fürsorgliche Mütter.

Wie viele Grosskinder haben Sie?

Sechs, und alle sind gute Skifahrer. Wenn wir zusammen Ski laufen, bin ich aber immer noch schneller unten als sie.

Wirklich?

Nein, da habe ich etwas übertrieben (lacht).

Sind Sie sehr aktiv im Kunsthandel?

Ja. Über die MR Art Trading kaufe und verkaufe ich laufend Kunst. Es ist eine Mischung aus Leidenschaft und Geschäft. Kunst als zeitgemässes Handelsgut.

Diese schöne Statue von Alberto Giacometti im Esszimmer …

… steht nicht zum Verkauf. Oder sagen wir es so: Es ist alles eine Frage des Preises!

Virtuoser Dealer
Marc Rich (77) wird 1934 in Antwerpen als Marcell David Reich geboren. Die jüdische Familie flüchtet 1940 vor den Nazis in die USA. Als 20-Jähriger startet Rich seine Karriere beim damals grössten Rohstoffhändler, Philipp Brothers. 1974 gründet er mit Partnern in Baar ZG die Rohstoffhandelsfirma Marc Rich + Co AG. Mitte der neunziger Jahre verkauft Rich seine Firma ans Management, das den Konzern als Glencore zum weltgrössten Rohstoffhändler ausbaut. Heute beschäftigt sich Marc Rich mit Anlagen, Immobilien und Kunsthandel. Rich lebt in Meggen LU, ist zweifach geschieden und hat zwei Töchter.