BILANZ: Sie haben den Hauptsitz von Sal. Oppenheim von Köln nach Luxemburg verlegt. Aus Steuergründen?

Matthias Graf von Krockow: Wir haben den Sitz der Gruppe Sal. Oppenheim nach Luxemburg verlegt, weil wir dadurch mehr Flexibilität bei der internationalen Expansion erhalten.

Und weil das Steuerrecht dort flexibler ist.

Das mag zwar sein, aber das hat für unsere Entscheidung keine Rolle gespielt.

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Aber der Schutz vor dem deutschen Fiskus schon.

Auch das ist kein Grund. Die Diskretion ist in Luxemburg aber auf jeden Fall höher als in Deutschland.

Wie wichtig ist diese Diskretion?

Extrem wichtig. Ein Beispiel: Wir haben eine sehr erfolgreiche Bank in Österreich, die nun Tochter der Gruppe Sal. Oppenheim in Luxemburg ist. Damit bieten wir ein doppeltes Bankgeheimnis: Die Kundeneinlagen, die von unserer Bank in Wien verwaltet werden, sind durch das österreichsche Bankgeheimnis geschützt, und das wiederum steht unter dem Schutz des luxemburgischen Bankgeheimnisses. Der Schutz der Privatsphäre ist ein hohes Gut.

Warum sind Sie nicht in die Schweiz gekommen?

Wir haben auch die Schweiz als Standort geprüft, aber wir wollten auch in der EU bleiben. Die Zugehörigkeit zu Euro-Land und die räumliche Nähe zu Köln sprachen für Luxemburg. Zudem waren wir bereits mit einem sehr grossen Fondsgeschäft dort vertreten. Das Land mit seiner Multinationalität, seiner Professionalität in der Gesetzgebung und den raschen Reaktionszeiten der Behörden war für uns die beste Wahl.

Luxemburg bildet mit den EU-Staaten Österreich und Belgien einerseits und der Schweiz andererseits eine Allianz gegen die Aufweichung des Bankgeheimnisses.

Damit eines klar ist: Wir haben bei uns keine Steuerflüchtlinge. Unsere Kunden wollen einfach nicht, dass Unbefugte oder Behörden Einblick in ihre Vermögensdaten bekommen, wie das leider in Deutschland der Fall ist. Dort sind wir per Gesetz gezwungen, Online-Abfragen aller Kundenstammdaten zuzulassen.

«Automatischer Informationsaustausch» nennt sich das in der Fachsprache, und den will Brüssel jetzt auf die gesamte EU übertragen.

Es wird wahrscheinlich so kommen, mit welcher Begründung auch immer. In Deutschland ist es zum Beispiel die Bekämpfung von Geldwäscherei, in einem anderen Land ist es die Terroristenbekämpfung.

Was halten Sie davon?

Wenig bis gar nichts.

Wann ist es so weit?

Es braucht Gründe und Anlässe. Die Liechtensteiner Vorfälle mit dem Kauf der Bankdaten der LGT durch den deutschen Fiskus waren beides: Grund und Anlass. Auch die Vorfälle bei der UBS sind ein willkommener Anlass: Die Behörden wollen beweisen, dass die Bank Mithilfe zu organisierter Steuerhinterziehung geleistet hat. Gelingt dieser Nachweis, dann hat man eine Handhabe, die notwendigen Gesetze zu erzwingen und umzusetzen.

Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hat die Schweiz gerade von neuem der systematischen Steuerhinterziehung beschuldigt und Strafaktionen angekündigt. Wird es so weit kommen?

Der wirtschaftliche Druck auf die Schweiz wird enorm sein, wenn die EU und die USA gemeinsam gegen sie vorgehen.

Gibt es wirklich eine Kooperation zwischen Brüssel und den USA?

Ich habe lange in den USA gearbeitet, ich weiss, wie die Amerikaner denken. Und ich kenne die Verantwortlichen in Brüssel. Ich bin mir sicher, dass sich der Druck verschärfen wird.

Bislang gilt aber doch das Abkommen über Zinsbesteuerung, und zwar bis 2013.

Abkommen können Sie jeden Tag neu schliessen, je nach Druck und Interessenlage.

Aber die Schweizer müssen mitmachen.

Die Schweiz ist ein relativ kleines Land mit einem überproportional grossen Finanzsektor. Und sie steht vor einer grossen Aufgabe, die sie wahrscheinlich nicht allein lösen kann.

Aber bevor die EU auf die Schweiz losgeht, müsste sie doch erst einmal das Bankgeheimnis in ihren Mitgliedstaaten Luxemburg, Österreich und Belgien knacken.

Das gehört zusammen. Tatsache ist: Die Vertragspartner haben die Verträge nicht mit grossem Enthusiasmus abgeschlossen.

Für Sie wäre das Ende des Bankgeheimnisses ein falscher Schritt?

In meinem Büro hängt die Formulierung des Bankgeheimnisses von Friedrich dem Grossen aus dem Jahr 1776. Ich lege sie jedem Mitarbeiter vor, der bei uns in der Vermögensverwaltung be- ginnt. Sie ist in einer Sprache geschrieben, welche die Schweizer gut verstehen.

Was steht dort?

«Wir verbiethen bei Unser Königlichen Ungnade, allen und jeden, nachzuforschen, wie viel ein anderer auf seinem Folium zu gute habe; auch soll niemand von den Banco-Schreibern sich unterstehen, solches zu offenbahren, weder durch Worte, Zeichen, oder Schrift …»

Aber werden Sie dann von der Politik erhört?

Ich kann meine Meinung äussern, doch die Politik entscheidet.
Der automatische Informationsaustausch ist also nicht aufzuhalten – weder in der gesamten EU noch in der Schweiz?
Technisch ist er möglich, und ich fürchte, auch gesetzlich wird er bald kommen.

Das heisst: Als Geschäftsmodell ist das Bankgeheimnis tot.

Auf dem Bankgeheimnis allein kann man kein Geschäftsmodell aufbauen. Die Kunden wollen ihre Daten vertraulich behandelt wissen, es sollen nicht alle möglichen Ämter Zugang zu ihren sehr persönlichen Daten haben. Dieser übergreifende Gedanke wird Bestand haben. Hart erarbeitetes Kapital, das ja nur nach Steuern gebildet werden kann, ist eine besonders schützenswerte Privatangelegenheit.

Wie wichtig ist es, dass Sie und Ihre Partner persönlich haftende Gesellschafter sind?

Extrem wichtig. Unser Modell ist sehr alt, doch ungewöhnlich modern, denn wir haften persönlich für alle Fehler, die wir machen. Wir setzen unser eigenes Kapital ein. Wir sind nicht angestellte Manager. Wir treiben unsere Geschäfte nicht mit überzogenen Renditevorgaben. Wir gehen keine Risiken ein, die wir nicht überblicken können. Wir sind nicht dem Wahn verfallen, über kurzfristige Boni gigantische Spielcasinos zu betreiben.

Wie weit zahlt sich das in Krisenzeiten aus?

Wir haben auch in diesen Zeiten hohe Geldzuflüsse. Wir haben unseren Ruf in den vergangenen 219 Jahren erabeitet, und der entwickelt in Zeiten der Krise eine besondere Strahlkraft.

Was heisst das konkret in Zahlen?

Wir sind sehr zufrieden, über konkrete Zahlen sprechen wir nicht. Die Kunden grosser Banken trauen diesen nicht mehr, weil sie sehen, wie dort mit ihrem Kapital umgegangen wird.

Ihre Erträge gehen aber trotzdem zurück.

Wir verdienen natürlich weniger. Die Zuflüsse können wir derzeit nur in sicheren Häfen wie zum Beispiel bei der Bundesbank anlegen. Dem Kunden Zinsen zu zahlen und keine Marge bei der Wiederanlage zu haben, ist jedoch kein dauerhaftes Geschäftsmodell. Aber ich habe im Juli 2007 die einfache Regel ausgegeben: Liquidität vor Rentabilität. Das ist die Vorgabe für diese Zeiten, die wir strikt befolgen. Es kommen auch wieder andere Zeiten.

Reicht der Schutzschirm, den die Regierung gespannt hat, tatsächlich über alle Banken?

Der Schutzschirm muss nicht notwendigerweise einen Euro Steuergeld kosten. Die Massnahmen waren richtig und notwendig, um eine Kernschmelze an den Finanzmärkten zu verhindern. Wir hatten ein Liquiditätsrisiko, und deswegen mussten wir sofort helfen. Schwere und Tiefe der Verluste, die noch kommen können, sind allerdings noch gar nicht abzusehen. Das Lamento, man dürfe die Steuergelder nicht einsetzen, um die gierigen Grossbanker zu retten, ist falsch. Wir sind mitten in einer systemischen Krise, und der Staat musste eingreifen, um unsere Marktwirtschaft zu retten.

Die Krise bietet auch Kaufgelegenheiten. Sie sind etwa in der Schweiz mit verwalteten Vermögen von neun Milliarden Franken noch recht klein.

Natürlich prüfen wir permanent die Möglichkeiten, die sich uns bieten. Im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel ein Joint Venture mit der Dr.-Landert-Gruppe gegründet, um uns auch in der Schweiz in der Betreuung von Schweizer Familien zu engagieren. Im Moment wachsen wir aber auch aus eigener Kraft sehr erfreulich. So haben wir gerade eine neue Niederlassung in Lugano eröffnet. Am Ende des Tages ist das organische Wachstum noch immer das ertragreichste und kostengünstigste. Die Wachstumsvorstellungen im Private Banking sind übertrieben, wenn man Milliarden für Akquisitionen ausgeben muss.

Die grossen Schweizer Privatbanken setzen derzeit sehr stark auf Asien. Da sind Sie im Private Banking noch nicht gross.

Im Sommer des vergangenen Jahres haben wir ein Büro in Hongkong eröffnet, das erfolgreich Family-Office-Dienstleistungen anbietet. Aber wir wollen uns nicht verzetteln. Wir gehen hier lieber vorsichtig vor und folgen nicht nur dem Mainstream. Damit sind wir sehr gut gefahren.

Statt Asien also …

… in die Regionen. Wir stärken kontinuierlich unser Niederlassungsnetz in Deutschland und Europa. In Osteuropa haben wir in diesem Jahr neue Standorte in Warschau und Budapest eröffnet. Im ganzen Osten gibt es keine Privatbank in unserem Sinn, und wir wollen jetzt dort der Privatbankier vor Ort werden.

Schweizer Konkurrenten wie Vontobel oder Bär sind an der Börse kotiert. Könnten Sie sich einen Börsengang vorstellen?

Nein, niemals. Mir würde eher die Hand abfallen, als dass wir die Bank an die Börse brächten. Die Bank, die Familie und die Aktionäre sind nun mal langfristig orientiert und denken eher in Generationen als in Quartalen.

Das Modell einer börsenkotierten Privatbank ist also falsch?

Für uns wäre es der falsche Weg. So wie wir das Bankgeschäft betreiben, ist es die Urform des Bankgeschäfts. Es wurde von den Medicis in Italien entwickelt und hat sich bis heute gehalten. Es waren ja nur die Industrialisierung und der enorme Kapitalbedarf, die dazu führten, dass wir Privatbankiers uns die Konkurrenz der Geschäftsbanken selbst geschaffen haben. Den Grossteil unserer Erträge lassen die Aktionäre traditionell in der Bank und stärken damit unser Eigenkapital. Daher brauchen wir kein Kapital von der Börse.

Auch die neue Generation hat den Börsengang nie diskutiert.
Nie. Wir haben gerade einen neuen Gesellschaftsvertrag für über zwanzig Jahre abgeschlossen. Die Anteile können nicht beliehen, nicht verkauft, nicht verpfändet werden. Damit ist unsere Unabhängigkeit dauerhaft gesichert.

Der 59-Jährige Matthias Graf von Krockow ist seit zehn Jahren Sprecher der vier persönlich haftenden Gesellschafter der Sal. Oppenheim Gruppe. Diese bezeichnet sich mit 150 Milliarden Euro verwalteten Vermögen und mehr als 4000 Mitarbeitern als grösste unabhängige Privatbank Europas. Ihren Sitz hat sie im letzten Jahr von Köln nach Luxemburg verlegt. Von Krockow arbeitete nach dem Wirtschaftsstudium für Chase Manhattan in Köln und Citibank in New York, bevor er 1984 bei Sal. Oppenheim einstieg. Er ist verheiratet mit einer Nachfahrin des Bankgründers Salomon Oppenheim und hat vier Töchter. Die Bank zählt heute knapp 40 Gesellschafter aus vier Familienstämmen.