Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Als Wolfgang Joop zur Lancierung seiner Home-Collection gefragt wurde, wieso er nach Kleidern, Sonnenbrillen und Parfums nun auch Sofas, Bettwäsche und Vasen kreiere, antwortete er gewohnt unverblümt: «Mode und Möbel sagen am meisten über einen Menschen aus. Als ich zum Beispiel Götz Georges unsäglich hässliche Brille sah, wusste ich gleich, wie er wohnt.»

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Doch gerade über Joops gross angepriesene Verschönerungsaktion für die eigenen vier Wände rümpften die Puristen die Nase. Sein wilder Mix aus Leoparden-Prints auf geschwungener Chaiselonge, mit glitzernden Pailletten bestickten Kissen und Rokoko-Anleihen spaltete vor drei Jahren die Lager. Ein gestandener Interior-Designer meinte: «Joops Möbel sind so schwülstig penetrant wie seine Parfums.»

Blättert man aber durch die aktuellen Ausgaben von Fachzeitschriften wie «Elle Decoration» und «AD», macht es den Anschein, dass Wolfgang Joop mit seinen «Larger than Life»-Designs der Zeit voraus war. Tatsächlich wird der exzessive Stilmix als Design-Trend der Stunde gefeiert. «Retro meets Moderne» heisst die Devise. So veredelte beispielsweise Paul Smith in seiner ersten Home-Kollektion «Mondo» ein schlichtes zweiteiliges Sideboard, indem er einen Barocktisch aufdrucken liess. Das humorvolle Stück gibts von Cappellini.

Holztisch auf dem Laufsteg
Paul Smith, dessen stilvolle Modekreationen in mehr als 250 Paul-Smith-Shops weltweit verkauft werden, gefiel die Idee, seine Visionen auch auf den Wohnbereich zu erweitern. «Mich hat schon immer alles interessiert, was mit Inneneinrichtung zu tun hat», verriet Smith jüngst in der englischen Presse. «Das war schon so, als ich als Modemacher angefangen habe. Die meisten meiner Freunde sind irgendwie im Kreativbereich tätig und arbeiten als Architekten oder Produktdesigner. Ich mag es, dass Menschen Dinge erfinden und erschaffen, und das ist genau der Anspruch, den besonders Möbel-Designer haben.»

Auf den ersten Blick mag es kaum etwas geben, das unterschiedlicher ist als die schnelllebige Welt der Mode-Designer und die der Möbel-Designer, aber Paul Smith sieht durchaus Gemeinsamkeiten: «Mode-Design und Möbel-Design rücken immer enger zusammen – auf Grund Grenzen übergreifender Inspirationen.» So überraschte der englische Couturier Hussein Chalayan sein Publikum, als er ein Model mit einem Rock über den Laufsteg schickte, der sich als reifenartiger Holztisch entpuppte. Der italienische MöbelDesigner Piero Lissoni überzog jüngst die Cappellini-Sofalandschaft «Swimming Pool» mit den legendären Modestoffen von Emilio Pucci.

Armani mit vollem Programm
Im Oktober 2000 erhielt die Möbelwelt mit «Armani Casa» eine neue Dimension. Die Home-Collection orientiert sich an der Fashion-Philosophie des Italieners: «Was ist Design und doch anders? Was ist modern und lehnt sich doch an die Vergangenheit an und trägt dabei meine Handschrift?» Und so kommt die Möbel-kollektion wie der Armani-Anzug daher: Schlicht, edel und doch raffiniert. Der Erfinder des Mode-minimalismus entwirft mit «Armani Casa» ganz im Gegensatz zu seinen Landsgenossen von Etro, Fendi und Missoni nicht nur Deko-Objekte, Kissen, Bett- und Vorhangstoffe, sondern deckt den gesamten Wohnbereich ab. «Armani Casa» umfasst Sessel und Sofas, Tische und Stühle, Schränke und Kommoden, Lampen und Teppiche, Geschirr, Betten, Kissen, Decken, Überwürfe. Seit einem halben Jahr gibt es in Zürich einen eigenen «Armani Casa»-Shop. Neben der kompletten Wohnungseinrichtung findet man dort auch luxuriöse Accessoires – vom Bilderrahmen aus gespannter Ziegenhaut über dekorative Vasen aus Rochenhaut bis zum silbernen Teeservice mit Ebenholzgriffen. Stolzer Preis für die veredelte Tea-Time mit Armani: 13 000 Franken. Weder bei der Mode noch bei der «Armani Casa»-Linie geht es dem Meister darum, den neuesten Trends oder modischen Launen hinterherzujagen. Es geht um Stil. Und Stil widersteht der Zeit.

Ganz anders die «Home Signature» von Versace, der stets in verschwenderischer Farbenpracht schwelgte. Bereits 1993 enterte Versace als einer der ersten Modemacher die internationale Wohnwelt. Seinen Durchbruch feierte er mit dem typischen «Versace-Stil», bei dem der Modeschöpfer Geschirr mit griechischen, mythologisch angehauchten Kompositionen bedruckte. Schon bald darauf folgten silberne Bilderrahmen, Bettwäsche aus Seide und Barocksessel mit goldroten Samtornamenten bespannt. Viel Prunk, der heute seltsam antiquiert wirkt.

Sparsam aber exklusiv
Auch Calvin Klein und Donna Karan kreieren Möbel nach dem Vorbild ihrer Mode, jedoch mit zeitloser Strenge. «If you feel good, you look good» lautet der Leitsatz von Donna Karan, der sich ebenso gut auf die heimischen vier Wände übertragen liesse – anders gesagt: «Wenn du dich in deiner Wohnung mit schönen Dingen umgibst, bist du gut drauf.» Wie ihre Mode ist auch ihr Home-Design organisiert, anwenderfreundlich, lässig und anspruchsvoll. Ebenso wie die minimalistischen Sideboards und Sofas von Calvin Klein werden die Karan-Möbel bisher nur im amerikanischen Fachhandel angeboten.

Ob verschnörkelt und prunkvoll wie bei Versace, ob minimal und luxuriös wie bei Armani, ob verspielt und farbenfroh wie bei Paul Smith, so unterschiedlich ihre persönliche Handschrift auch sein mag, setzen sie alle doch auf den gleichen Wohntrend: Sich sparsam, dafür exklusiver einzurichten.

Doch woher kommt der Drang, auch den vier Wänden seiner Modekunden seinen Stil aufzudrücken? Vielleicht liegt es am Wunsch, einmal etwas zu schaffen, das länger als ein halbes Jahr Bestand haben kann. Auch Wolfgang Joop glaubt an den Unvergänglichkeitsmythos von Bett, Stuhl und Tisch: «Wer will sich denn heute nur um Kleider kümmern? Eine grauenhafte Vorstellung – ein Leben, das nur nach Mottenkugeln riecht.»

Beat Krenger ist freier Journalist in Zürich.