Die Botschaft des jüngsten Beige Book der US-Notenbank ist eindeutig: Dort, wo die Wirtschaftstätigkeit zurückgeht oder sich verlangsamt, ist dies meist auf steigende Covid-19-Fallzahlen, Störungen in den Lieferketten oder auf Arbeitskräftemangel zurückzuführen und nicht auf eine nachlassende Nachfrage.

Die Unternehmen ihrerseits sind bezüglich der kurzfristigen Aussichten weiterhin optimistisch gestimmt. Die US-amerikanische National Retail Federation, der grösste Einzelhandelsverband der Welt, hat sich dieser Aussage angeschlossen und festgestellt, die Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität sei grösstenteils auf negative Basiseffekte sowie Hafenschliessungen oder andere Unterbrechungen der Lieferketten und nicht auf eine Verlangsamung der Nachfrage zurückzuführen.

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Das gleiche Bild zeigt der gleitende Drei-Wochen-Durchschnitt der Kreditkartenzahlungen der Bank of America: Er liegt 12,8 Prozent über dem Wert für 2020 und 16,2 Prozent über dem Wert für 2019, was für eine anhaltende Konsumfreude spricht.    

Container-Verschiffung so teuer wie noch nie    

Auf der anderen Seite überraschten die August-Exportdaten von China und Taiwan trotz Delta-Variante und Hafenschliessungen positiv. Chinas Exporte lagen mit plus 25,6 Prozent im Jahresvergleich über den Erwartungen von 17,3 Prozent, während Taiwan die Prognosen im selben Zeitraum mit plus 26,5 Prozent um 3,5 Prozentpunkte übertraf.
 

Über die Autorin

Geraldine Sundstrom ist Head of Asset Allocation EMEA bei Pimco. Geraldine Sundstrom ist Managing Director und Portfoliomanagerin in der Niederlassung London mit Schwerpunkt auf Strategien der Asset-Allokation. Bevor sie 2015 zu Pimco kam, war sie Partner und Portfoliomanagerin bei Brevan Howard, wo sie den Emerging Markets Strategies Fund leitete.

Zuvor arbeitete sie als Portfoliomanagerin bei Moore Capital Management. Zu Beginn ihrer Karriere hatte Geraldine Sundstrom leitende Positionen im Research bei Citigroup Global Investments und Pareto Partners inne. Sie verfügt über 24 Jahre Erfahrung im Anlagegeschäft und hält einen Master-Abschluss in Finanzwirtschaft des Birkbeck College an der London University sowie zwei Abschlüsse der Université Paris-Dauphine.

Wirklich überraschend ist es daher nicht, dass der World composite index for shipping costs of containers, der die Entwicklung der Kosten der Container-Verschiffung abbildet, auf Wochenbasis um 1 Prozent gestiegen ist und mit Überschreitung der 10’000-Dollar-Marke einen neuen Höchststand markierte. 

Darüber hinaus haben wir in dieser Woche über unsere Satellitenüberwachung der Hafenüberlastung festgestellt, dass der Hafen von Los Angeles ein noch nie dagewesenes Ausmass an Überlastung und Rückstau erreicht hat. Erschwerend kommt hinzu, dass das Klima in Südostasien weiterhin für Chaos sorgt: Der Taifun Chanthu (Kategorie fünf und damit der stärkste des laufenden Jahres) stört den Hafenbetrieb in Taiwan und China, während Vietnam von gleich zwei tropischen Stürmen heimgesucht wurde.    

Grosse Infrastrukturprogramme stehen erst noch bevor    

Es wird noch eine Weile dauern, bis das System die ständigen Störungen durch Covid-19 und Wetterschwankungen überwunden hat. Aber es gibt noch mehr positive Impulse: Viele der grossen staatlich geförderten Infrastrukturprojekte sind noch nicht einmal in der Umsetzung begriffen. Die Realisierung dieser Projekte hängt zudem in hohem Masse von langen Handelswegen, vor allem von Asien nach Europa oder in die USA, sowie von der Verfügbarkeit sehr vieler Arbeitskräfte ab. Zudem ist in den USA noch nicht über den Bipartisan Infrastructure Deal abgestimmt worden. Er wird für Ende September erwartet und könnte im Rahmen des zweiten Infrastrukturpakets noch aufgestockt werden.    

Auch in Europa werden sich die Dinge in den kommenden Quartalen radikal beschleunigen. Zwar haben die Mitgliedstaaten inzwischen 73 Prozent der 750 Milliarden Euro aus dem EU-Konjunkturprogramm beantragt und 61 Prozent wurden von der EU-Kommission genehmigt, doch nur 13 Prozent wurden bis Ende August tatsächlich ausgezahlt. Der Grossteil dieser Mittel, nämlich mindestens 57 Prozent, muss in die Bereiche Klima und Digitales fliessen. Daher ist die grüne Mobilität de facto der grösste Gewinner.    

2,5 Billionen Dollar fürs Klima    

Mit dem Abflauen des Wiedereröffnungsbooms werden wahrscheinlich andere Faktoren die Nachfrage stützen, etwa der Wiederaufbau von Lagerbeständen, wieder steigende Investitionsausgaben von Unternehmen, die sich grösstenteils im Krisenmanagementmodus befanden. Ebenfalls erwarten uns grosse Infrastrukturprojekte in Europa, den USA, China und anschliessend auch in Japan, da der Wahlkampf voller fiskalischer Versprechen ist.

Mit Blick auf die Zukunft schätzt die Internationale Energieagentur, dass das Erreichen der Netto-null-Emissionsziele weltweit zusätzliche Investitionen in Höhe von 2,5 Billionen Dollar pro Jahr erfordern wird. Dies entspricht einer Verdoppelung der Bruttokapitalbildung und wird damit erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des weltweiten BIP in den kommenden Jahren haben.    

Starker konjunktureller Rückenwind wird anhalten    

Dieser Nachfrageschub wird noch einige Zeit anhalten und wir sind der Meinung, dass die Drosselung der Käufe von Vermögenswerten durch die Zentralbanken nicht ausreichen wird, um diesen starken konjunkturellen Rückenwind zu brechen.

Es wird Störungen, Engpässe und Sand im Getriebe geben, aber der vor uns liegende Zyklus wird noch lange dauern und wahrscheinlich weiterhin von den Zentralbanken gestützt. Dies nicht zuletzt, weil die Welt nach dem Pandemienotstand vor einem Klimanotstand steht.    

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