«Grün» ist angesagt: Nicht nur im Laden greifen Kunden verstärkt zu Produkten, die umweltschonend und unter humanen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden. Auch bei der Auswahl von Aktien oder Fonds spielen diese Faktoren eine immer grössere Rolle. Eine Richtschnur hierfür sollen «grüne» Ratings liefern, die ökologische und soziale Faktoren bewerten. Die Noten der verschiedenen Agenturen dafür weichen aber teils deutlich voneinander ab.

«Uns fehlt eine einheitliche Sprache», sagt Asha Mehta, Leitern des Bereichs verantwortungsvolles Investment beim Vermögensberater Acadian. Dabei wächst der Markt für so genannte ESG-Anlagen (Environment Social Governance) rasant. Schätzungen des Forum for Sustainable and Responsible Investment zufolge berücksichtigen Fondsmanager bei der Entscheidung für Wertpapiere im Volumen mehr als acht Billionen Dollar derzeit zumindest teilweise ökologische oder soziale Faktoren. Das ist fast fünf Mal so viel wie 2012.

Einer Untersuchung des Analysehauses CSRHub zufolge stimmen die grünen Ratings der beiden führenden Anbieter - Systainalytics und eine Tochter des Index-Anbieters MSCI - aber nur zu einem Drittel überein. Bei klassischen Bonitätsratings kämen Agenturen wie Standard & Poor's (S&P) und Moody's dagegen fast immer zum gleichen Ergebnis. Die Kreditwürdigkeit lässt sich anhand von Zahlen und Fakten einfacher bestimmen. Projekte im Umwelt- oder Arbeitsschutz lassen sich viel schwerer fassen und bieten immer Raum für Interpretationen.

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Grünes Gütesiegel für Tesla - oder auch nicht

Beispiel Tesla: Der Elektroauto-Pionier erhielt von MSCI die Bestnote «AAA». Bei Sustainalytics rangiert das Unternehmen dagegen im Mittelfeld hinter Konkurrenten wie Ford oder General Motors (GM). Ein Grund hierfür sei, dass Tesla keine Daten zu den CO2-Emissionen seiner Fabriken veröffentliche, sagte Simon MacMahon, Chef-ESG-Analyst des Research-Hauses. Darum erreiche das Unternehmen nur 55 von 100 möglichen Punkten.

Bei MSCI erhält Tesla beim Thema CO2-Emissionen zwar ebenfalls nur 5,3 von zehn möglichen Punkten. Auf die Gesamtnote wirke sich das aber nicht aus, weil andere Faktoren wie die Emissionsfreiheit der Fahrzeuge höher gewichtet würden, sagt Linda-Eling Lee, Leiterin der ESG-Analyse bei MSCI.

Grünes Investment auf dem Vormarsch

Investoren bereite dies Kopfzerbrechen, betont Robert Fernandez, Chef des ESG-Research beim Anlageberater Breckinridge. Einige Firmen nutzten die Bewertungsunterschiede und stellten einfach die positivere Note heraus.

Fondsanbietern wie BlackRock sind die Schwächen «grüner» Ratings durchaus bewusst. So nennt der weltgrösste Vermögensverwalter im Prospekt für seinen börsennotierten Fonds (ETF) iShares MSCI KLD 400 Social als mögliches Risiko, dass die Auswahl der aufgenommenen Unternehmen nicht nach den richtigen ESG-Charakteristika erfolge.

Lynn Blake, leitende Anlegerin beim BlackRock-Konkurrenten State Street, warnt aber davor, die Abweichungen überzubewerten. Aus ihrer Sicht seien die grünen Ratings «gut genug». «Vor allem für Index-Fonds mit einem breit gefächerten Anlage-Universum.» Ähnlich urteilt MSCI-Experten Lee. «Man kann allem eine Gewichtung von drei Prozent geben. Unter dem Strich gleicht sich alles aus.»

Standardisierung geplant

Dennoch gibt es Initiativen für eine Vereinheitlichung der Bewertungskriterien. In der Europäischen Union müssen Firmen ab dem kommenden Jahr über ihre Umweltschutz-Bemühungen oder soziale Projekte informieren. In den USA unterwerfen sich Unternehmen wie die Fluggesellschaft JetBlue bei ihren Geschäftsberichten freiwillig den Richtlinien des Sustainability Accounting Standards Board, einer unabhängigen Organisation.

Schliesslich könnten sich «grüne» Ratings für Anleger in Heller und Pfennig auszahlen, betont Seb Beloe, Chef der Nachhaltigkeits-Analyse beim Vermögensverwalter WHEB. Schliesslich habe Sustainalytics Monate vor Bekanntwerden des Volkswagen-Abgasskandals im September 2015 auf Probleme in der Unternehmensführung beim Autobauer hingewiesen.

(reuters/ccr)

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