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Der Start zum ersten grossen Private-Banking-Rating der BILANZ erfolgte am 11.  November 2008. Auch wenn dies der Tag ist, an dem für viele die Fasnachtszeit beginnt, handelte es sich beim Brief, der an jenem Dienstag an 18 Schweizer Banken verschickt wurde, keineswegs um einen Narrenstreich. Weil die UBS Kundendaten an die USA herausgeben muss, können sich die Banken definitiv nicht mehr hinter dem Kundengeheimnis verschanzen und müssen durch Leistung überzeugen. Überdies haben Bankkunden in den letzten Wochen ihre Depotauszüge erhalten und dabei zumeist eine böse Überraschung erlebt. Nach den horrenden Verlusten sind viele auf der Suche nach einer neuen Lösung zur Verwaltung ihres Vermögens.

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BILANZ hat sich deshalb für die Leserinnen und Leser auf die Suche gemacht. Die Vorgehensweise dabei war realitätsnah – mittels einer Anfrage, wie sie täglich auf dem Schreibtisch der Kundenberater in den Private-Banking-Abteilungen landet. Die Banken wurden von Steuerexperte Wolfgang Maute, Inhaber der First.advisory.ag in Kreuzlingen, gebeten, für eine Mandantin ein Angebot zur Verwaltung ihres stattlichen Vermögens zu unterbreiten. Was die Banken nicht wissen konnten: BILANZ hat die Vorschläge anschliessend einer rigorosen Analyse unterzogen. Eine hochkarätige Jury, unter der Leitung von Professor Thorsten Hens sowie mit dem ehemaligen Preisüberwacher Rudolf Strahm, hat die sechs besten Vorschläge ausgezeichnet. Die Auswahl der 18 Banken oblag ebenfalls der Jury.

Besonders interessant war bei diesem Test zu erfahren, ob und wie weit die vor nunmehr zwei Jahren ausgebrochene Finanzkrise Auswirkungen auf das Privatkundengeschäft der Banken und auf den Umgang mit neuen Kunden hat. Spannend war zudem zu sehen, welche Bedeutung der steuerrechtlichen Situation beigemessen wird: Die Klientin, wir nennen sie Susanne Feldmann, stammt nämlich aus Norddeutschland; die smarte Mittvierzigerin liess sich nach dem Verkauf ihres Unternehmens 2001 im beschaulichen Appenzellerland nieder. Und schliesslich interessierte ein Vergleich mit Deutschland. Dort hat die Zeitschrift «Euro», die wie BILANZ zum Verlagshaus Axel Springer gehört, im Frühsommer 2008, also rund ein halbes Jahr vor dem grossen Kurssturz an den Finanzmärkten im vergangenen September, das Rating nach dem gleichen Konzept durchgeführt.

RIESIGE DISKREPANZEN. Überraschend ist für die Jury, wie unterschiedlich die einzelnen Vorschläge ausgefallen sind. Schon beim Anlagevolumen gab es erhebliche Abweichungen. Im Brief an die Banken war die Rede von zwei Millionen Euro, die es möglichst ohne Verlustrisiko anzulegen gelte. Diese Grössenordnung wurde deshalb gewählt, weil damit die Voraussetzung für eine individuelle Beratung gegeben war und nicht, wie bei Mandaten unter einer Million üblich, bloss eine standardisierte Produktlösung offeriert werden konnte. Ausserdem standen zwei Depots zu 930  000 Euro und 640  000 Franken sowie 1,5 Millionen Euro aus dem Verkauf einer Firmenbeteiligung für die Mandatserweiterung in Aussicht.

Die meisten Banken gingen zwar korrekt von den zwei Millionen aus, andere jedoch von den künftigen Beträgen oder gar schon vom gesamten Vermögen. Nur wenige Berater nahmen sich die Mühe, den genauen Betrag, der obendrein bei einem Depot offensichtlich falsch zusammengezählt war, nachzufragen. Für die Klärung hätte ein Telefonanruf oder eine Anfrage per Mail genügt. Ein persönliches Gespräch, wie die Banken ins Feld führen, hätte es dazu noch nicht gebraucht. Oft ist es ohnehin so, dass vermögende Neukunden erst in der Schlussphase persönlich in Erscheinung treten und die Kleinarbeit wie im vorliegenden Fall einem persönlichen Berater überlassen. «Kompetenz misst sich nicht an einem netten Essen», bringt es die Testkundin auf den Punkt. Ob es also überhaupt zu einem persönlichen Gespräch kommt, entscheidet die künftige Kundin anhand der ersten schriftlichen Angebote.

Dessen waren sich die Berater offensichtlich nicht bewusst. So fragte auch keiner nach, ob Konkurrenzofferten eingeholt worden seien. Die Frage nach der steuerrechtlichen Situation blieb bis auf wenige Ausnahmen, etwa die Berner Kantonalbank, ebenfalls aus. Viele nahmen an, dass diese Frage von Wolfgang Maute geklärt worden sei, erfuhren sie doch bei ihren Internetrecherchen, dass er ein ausgewiesener Steuerexperte ist. Nach solchen Recherchen wiegten sich die Bankberater vollends in Sicherheit, dass die Anfrage nicht gespielt war. Sie waren völlig ahnungslos, dass ihr Vorschlag Teil des wohl umfassendsten Ratings zum Private Banking würde, das in der Schweiz je stattgefunden hat. Eine renommierte Genfer Privatbank fand diese Auswertung gar unfair, weil sie nicht im Voraus angekündigt und mit der Kommunikationsabteilung der Bank abgesprochen worden sei.

WENIG SPIELRAUM. Mit dem Rating sollte aber ein möglichst realistisches Bild des Private Banking in der Schweiz entstehen, vom ersten Kundenkontakt bis zum schriftlichen Angebot mit Anlagevorschlag. Deshalb wurden die gesammelten Daten an das renommierte Institut für Vermögensaufbau (IVA) in München geschickt. Das IVA hat bereits in Deutschland für «Euro» die Bewertung nach den gleichen Kriterien durchgeführt, womit die Ergebnisse in beiden Ländern vergleichbar sind. Diese objektive Bewertung minimiert den Einfluss einer zufälligen Tagesform des Beraters. So wird dem Trend entsprochen, im Privatkundengeschäft mit standardisierten Prozessen die Schwankungsbreite der Beratungsqualität zu mindern. Die Anlagevorschläge werden nur noch selten durch den Berater individuell gestaltet, sondern durch das Asset Management oder das Portfolio Management auf Basis der vom Berater gelieferten Kundeninformationen zusammengestellt.

FEHLENDES ENGAGEMENT. Dazu muss der Berater aber erst einmal die Lebensumstände der Kundin kennen, ihre Risikobereitschaft klären und wissen, welche Rendite die Kundin erwartet. Da die beiden ersten Punkte im Brief dargelegt wurden, hätte fürs Erste eine einfache Nachfrage nach der Ertragserwartung genügt. Die wenigen Berater, welche diese Erkundigung einholten, erfuhren dadurch, dass für die gewünschte Rendite ein weit höheres Risiko eingegangen werden müsste, als die Kundin bereit war zu tragen. Gesamtsieger Markus Lang von der Bank Julius Bär und Thomas von Arx von der Luzerner Kantonalbank, Sieger in der Kategorie «Universalbanken regional», haben auf diese Diskrepanz hingewiesen und sogar zwei Vorschläge eingereicht, einen, welcher der Risikobereitschaft entspricht, und einen, der die Renditeerwartung wiedergibt.

Doch bei den meisten blieben genau solche Nachfragen ebenso aus wie eine kurze Präsentation der Bank, obwohl durch die Bankenkrise die Bedeutung der Erklärung gestiegen ist, wieso einer bestimmten Bank ein Vermögen zur Verwaltung anvertraut werden soll. Der renommierte Vermögensverwalter Kurt Haug vermisst denn auch das Engagement für die neue Kundin. «Mir wurde in keinem Vorschlag gezeigt, wieso ich gerade dieser Bank mein Geld anvertrauen sollte», lautet der Kommentar von Haug, der als Mitglied des Schweizerischen Vermögensverwaltungsverbandes in der Jury mitwirkte. Die meisten Berater legten, wenn überhaupt, eine nichtssagende Imagebroschüre bei. Nur wenige stellten wie der junge Adrian Höninger von der Migros Bank, Sieger in der Kategorie «Universalbanken national», sich und die Bank kurz vor. «In der Schweiz setzen die Banken noch immer sehr auf Vertrauen, während in Deutschland alles dokumentiert und nachweisbar sein muss», stellte Susanne Feldmann fest. Allerdings müsse dieses Vertrauen durch die Leistung erarbeitet und nachhaltig gefestigt werden. Und diese Tugenden hat sie bei einigen Adressen vermisst.

Enttäuschend ist das Abschneiden von UBS und Credit Suisse. Die Jury hat wegen des Qualitätsgefälles darauf verzichtet, ausser der Migros Bank in dieser Kategorie einen weiteren Preisträger zu benennen, und stattdessen in der Kategorie «Universalbanken regional» neben der Berner Kantonalbank auch die Bank Linth mit einem zweiten Platz beehrt.

Als ob es nie eine Krise gegeben hätte, blieb es bei den beiden Grossbanken beim reinen Anlagevorschlag ohne Zusatzinformationen, wieso gerade sie trotz den negativen Schlagzeilen eine gute Wahl wären. Dafür legte der UBS-Berater eine seitenlange, teilweise fachtechnische Risikoaufklärungsbroschüre bei. Beide Banken schlugen zu über 20 Prozent alternative Anlagen wie Hedge Funds vor und kaum Direktanlagen. «Eine Sauerei, angesichts des Risikoprofils der Kundin», lautete Rudolf Strahms Kommentar bei der Jurierung.

Die Banken schreiben dazu, die Hedge Funds würden im persönlichen Gespräch erläutert. Und Fonds würden gegenüber Direktanlagen bevorzugt, um eine geringe Wertschwankung und eine ausreichende Diversifikation zu erreichen. Wohl auch wegen der Gebühreneinnahmen. «Je geringer der Anteil Direktanlagen ist, umso höher sind die verdeckten Kosten», erklärt Andreas Beck, Leiter des IVA aus München. Unverhohlen hat Credit Suisse bei der Präsentation ihres Jahresergebnisses denn auch das Ziel gesetzt, die Marge in der Vermögensverwaltung von 32 auf 40 Prozent zu steigern. Nebst hauseigenen Produkten liefern auch solche von Drittanbietern einen willkommenen Gebührenbeitrag. Schliesslich erhalten die Banken dafür eine Vergütung, die Retrozession.

Obwohl diese den Kunden auch in der Schweiz durch alle Gerichtsinstanzen zugesprochen wird und zumindest offengelegt werden muss, haben sich die Banken dazu nur auf ausdrückliche Nachfrage geäussert. Die Credit Suisse schreibt: «Die Bank ist weder ablieferungs- noch rechenschaftspflichtig.» Einige Banken haben die Nachfrage von Treuhänder Maute dahingehend verstanden, dass er eine Vergütung für die Vermittlung der neuen Kundin wünscht. «Dies würde individuell festgelegt», schreibt eine Bank dazu. «Eine Unsitte», moniert Alt-Nationalrat Strahm, «welcher der Gesetzgeber endlich einen Riegel vorschieben muss.»

Ähnlich wie in Deutschland, wo solche Vergütungen gar zu Schadensersatzansprüchen führen können. Überhaupt sind die Kunden in Deutschland offensichtlich wesentlich kostenbewusster. So betrugen die Gebührenpauschalen dort 0,81 Prozent gegenüber 1,1 Prozent in der Schweiz, ein Unterschied von rund 30 Prozent. Mit dem brüchig gewordenen Bankkundengeheimnis wird sich dieses Preisgefälle gegenüber dem Ausland nicht mehr aufrechterhalten lassen. Jurypräsident Thorsten Hens hätte deshalb erwartet, dass dafür die Beratungsqualität in der Schweiz entsprechend höher sei. «Doch leider ist dem nicht so», lautet das Fazit vom Direktor des Bankinstituts an der Universität Zürich.

UNPOPULÄRE ZERTIFIKATE. Noch ein weiterer wesentlicher Unterschied fällt beim Ländervergleich auf. Bei den Vorschlägen in Deutschland wurden im Frühsommer 2008 noch bis zu 23 Prozent des Vermögens in strukturierte Produkte wie Bonuszertifikate investiert. In der Schweiz sind diese Produkte wohl unter dem Eindruck der Verluste von Lehman-Brothers-Kunden aus den Portfoliovorschlägen praktisch verschwunden. Leider ebenfalls nur spärlich zu finden sind die kostengünstigen ETF, börsenkotierte Indexfonds. Im Vorschlag des UBS-Beraters etwa, der als Einziger 100 Prozent des Depots in hauseigene Fonds und Zertifikate investieren würde, findet sich kein solcher Indexfonds.

HOHE RENDITE, TIEFES RISIKO. Nicht viel besser sieht es diesbezüglich in Deutschland aus. Der ETF-Anteil war im Vergleich von «Euro» ungefähr gleich gross. Identisch war in beiden Tests auch die Kundenerwartung. «Die meisten Kunden wollen mehr Rendite, als sie im Gegenzug bereit sind, Risiken einzugehen», stellt ein Banker im nördlichen Nachbarland immer wieder fest. Im Gegensatz zur Schweiz wird dort aber der Risikoaufklärung ein viel höherer Stellenwert beigemessen. Die Banken sind durch die gesetzlichen Vorgaben der EU gemäss den Mifid-Richtlinien dazu verpflichtet. Bei einigen Angeboten in der Schweiz fehlten nur schon minimale Risikoinformationen wie etwa die Bonität der Obligationen, welche in den Anlagevorschlägen eingesetzt wurden. Thomas Moravek von der Bank Wegelin zeigte hingegen plausibel Renditeentwicklungen und -schwankungen der vorgeschlagenen Strategie auf und erhielt deshalb von der Jury in der Kategorie «Privatbanken» den zweiten Platz zugesprochen.

In praktisch allen Vorschlägen wurden allgemeine Angaben zur Einschätzung der Wirtschaftslage und der Finanzmärkte vermisst. Damit fehlt nach Ansicht des Stanser Finanzplaners René Weibel, ebenfalls Mitglied der Jury, eine wesentliche Information, damit die Vermögensaufteilung, also die Asset Allocation, erklärt werden kann und taktische Gewichtungen zum Beispiel von Aktien, Obligationen und Rohstoffen begründbar sind. Nicht der konkrete Anlagevorschlag sei für die Kundenzufriedenheit und den Anlageerfolg ausschlaggebend, ist sich die Jury einig. Denn dieser zeige bloss eine aktuelle Umsetzungsmöglichkeit. Viel wichtiger sei, dass der Berater sich und die Bank vorstelle, eine Markteinschätzung mache, die Kunden, ihre Bedürfnisse und Erwartungen erfasse. Erst dann könne eine Strategie mit der Vermögensaufteilung vorgeschlagen werden, bei der auch die Kosten, Renditeentwicklungen und -schwankungen in der Vergangenheit und in Krisensituationen transparent aufgezeigt würden, bevor überhaupt von einzelnen Aktien oder Obligationen die Rede sein könne. Für Rudolf Strahm liegt der wichtigste Nutzen eines solchen Ratings darin, das Verhalten der Banken in diese Richtung zu beeinflussen.