Hans W. ist der Trainingsstart im Badminton nach der Sommerpause gründlich misslungen: Schon im ersten Spiel verletzte er sich. Die Rückenschmerzen entpuppten sich als Bandscheibenvorfall. Dessen finanzielle Auswirkungen brachten ihn alsbald ins Grübeln, gilt doch eine solche Verletzung nicht als Unfall, sondern als Krankheit. Wie hoch wäre sein Einkommen noch bei einer Invalidität? Würde die Firma den Lohn fortzahlen? Und was wäre im Todesfall: Müsste seine Frau das Haus verkaufen, könnten die kleinen Kinder ihre Ausbildung beenden? Und was wären die Folgen, würde seiner Frau etwas zustossen, mit der er seit drei Jahren unverheiratet zusammenlebt?

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Antworten, die er auf diese Fragen in Ratgeberbüchern fand, konnten Hans W. nur teilweise befriedigen. Am Schluss wusste er noch immer nicht, ob er nun für diese Fälle ausreichend und richtig versichert sei. Zu Recht stelle W. diese Überlegungen an, findet Angela Winkelmann, Leiterin des Marktbereichs private Vorsorge bei der Versicherung Helvetia Schweiz. «Vor allem jüngere Erwerbstätige haben bei Erwerbsunfähigkeit durch Krankheit oft eine Versicherungslücke.»

Dies, obwohl die Prämienbelastung der Schweizer Haushalte von 2000 bis 2007 deutlich gestiegen ist, wie das Bundesamt für Statistik für BILANZ errechnet hat. Der Anteil der gesamten Versicherungsausgaben am Bruttoeinkommen hat in diesem Zeitraum von 18 auf 22 Prozent zugenommen (siehe Grafik im Anhang).

Dennoch weist das bestehende System Lücken auf und ist vor allem auf die traditionelle Familie ausgerichtet, obwohl der Anteil der Eineltern- oder gemischten Familien laufend steigt. Vor allem jüngere, weniger als fünf Jahre oder gar nicht verheiratete Partner riskieren noch immer, weder von AHV, Unfallversicherung noch aus der PK des verstorbenen Lebensgefährten eine Rente zu kriegen.

Wer sich deshalb wie Hans W. Sorgen um seinen Versicherungsschutz macht, sollte nun über die Bücher. Denn bei den meisten Policen besteht eine Kündigungsfrist von drei Monaten, oft per Ende Jahr. Die Kündigung sollte aber erst abgeschickt werden, wenn die geeignete neue Versicherung abgeschlossen ist. Also gilt es jetzt, den Bedarf zu analysieren und Produkte zu vergleichen.

Ein Vergleich ist wegen der kaum überblickbaren Produktvielfalt schwierig. Auch deshalb, weil sich die Angebote von Krankenkassen und Lebensversicherern in vielen Bereichen überschneiden und zunehmend Produkte gegenseitig verkauft werden.

Dieser Trend dürfte sich durch den zunehmenden Ertragsdruck bei den Krankenkassen noch verstärken, sagt Thomas Brotzer, Versicherungsexperte bei der Beratungsfirma Ernst & Young. Zudem besteht seitens der Lebensversicherer grosses Interesse, über zusätzliche Vertriebskanäle und Kooperationen insbesondere Risikoprodukte mit vergleichsweise hohen Margen zu vertreiben. Solche Produkte sind weniger von den schwankenden Renditen an den Märkten abhängig.

Die Geschäftsmodelle der beiden Versicherungszweige weisen aber wesentliche Unterschiede auf, gibt Thomas Bahc, Leiter Vertrieb Privatkunden Schweiz bei Swiss Life, zu bedenken (siehe Interview unter 'Weitere Artikel'). Einer Kombination von Produkten sind deshalb Grenzen gesetzt.Während die Produkte von Krankenkassen in der Regel nur bei Unfall die Auszahlung von Kapital vorsähen, schlössen Lebensversicherungen auch Krankheiten ein und zahlten Renten aus, erklärt dazu Manuel Martin vom Internetvergleichsdienst Sparziel.ch. Rob Hartmans von der Krankenkasse Helsana ergänzt, die Kapitalleistungen seien in der Regel tiefer, was günstigere Prämien und somit eine kleinere Hürde zum Abschluss der Versicherung zur Folge habe.

Worauf man bei der Wahl der Versicherung sonst noch achten sollte, wird anhand der folgenden fünf Risikobereiche gezeigt.

Todesfall. Die Todesfallversicherung ist die einfachste und bekannteste Form der Personenversicherung. Hans W. versichert ein bestimmtes Kapital, das bei seinem Tod an die Hinterbliebenen ausbezahlt wird. Mit dem Kapital können diese etwa eine Hypothek abzahlen. So bleibt der Lebensstandard trotz dem geringeren Einkommen aus den Rentenzahlungen erhalten. W. kann dabei seine Partnerin begünstigen. Das Kapital ist dann von der Erbteilung ausgenommen, muss aber wie bei Kapitalzahlungen aus der gebundenen Vorsorge als gesondertes Einkommen zum reduzierten Tarif versteuert werden. Immerhin kann die Prämie im Rahmen der Säule 3a abgeschlossen und so vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden, sofern der maximale Jahresabzug von derzeit 6566 Franken bei Angestellten nicht überschritten wird.

Die Prämien sind in den letzten Jahren stark unter Druck geraten. Nachdem Generali lange am günstigsten gewesen ist, würde der 40-jährige Hans W. nun für eine Laufzeit von zehn Jahren bei Swiss Life am wenigsten bezahlen (siehe Prämienvergleich im Anhang). Grund für den Prämienrückgang sind die sinkenden Kosten. Die Versicherungen laufen in der Regel bis zum AHV-Alter. Da jedoch die meisten Leute inzwischen über 65 Jahre alt werden, müssen immer weniger Leistungen erbracht werden.

Da für den Abschluss eine Gesundheitserklärung nötig ist, sollte W. aber nicht bloss eine Laufzeit von zehn Jahren wählen, sondern möglichst bis zum Ende des Bedarfs, also bis 65. Schon jetzt würde die Versicherung für den Bandscheibenvorfall wahrscheinlich einen Vorbehalt anbringen.

Bei den Krankenkassen muss darauf geachtet werden, dass die Leistung auch bei Krankheit und nicht nur bei Unfall erfolgt. Zudem sind die Prämien in der Regel teurer, ihre Höhe ist nicht gewährleistet und auch nicht durch Überschusszuweisungen vergünstigt.

Erwerbsausfall. Falls Hans W. invalid würde, müsste er von der IV und der Pensionskasse mindestens 80 Prozent seines bisherigen Einkommens erhalten, damit die Familie den gewohnten Lebensstandard weiterführen kann. Nach Gesetz sind jedoch nur 60 Prozent vorgesehen. Vor allem bei Krankheit drohen deshalb unter Umständen massive finanzielle Einbussen, während dieses Risiko bei Unfall dank der zusätzlichen Rente aus der Unfallversicherung gering ist. Allerdings werden in der Schweiz zwölfmal mehr Menschen durch Krankheit invalid als durch Unfall. Da viele Pensionskassen die Rente zudem nach dem angesparten Guthaben und nicht nach dem aktuellen Lohn berechnen, sollten vor allem junge Erwerbstätige mit einer entsprechenden Versicherung vorsorgen.

Bei den Produkten der Krankenkassen wird meist ein Kapital ausbezahlt, während die Lebensversicherungen eine Rente ausrichten. Die Krankenkassen bieten zwar kurze Wartefristen bis zur Auszahlung, doch sind die Prämien deutlich teurer, vor allem wenn die Leistung nicht nur bei Unfall, sondern auch bei Krankheit ausgerichtet werden soll. Sowohl bei Lebensversicherungen wie auch bei Krankenkassen sind Schadenversicherungen zu meiden. Im Vergleich mit den Summenversicherungen sind sie zwar günstiger, kürzen aber die Leistung, wenn andere Versicherungen ebenfalls zahlen.

Die Prämien sinken auch in diesem Segment, stärker sogar als bei den Todesfallversicherungen. Dies, weil die Invalidenversicherung ab 2006 bei ihren Rentenentscheiden deutlich restriktiver geworden sei, wie Rudolf Schnider, Leiter Produktentwicklung Einzelleben bei der Mobiliar, feststellt. Der Anteil Neurentner an der Gesamtbevölkerung ist dadurch seit 2003 von 0,6 auf 0,32 Prozent geschrumpft.

Taggeldversicherung. Hans W. hat Glück im Unglück. Sein Arbeitgeber zahlt den Lohn bei Krankheit während 720 Tagen voll weiter. Und dann würden bei Invalidität die Rentenzahlungen beginnen. Bei vielen Firmen gibt es nur in den ersten fünf Monaten den vollen Lohn, selbst wenn jemand schon 20 Jahre im selben Betrieb arbeitet. Im ersten Jahr endet die Lohnzahlung sogar schon nach drei Wochen. Dann setzt die Taggeldversicherung des Arbeitgebers ein, die oft nur noch 80 Prozent des Einkommens abdeckt. Wer also zum Beispiel mit einem Einkommen von 10  000 Franken pro Monat 90 Tage den vollen Lohn erhält und dann noch 80 Prozent aus der Taggeldversicherung, verliert bis zum Beginn der Invalidenrente 42  000 Franken Einkommen. Und es ist noch immer möglich, dass auch die Taggeldzahlungen vorzeitig enden, wenn der Arbeitgeber bei einer schweren Erkrankung nach 180 Tagen kündigt.

Selbständig Erwerbstätige und Hausfrauen oder -männer haben zudem gar keine Abdeckung im Krankheitsfall. Die Krankenkassen zahlen über die Zusatzversicherungen für längstens einen Monat einen bestimmten Beitrag.

Für all diese Fälle lässt sich bei der Krankenkasse eine bescheidene Taggeldversicherung abschliessen. Die Leistung beginnt oft schon, wenn der Arzt die Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Die Prämien werden umso günstiger, je länger die Wartefrist bis zum Beginn der Taggeldzahlungen dauert. Als einzige Lebensversicherung hat übrigens auch die Zurich ein solches Produkt.

Kinderversicherung. Bei seiner Analyse stellt Hans W. bald fest, dass auch für seine Kinder bereits erhebliche Risiken bestehen. Bis zum Alter von 18 Jahren ist nur ein rudimentärer Schutz durch die Sozialversicherungen gewährleistet, da die Kinder ja noch nicht erwerbstätig sind und so keine beruflichen Vorsorgeleistungen geniessen. Und vor allem danach ist eine zusätzliche Rente nötig, um die minimale Invalidenrente zu ergänzen.

Bei den Krankenkassen lässt sich ein solcher Schutz als Zusatz im Paket von Grund- und Zusatzversicherungen recht kostengünstig versichern, oft allerdings nur bei Unfall. Zudem zahlen sie keine jährliche Rente, sondern ein einmaliges Kapital. Selbst ein Kapital von 200  000 Franken dürfte im Invaliditätsfall aber nicht reichen, um die finanziellen Folgen über das Kindesalter hinaus abzusichern.

Da sind die Lösungen der Lebensversicherer im Vorteil, weil sie eine jährliche Rente bis zum AHV-Alter zahlen, bei einigen Anbietern sogar darüber hinaus, so etwa bei der Mobiliar. Diese und die Bâloise bieten im Gegensatz zu den meisten andern Lebensversicherern nicht nur eine gemischte Versicherung mit einem Sparteil an, sondern auch eine reine Risikoversicherung. Der Sparstrumpf kann so getrennt bei einer Bank oder mit einer reinen Sparversicherung geäufnet werden. Im Vergleich zur Banklösung bietet die Versicherung den Vorteil, dass der Sparprozess durch die mitversicherte Prämienbefreiung weiterläuft, auch wenn der Prämienzahler vor Ende der Laufzeit erwerbsunfähig wird oder stirbt.

Viele Versicherungen bieten auch fondsgebundene Produkte an. Diese zahlen in der Regel aber nur ein Kapital im Todesfall aus. Zudem muss gemäss Berechnungen von Generali über 17 Jahre eine Prämie von 1343 Franken jährlich bezahlt werden, damit im Todesfall und bei Ablauf mindestens ein Kapital von 20  000 Franken ausbezahlt wird.

Pflegeversicherung. Noch keine grossen Gedanken muss sich Hans W. über die Pflege im Alter machen. Das Netz der öffentlichen Unterstützung wird nächstes Jahr sogar noch verstärkt. Geht es um die Gewährung von Ergänzungsleistungen, wurden bisher bei Wohneigentum 112  500 Franken vom Vermögen abgezogen, das zur Finanzierung der Heimkosten einbezogen wird. Solange der Ehepartner oder die alleinstehende Person im Wohneigentum lebt, wird dieser Freibetrag neu auf 300  000 Franken erhöht.

In Zukunft könnte die private Vorsorge für den letzten Lebensabschnitt aber durchaus an Bedeutung gewinnen, ist Gabriele Hollmann, Leiterin Global Life Schweiz des Rückversicherers Scor, überzeugt. 2060 werden fast 30 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer im Rentenalter sein. Damit ist ein weiterer Anstieg der Pflegekosten absehbar. Durch gegenseitige Betreuung und externe Unterstützung wie Spitex-Dienste können zwar betagte Personen länger zu Hause bleiben. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt bei Männern rund ein, bei Frauen drei Jahre. Bei einer Demenzerkrankung kann der Pflegebedarf jedoch acht Jahre und länger dauern. Bei Pflegekosten von 12  000 Franken und mehr pro Monat schwinden dann selbst stattliche Vermögen wie Schnee an der Frühlingssonne.

Noch fehlt eine Säule 3c zur privaten Vorsorge. Und über eine Leibrentenversicherung lässt sich dieser Vorsorgebedarf angesichts der mageren Erträge und der steuerlichen Belastung mehr schlecht als recht abdecken. Eine günstigere Alternative sind da aber Auszahlungspläne, wie sie Banken und zunehmend auch Versicherungen anbieten. Das angesparte Kapital wird über einen bestimmten Zeitraum schrittweise ausbezahlt, und der verbleibende Überschuss geht an die Erben. Weder fallen da Versicherungsprämien an, noch müssen die Auszahlungen als Einkommen versteuert werden.

Die wenigen bestehenden Pflegeversicherungen werden erst ab Alter 50 abgeschlossen und sind daher mit hohen Prämien verbunden, gibt Stefan Thurnherr vom VermögensZentrum zu bedenken. Zudem beginnt die Leistung oft erst nach einer Wartefrist, zwei Jahre nach Abschluss des Vertrages oder gar erst nach zwei Jahren Aufenthalt im Pflegeheim. Selbst die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren und der Schweizerische Gemeindeverband raten Hans W. deshalb zu einer privaten Versicherung, will er sich für die Pflege im hohen Alter finanziell absichern. Gemäss ihrer Analyse ist diese Variante im Vergleich zu einer Lösung im Rahmen einer Säule 3c oder der Krankenversicherung am besten geeignet.