Sind Sie reich?
Altabt Gregor*: Nein. Ich bin Mitglied eines Ordens und habe 1977 das Gelübde der Armut abgelegt. Seit ich mit 34 Jahren ins Kloster eingetreten bin, habe ich kein eigenes Einkommen mehr – und kein Vermögen. Das Kloster sorgt für mich und lässt mich für das Reich Gottes arbeiten.

Woher nehmen Sie dann die Kompetenz, ein Buch unter dem Titel «Reich werden auf die gute Art» zu schreiben?
Gerade durch diesen Abstand kann ich – nicht zuletzt auch als früherer Kaufmann – zu den Fragen von Reichtum und Geld von den Grundsätzen her etwas beitragen.

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Sie haben nichts verlernt?
Ich hoffe nicht, nein. (lacht)

Wer soll Ihr Buch lesen?
Vorweg: Der Titel des Buches ist nicht von mir, sondern vom Verlag gewählt. Die Absicht dahinter ist die, dass die Ideen von Abt Gregor auch Menschen erreichen, die normalerweise nicht zu Büchern von Geistlichen greifen.

Ein purer Marketing-Gag?
Auf keinen Fall. Das Buch wurde übrigens zunächst unter dem Titel «Cash mit Gott» angekündigt – das war mir dann doch zu provokant und knallig, ja, fast blasphemisch.

Das Buch in einem Satz?
Es soll dazu beitragen, dass wir von einer Wirtschaft, die – wie es der Heilige Vater richtig und kritisch benannt hat – tötet, zu einer Wirtschaft finden, die Leben und Freude schafft.

Auf dem Buchrücken steht: «Die christliche Lehre ist nicht dazu da, uns reich zu machen. Fragt mich aber jemand, der sich auf gute Art Wohlstand schaffen möchte, um Rat, dann weiss ich, was ich ihm sagen kann.» Was?
Ich verwende gerne den Begriff Vermögen. Er kann nämlich auch klein geschrieben werden – jemand vermag etwas. Hat es jemand zu Reichtum gebracht – lassen wir dahingestellt, auf welche Art und Weise –, dann muss er damit verantwortlich umgehen. Er soll sich damit etwas leisten, aber nicht prasserisch den Reichtum zur Schau stellen. Und er soll seinen Beitrag an die Gesellschaft leisten.

Wie?
Sozial, karitativ – oder beispielsweise mittels Kultursponsoring. Bei Aristoteles heisst Vermögen «Dynamis» – für Kraft. Diese Kraft soll richtig eingesetzt werden.

Stellt nicht gerade die Kirche ihren Reichtum zur Schau?
Einspruch: Wir tun das zur Ehre Gottes. Natürlich sind die Kulturgüter der Kirche ungemein auffallend. Aber was die Kirche darüber hinaus an Gutem tut – in Krankenhäusern, Schulen, sozialen Werken, in der Entwicklungspolitik – ist nicht mit ein paar alten Bauwerken, die goldumrahmte Bilder beinhalten, zu vergleichen. Kommt hinzu, dass die grossen Bauwerke die Kirche primär Geld kosten und nicht Quellen neuen Reichtums sind.

Haftet Reichtum nicht allzu oft auch Neid an?
Gegenfrage: Wie kommt Reichtum zu Stande? Hier ist wichtig, dass die moralischen Herausforderungen beachtet werden: sozial, nachhaltig, umweltschonend, gerecht. Wenn jemand ein Unternehmen erfolgreich führt, dann ist das ein Gott wohlgefälliges Werk – nicht nur, weil er dadurch Arbeitsplätze erhält oder vermehrt, sondern weil er dem Kunden ein gutes Produkt bietet und den Lieferanten gut bezahlt.

«Wer arbeitet, fleissig ist und die Welt durch seine Arbeit sinnvoll gestaltet, der darf dabei auf Gottes Segen hoffen» – das tönt für gewisse Abzocker in den Teppichetagen wenig verheissungsvoll.
Ich bin spätestens dann mit dem Gebaren der Top-Manager überhaupt nicht einverstanden, wenn Arbeitskräfte schamlos ausgenutzt werden. Gerade im Finanzdienstleistungsbereich kenne ich Menschen, die keine Freizeit und kein Familienleben mehr haben. Aber grundsätzlich gilt: Wenn eine Firma gut arbeitet, soll sie dafür auch honoriert werden.

Aber noch einmal: Lassen Sie für die horrenden Einkünfte der Chefs multinationaler Unternehmen – sei aus der Finanz- oder Pharmabranche – wirklich das Argument Fleiss gelten?
Multinationale Unternehmen per se sind noch nichts Negatives, wenn sie moralisch und vernünftig handeln. Allerdings ist in den vergangenen Jahrzehnten das moralische Niveau in der Wirtschaft spürbar abgesunken.

Eben. Der Wirtschaft haften viele Makel an.
Mein Buch soll ein Beitrag dazu sein, die Kriminalisierung der Wirtschaft zu bekämpfen. Aber wir müssen gleichzeitig vorsichtig sein: Nur, weil es Korruption und falsches Verhalten in der Wirtschaft gibt, dürfen wir nicht die ganze Wirtschaft als kriminell ansehen. Denn wir leben letztlich von ihr.

Widersprechen sie jetzt nicht ein Stück weit Papst Franziskus und seiner Aussage: «Diese Wirtschaft tötet»?
Nein. Betonen Sie den Satz vor allem auf das Wort «diese». Wo die Wirtschaft unmenschlich, assozial, unmweltschädlich und ungerecht ist, gibt es in der Tat einen gefährlichen Weg, den wir bekämpfen müssen. Deshalb müssen wir «la otra economia», die andere Ökonomie, umso mehr fördern und zum Laufen bringen.

Ihr Ansatz?
1989, als der reale Sozialismus mit seiner Unfreiheit und wirtschaftlichen Ineffizienz aufgehört hat, wurde eine falsche Diagnose gestellt. Im Westen tauchte die Formel auf: «Jetzt hat der Kapitalismus gesiegt». Das ist ganz falsch und muss korrigiert werden. Es war erstens kein Sieg, sondern eine selbstverschuldete Niederlage eines ineffizienten Systems. Und zweitens darf der ganze Turbo-Kapitalismus auf keinen Fall zum Sieger erklärt werden. Dann müsste man ja die komplette Wirtschaft nach falschen Prinzipien organisieren und danach ausrichten – und das wäre fatal.

«Geld ist kein Ziel im eigentlichen Sinn. Es kann nur Lohn dafür sein, ein Ziel erreicht zu haben.» Dieser Satz von Ihnen tönt nach einem Plädoyer für Bonussysteme.
Es sollen durchaus Boni bezahlt werden. Aber nicht dann, wenn beispielsweise ein Unternehmer seine Firma verscherbelt und dafür vom neuen Eigentümer eine Bonuszahlung erhält. Das sollte gesetzlich verboten werden. Wenn ein Unternehmen aber erfolgreich arbeitet und aus dem Gewinn die Aktionäre befriedigt worden sind, dann dürfen diese durchaus auch beschliessen, dass auch die Mitarbeiter Boni erhalten. Und zwar alle. Boni sind nichts Schlechtes – Bonus bedeutet ja vom Namen her schon «gut».

Mit dem «guten» Namen wurde aber oft Schindluder betrieben.
Das ist leider wahr. Ein gutes Wort, das missbraucht wird, schadet der Sache im Fundament. Dann müssen wir wieder entdecken, was das Gute daran ist.

Hand aufs Herz: Haben Sie ihren Ausstieg aus der Wirtschaft – und damit die Möglichkeit, viel Geld verdienen zu können – nie bereut?
Ich habe gerne und gut gearbeitet und stand damals am Anfang meiner Karriere. Nein, bereut habe ich meinen Schritt nie – es war der richtige Weg in die Spiritualität, in die Kirche, in die spezielle Ordensberufung. Aber Menschen mit guten Prinzipien sollen durchaus weiterhin in der Wirtschaft arbeiten.

* Gregor Henckel von Donnersmarck stammt aus der gräflichen Linie der schlesischen Familie Henckel von Donnersmarck. 1970 bis 1977 war er Manager des Logistikdienstleisters Schenker. 1977 trat er im Stift Heiligenkreuz ein, als dessen Abt er von 1999 bis 2011 wirkte. Unter seiner Leitung stürmten die Mönche des Klosters mit ihrem Album «Chant Music for Paradise» die Hitparaden. Medial viel Beachtung erlangte sein Vortrag zum Thema «Islam, Christentum und Relativismus», den er am 18. Juni 2011 im Islamischen Zentrum Wien hielt.

** Reich werden auf die gute Art – Vermögenstipps eines Geistlichen. Edition a, Wien, 2014, ISBN 978-3-99001-085-3.