Der SNB-Entscheid mit starkem Franken war ein Schock. Viele Unternehmen sahen schwarz und malten ein dunkles Bild der Zukunft. Oder die Zuwanderungsinitiative und ein eingetrübtes Verhältnis zur EU. Dann der Finanzplatz und Einbussen wegen Steuerdiskussionen mit dem Ausland. Manche Kritiker bezeichneten die Schweiz vor diesem Hintergrund schon als Auslaufmodell.

Betrachtet man allerdings eine Reihe aktueller Studien und Indizes, dann belegt das Land weltweit einen Spitzenplatz in vielen Positionen: Gesundheit, finanzielle Sicherheit im Alter, Lebensqualität. So weist beispielsweise der Misery Index, der sich aus der Höhe der Inflationsrate und der Arbeitslosenquote zusammensetzt, für die Schweiz derzeit hinter Thailand im weltweiten Vergleich den zweitbesten Wert auf. Ganz so schlecht scheint die Lage nicht zu sein.

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Hohe Lebenshaltungskosten und Ansehen

Zur Linderung möglicher Abstiegsbefürchtungen tragen auch die Ergebnisse von Studien zur Lebensqualität bei. Zeigen sie doch, wie ein Land von aussen gesehen wird. Und wenn man sie betrachtet, fallen einem zwei Dinge auf: Zum einen ist die Schweiz bei den Lebenshaltungskosten weltweit eines der führenden Länder.

So belegt Zürich im «Worldwide Cost of Living»-Index der Economist Intelligence Unit, einer Recherche-Abteilung der Zeitschrift «Economist», Platz vier hinter Singapur, Paris und Oslo. Zum anderen geniesst die Schweiz nach wie vor ein extrem hohes Ansehen, in entsprechenden Studien und Umfragen belegt das Land regelmässig Spitzenplätze. Ein Ergebnis, das zu den steigenden Zuwanderungszahlen passt und dazu, dass sich noch sehr viel mehr Menschen ein Leben in der Schweiz vorstellen können.

Spitzenplatz im Better Life Index der OECD

Ganz so schlecht, wie es manche Klagen mitunter suggerieren, scheinen aber auch die rund 8,1 Millionen Menschen in der Schweiz ihr Leben nicht zu sehen. So belegt die Schweiz im Better Life Index der OECD einen Spitzenplatz, und die allgemeine Lebensqualität wird als sehr gut bezeichnet.

Neben dem hohen Lebensstandard, der nicht zuletzt mit einem deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegenden Haushaltsnettoeinkommen zu erklären ist, wird auch die hohe Beschäftigungsquote positiv hervorgehoben. Bei der letzten Erhebung gingen jedenfalls unter den 15- bis 64-Jährigen 79 Prozent einer bezahlten Arbeit nach. Das ist ein Wert, der deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 65 Prozent liegt.

Starker Gemeinsinn

Ebenfalls lobend hervorgehoben werden ein starker Gemeinsinn und das zivilgesellschaftliche Engagement. Demnach können sich 94 Prozent der Schweizer nach eigenen Angaben darauf verlassen, dass ihnen im Notfall jemand Beistand leistet. Im OECD-Durchschnitt geben nur 89 Prozent an, eine solche Vertrauensperson zu haben.

Auch sind die Menschen in der Schweiz im Allgemeinen zufriedener mit ihrem Leben als der Durchschnitt der OECD-Bürger. 84 Prozent berichten, dass an einem gewöhnlichen Tag positive Erlebnisse die negativen überwiegen: So gebe es häufiger Augenblicke, in denen sie sich freuen würden, in denen sie sich entspannen könnten oder in denen sie stolz auf eine Leistung sein könnten, als solche, in denen sie Schmerzen oder Langeweile haben würden, sich sorgten oder traurig sein würden. Im OECD-Durchschnitt gilt das nur für 76 Prozent der Menschen.

Auch wer zum Arbeiten kommt, fühlt sich wohl in der Schweiz

Positive Noten erhält die Schweiz auch in einer Mercer-Studie, die 230 Grossstädte weltweit umfasst. Laut der Einschätzung der von diesem Beratungsunternehmen ins Ausland entsandten Mitarbeiter ist Zürich trotz der hohen Lebenshaltungskosten nach Wien die Stadt mit der weltweit zweithöchsten Lebensqualität. Auch Genf und Bern rangieren mit den Plätzen acht und dreizehn auf führenden Positionen.

Umfragen und Analysen zur Frage, welche Länder die beste Lebensqualität bieten, gibt es viele. Teilweise ist dabei nicht immer nachvollziehbar, wie zuverlässig und aussagekräftig die ermittelten Ergebnisse sind. Sehr glaubwürdig erscheinen aber Studien, die auf Umfragen unter den sogenannten Expatriates beruhen – also berufstätigen Menschen, die von einem international tätigen Unternehmen vorübergehend in eine ausländische Zweigstelle entsandt werden.

Unter diesen Expatriates kommt die Schweiz auch im vom britischen Finanzkonzern HSBC erstellten Expat Explorer Survey blendend weg. Der Klassiker unter dieser Form der Umfragen, die unter 9300 im Ausland arbeitenden Managern in mehr als 100 Staaten durchgeführt wurde, weist die Schweiz unter den einbezogenen 34 Ländern vor Singapur und China als Spitzenreiter in Sachen Lebensqualität aus. Während das Knüpfen von Freundschaften oft nicht als einfach bezeichnet wird, sind die Befragten mit Blick auf die Schweiz neben den wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen (Platz zwei nach China) unter anderem mit einem ausgewogenen Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Freizeitleben zufrieden.

Schweiz für Ruheständler – ein erstklassiger Standort

Gut kommt die Schweiz aber nicht nur bei den Expats weg, sondern sogar extrem gut fällt die Bewertung als Ruhestandsort aus. Zumindest kommt man zu dieser Folgerung, wenn man den Ergebnissen des aktuellen «Global Retirement Index» Glauben schenkt. Der Index wurde von Natixis Global Asset Management in Auftrag gegeben und vom britischen Finanzresearch-Unternehmen CoreData Research durchgeführt.

Laut dieser globalen repräsentativen Studie des Asset Managers rangiert die Schweiz bei der finanziellen Absicherung und Lebensqualität von Rentnern unter 150 untersuchten Ländern das zweite Jahr in Folge auf dem ersten Platz, noch vor dem ölreichen Norwegen. Untersucht wurden hier die jeweiligen Standards der finanziellen Alterssicherung und die allgemeinen Rahmenbedingungen für Ruheständler in 150 Ländern. Dabei wurden die jeweils 20 wichtigsten Trends in den folgenden vier Kategorien genauer untersucht: Gesundheit und Qualität der medizinischen Betreuung, persönliches Einkommen und Finanzen, Lebensqualität sowie sozioökonomische Faktoren.

Sichere Altersvorsorge immer schwieriger

Wie die Studie allgemein hervorhebt, wird es künftig immer schwieriger werden, eine sichere Altersvorsorge zu betreiben. Dies gilt insbesondere für die Industrieländer. Wesentliche Gründe dafür sind demografische Entwicklungen, leere öffentliche Kassen, eine ungünstige Fiskalpolitik und volatile Märkte. Arbeitnehmer müssen sich deshalb auf eine wachsende Rentenlücke einstellen und frühzeitig privat für ihre Rente vorsorgen.

Die Studienergebnisse zeigen aber auch, dass Rentner in Europa im internationalen Vergleich finanziell am besten abgesichert sind. Acht der Top-10-Länder liegen in Europa. Hingegen können laut Natixis Länder in der Peripherie Europas, wie Griechenland, Italien oder Spanien, die finanzielle Sicherheit ihrer Rentner aufgrund der starken Verschuldung und anhaltend hoher Arbeitslosigkeit nicht mehr gewährleisten.

Altersvorsorge – im internationalen Vergleich gut geregelt

In der erstplatzierten Schweiz haben die Rentner laut Natixis-Studie derzeit die höchste Lebensqualität und die beste finanzielle Versorgung im Alter. Lobende Erwähnung findet eine sehr hohe Lebensqualität, ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem, welches zur hohen Lebenserwartung von 83 Jahren beiträgt, und eine führende Rolle als Finanzzentrum.

Auch volkswirtschaftlich gesehen sei das Land für Ruheständler interessant, weil sich die Konjunktur besser von der Krise erholt habe als in vielen anderen europäischen Ländern. Die Banken hätten dadurch ihre Kreditbücher aufarbeiten können, zudem sei allgemein ein hohes Pro-Kopf-Einkommen zu registrieren. Zu den negativen Entwicklungen aus Sicht von Sparern und Rentnern wird aber die Einführung von Negativzinsen gezählt.

Positiv wird in der Natixis-Studie auch hervorgehoben, dass sich die Schweiz häufig innovativ und mutig zeige, wenn es um die Verbesserung der Strukturen ihrer Rentensysteme im Sinn der Bürger gehe. Jörg Knaf, Executive Managing Director D-A-CH-Countries bei Natixis Global Asset Management, lobt in diesem Zusammenhang die in der Schweiz in den 1980er-Jahren vorausschauend eingeführte 2. Säule der Altersvorsorge, die hilft, einen Grossteil der Versorgungslücke zu schliessen.

Angst vor dem Abstieg als Ansporn

Hinsichtlich der Schweiz ist dieses Ergebnis auch deshalb wichtig, weil die Zahl der Rentner wegen der demografischen Alterung immer weiter steigt. So gibt das Bundesamt für Statistik den Anteil der 65-Jährigen und älteren Personen an der Schweizer Gesamtbevölkerung für das Jahr 2013 mit 17,6 Prozent an. Der Altersquotient hat sich dadurch im Laufe der Zeit fast verdreifacht, der Jugendquotient mehr als halbiert. Denn während im Jahr 1900 noch 76 Jugendliche unter 20 Jahren und zehn Personen ab 65 Jahren auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter (20–64 Jahre) kamen, waren es 2013 nur noch 33 Jugendliche und schon 28 Personen ab 65 Jahren.

Nicht unterschlagen werden, sollte mit Blick auf die Natixis-Studie aber, dass die Schweiz zwar den ersten Platz belegt, dass aber die erreichte Gesamtpunktzahl seit 2013 von 87 über 84 auf den aktuellen Wert von 82 Prozent gesunken ist. Das bedeutet trotz des ersten Platzes eine Verschlechterung, und auch deshalb kann es nicht ganz schlecht sein, wenn die eingangs erwähnten Skeptiker nicht verstummen. Schliesslich ist es nicht unbedingt wichtig, dass der erste Platz verteidigt wird, sondern vielmehr, dass das eigene Ergebnis und damit der Lebensstandard zumindest gehalten werden kann.

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