BILANZ: Herr Stadler, Audi räumt einen Branchenpreis nach dem anderen ab. «World Car of the Year», «Engine of the Year», goldene Lenkräder – eigentlich kann es Ihnen derzeit kaum besser gehen?

Rupert Stadler: Das ehrt uns und ist jedes Mal ein Dankeschön für eine tolle Leistung. Aber es macht uns bestimmt nicht selbstzufrieden.

Audi gilt als das Mass aller Dinge, bei Design, Verarbeitung. Sie sind oben – von hier aus kann man nur noch fallen.

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Wir haben zwölf Rekordjahre hinter uns und streben dieses Jahr das dreizehnte an. Die ganze Mannschaft ist motiviert, dieses Ziel nach Hause zu fahren.

In der Schweiz hat Audi jahrelang mehr Autos verkauft als BMW und Mercedes. Das gelang Ihnen nur in ganz wenigen Ländern. Im Moment allerdings verlieren Sie Marktanteile.

Das ist die Folge einer Produktumstellung. A4-Limousine und
-Avant sind neu, auch das A3-Cabriolet, der TT bekam zwei neue Motorisierungen, der A3 eine Auffrischung, jetzt kommen Q5 und A6. Wir haben wirklich eine Menge Dinge zu erledigen, und wir gehen davon aus, dass wir spätestens im zweiten Halbjahr wieder deutlich zulegen können.

Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung hier?

Sehr! Wir haben mit dem neuen Amag-Management eine unheimlich gute und enge Zusammenarbeit. Wir investieren in neue Top-Schauräume für Audi in Genf, das zeigt ja auch die Zuversicht in das Wachstumspotenzial von Audi in der Schweiz. Und wir geben weiter Gas.

Als Ihr Vorgänger Martin Winterkorn den Audi-Importeur Amag kritisierte, richtete sich das auch gegen den Verwaltungsrat – Präsident ist Martin Haefner, der Sohn des Firmengründers. Nun hat die Amag einen erfahrenen Manager, Josef Felder, in den VR geholt. Hat das etwas geändert?

Wir treffen uns mindestens einmal im Jahr auf der Genfer Messe zum Meinungsaustausch. Das Management hat meine Telefonnummer, und es weiss: Sollte es irgendwelche Probleme geben, haben wir kurze Kommunikationswege.

Wen genau meinen Sie mit «Management»?

Das fängt ganz oben an und geht bis tief in die Audi-Division der Amag.

Weiter oben im Konzern läuft die Zusammenarbeit weniger reibungslos. Porsche, Grossaktionär des Volkswagen-Konzerns und damit auch von Audi, führt eine eigene Marke. Braucht es da der Fairness halber nicht eine Konzernholding, die von allen Marken unabhängig wäre?

Schauen Sie, ich hab die Verantwortung übertragen bekommen, den Audi-Konzern zu führen, und das mache ich.

Vor einigen Jahren gab es die berühmte «Gleichteiledebatte», Autos von vier Konzernmarken nutzten dieselbe Plattform. Heute baut Skoda gute Autos, VW will hochwertiger werden, Seat sportlicher. Wie gefährlich ist das für Audi?

Audi ist eine Premiummarke, emotional bis in die Haarspitzen, progressiv, hochwertig, sportlich. So entwickeln wir Fahrzeuge, und so soll sie der Kunde auch spüren. Wir zielen schon deutlich auf eine unterschiedliche Klientel.

Gleiche Fensterheber-Schalter sind kein Problem?

Die Markensprache spürt man, wenn man am Lenkrad das Leder anfasst, an Verarbeitungsqualität und Gesamteindruck. Wenn sich der Kunde zu Hause fühlt, dann haben wir erreicht, was wir wollen. Das hat mit Materialien zu tun, mit Optik, Designsprache.

Sie haben unter dem heutigen VW-Chef Martin Winterkorn als Finanzchef gearbeitet, waren bei Aufsichtsratschef und Porsche-Miteigentümer Ferdinand Piëch Büroleiter. Sie hätten doch Beisshemmung, wenn es darum ginge, Audi im konzerninternen Positionierungskampf Luft zu verschaffen!

Beide kennen die Marke Audi perfekt, haben die Marke selbst mit Leidenschaft geführt, und da braucht es keine Bissigkeit. Wir wissen gemeinsam, wohin die Reise gehen soll.

Umgekehrt: Wie gross sind die konzerninternen Synergien?

Die sind so gross, dass wir uns zutrauen zu sagen, bis 2015 sind wir die attraktivste Premium-Marke. Wir haben Vorteile, die andere nicht haben. Und die nutzen wir.

Konkrete Zahlen verschweigen Sie. Wollen Sie keine nennen, oder haben Sie sie nie genau ausgerechnet?

(Lächelt.) Wir wissen es schon. Aber ich bin keiner, der irgendwelche Eckdaten herauskommuniziert, um besser dazustehen als andere. Nicht das Erzählte reicht, sondern das Erreichte zählt.

Im Porsche-Volkswagen-Verbund belauern sich Winterkorn und Porsche-Chef Wiedeking, Piëch schaut argwöhnisch auf Wiedeking, Wolfgang Porsche beobachtet alle. Geht es bei Ihnen nicht zu wie in der TV-Serie «Dallas»?

Ich spekuliere grundsätzlich nicht über das, was in der Presse geschrieben wird.

Dürfen Sie jedes Auto bauen – ohne konzerninterne Rücksichtnahme?

Ja. Immer unter der Prämisse, dass das Auto rentabel ist, dass es der Markt verlangt. Wenn Sie sich unsere Entscheidung für den kleinen A1 vor Augen führen – die war ja auch nicht einfach, innerhalb des Konzernportfolios. Aber wir haben bei Audi gesagt: Da wird Premium entstehen. Auch im Konzern, wo wir Produktportfolien abgleichen, haben die Vertreter gesagt: Haken dahinter! Das Auto macht Sinn. Wir haben da keinen Stress.

Tatsächlich? Dann dürften Sie also einen Audi R4 bauen –
einen Flitzer im Stil des Supersportwagens R8, über den unter dem Namen «Porsche-Cayman-Killer» wild spekuliert wird. Warum bauen Sie das Auto nicht?

Wir haben heute den TT in einem Preisbereich von 30  000 bis 60  000 Euro, dazu den R8 – wir bedienen die Nachfrage nach Sportwagen damit sehr breit. Und wenn Sie dann noch sehen, dass es zahlreiche dynamische Ableger der Serienmodelle gibt, zum Beispiel S5 oder RS4, dann haben wir die sportlichen Segmente ordentlich besetzt.

Also kein R4. Aber bald kommt ja ein Porsche-Gegner auf TT-Basis mit rund 350 PS. Den könnten Sie, als Trost für die R4-Fans, TT-R nennen.

Gute Idee (lacht).

Gibts gratis. Wann zeigen Sie das Auto?

Im Frühjahr wird es zum ersten Mal zu sehen sein.

Sie kommen aus dem Finanzbereich, sind kein gelernter Autokonstrukteur, kein «Car Guy», wie man etwa Dieter Zetsche bei Daimler oder Martin Winterkorn nennt. Ein Nachteil?

Nein. Ich habe vielmehr die Gabe, Dinge aus einer besonderen Perspektive zu betrachten. Ich habe genügend Benzin im Blut und viel Freude, wenn ich unsere Autos zur Probe fahre. Ich fahre jeden Tag ein anderes, weil ich schauen will: Wo machen wir Fortschritte? Was ändert sich? Ich glaube, dass Audi sehr gut unterwegs ist.

Sie haben im deutschen «Handelsblatt» Ihr «Popometer» gelobt. Beschreiben Sie bitte mal dieses Gerät.

Einfach ein Gefühl fürs Produkt. Wenn Sie Gas geben, Dynamik und Beschleunigung spüren, wenn Sie merken, wie sanft ein Schaltgetriebe arbeitet, wenn Sie in einem Auto die optische Ausstrahlung und Verarbeitung einschätzen können. Das fühle ich als mein Popometer. Eine permanente Richtschnur.

Die amerikanischen Autobauer serbeln schon länger. Wird einer der grossen US-Hersteller in der aktuellen Wirtschaftskrise pleite gehen?

Ich bin keiner, der in die Glaskugel schauen kann. Aber ich glaube, jedes kriselnde Unternehmen kann Kraft entwickeln, um sich wieder frei zu schwimmen. Man muss einfach beobachten, wie sich die US-Wirtschaft und der Wettbewerb entwickeln.

Die ganze Branche steckt doch in einer Phase der Unsicherheit, die Aktienkurse fallen. Rutscht das Geschäftsmodell Autobauer in die Krise?

Ich glaube, diese Unsicherheit, die Sie ansprechen, kommt daher, dass wir es zurzeit mit einer ganzen Ladung an Risikofaktoren zu tun haben. Das sind volkswirtschaftliche Veränderungen, Konjunkturdellen, Wechselkursverschiebungen und zum Grossteil spekulativ getriebene Preise für Rohstoffe wie Benzin, Rohöl und Stahl. Deshalb ist das Vorsichtsprinzip, wie ich es nenne, derzeit stärker ausgeprägt als die Supereuphorie. Heute kann niemand abschätzen, wie es morgen weitergeht. Wir, Audi, haben ins Produkt investiert, um die Kunden zu überzeugen. Wir werden auch morgen und übermorgen Käufer haben, die bereit sind, für ein attraktives Produkt zu sagen: Jetzt greife ich zu!

Audi ist für sportliche, leistungsstarke Fahrzeuge bekannt. Der Kombi RS6 hat 580 PS – ist das nicht eine Blech gewordene Einladung, Audi in die Umweltsünderecke zu stellen?

Ich glaube das nicht. Es wird immer Kunden geben, die gern ein sportliches Fahrzeug haben möchten und sagen: Meinen ökologischen Beitrag habe ich bereits geleistet. Ich hab mein Haus saniert, meine Fenster abgedichtet, eine Solaranlage auf dem Dach, eine Kraft-Wärme-Kopplung, was auch immer. Was ich nicht möchte, ist, dass wir eine Neid-Debatte führen oder den Kunden bevormunden. Vielmehr sollten wir ihm die Freiheit der Entscheidung zubilligen.

Dann müssten Sie beide Seiten des Spektrums anbieten.

Diese Verpflichtung haben wir. Zur Fussball-Europameisterschaft haben wir eine Effizienzfahrt unternommen, mit A4-Serienfahrzeugen mit Turbodiesel und 120 PS. Auf der Strecke Wien–Basel und zurück verbrauchte das sparsamste Auto 3,32 Liter Sprit auf 100 Kilometer, der schlechteste 3,5 Liter. Da soll uns dann keiner Vorschriften machen, wenn wir ein paar hundert Kunden glücklich machen mit einem Auto, das eine etwas höhere PS-Zahl hat und etwas mehr verbraucht.

Grosse Geländewagen und Sportwagen sind eben Symbole.

Lassen Sie uns die Emotionalität bitte nicht aus dem Geschäft nehmen. Zudem muss sich jeder bewusst machen: Automobilbau hat auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Wir sorgen für Beschäftigung, zahlen Löhne und Steuern. Und ohne Mobilität wird keiner seinen heutigen Lebensstandard absichern können.

Porsche hat der Amag den Schweizer Vertrieb aus der Hand genommen und macht das nun selbst. Wenn Sie so zufrieden sind, wie Sie vorhin sagten, könnten Sie die Frage, ob auch Audi den hiesigen Vertrieb selbst übernehmen will …

… wir sind zufrieden …

… mit Nein beantworten. Können Sie?

Ja! Ja, mit Nein (lacht).

Eine Theorie: Die Angriffe auf die Amag haben den Zweck, die Amag sturmreif zu schiessen, damit sie günstig übernommen werden kann – von der österreichischen Porsche Holding, dem grössten Autohandelshaus Europas.

Und schon wieder eine Spekulation …

Dieses Mal eine, die Sie kommentieren?

Ich spekuliere nicht. Nicht einmal unter der Hand.

Rupert Stadler (45) ist seit knapp zwei Jahren CEO der Audi AG mit Sitz in Ingolstadt. Im Machtkampf zwischen dem VW-Konzern, zu dem Audi gehört, und dem neuen Grossaktionär Porsche gilt Stadler als Gefolgsmann seiner Vorgänger Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch. Die beiden opponieren gegen Porsche-CEO Wendelin Wiedeking, der gern Zugriff auf Technologien hätte, die bei VW und Audi entwickelt wurden.

Dirk Ruschmann
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