Pro: Weitreichende Sanierungen

RUTH HUMBEL, CVP-Nationalrätin sowie Mitglied der Direktion und Leiterin Region Mitte von Santésuisse.

BILANZ: Wie beurteilen Sie die Lage der Pensionskassen?
Ruth Humbel: Sicher darf die Situation nicht auf die leichte Schulter genommen werden, doch sollte man auch nicht in Panik verfallen. Eine Unterdeckung bedeutet noch nicht die Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung. Allerdings stellt die unterschiedliche Belastung von aktiven Versicherten und Rentnern bei der Behebung einer Unterdeckung eine gefährliche Zerreissprobe für den Generationenvertrag dar.

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Sehen Sie Unterschiede zu der Krise 2002/03?
Damals waren vor allem die Sammelstiftungen der Lebensversicherungen betroffen, nun sind die autonomen Pensionskassen von der Börsenkrise tangiert. Zudem ist die Öffentlichkeit stärker auf die Themen der zweiten Säule sensibilisiert als noch vor sieben Jahren.
Wie lässt sich die Situation verbessern?
Speziell die Stiftungsräte sind gefordert, indem sie Massnahmen zur Verbesserung der Situation ihrer Pensionskassen bei einer Unterdeckung treffen. Auch müssen die Parameter wie Umwandlungssatz und Mindestzinssatz entpolitisiert und der effektiven Situation angepasst werden. Auf eine Senkung zu verzichten oder gar ein Moratorium für Massnahmen zu fordern, ist fahrlässig.

Was können die Versicherten tun?
Die Versicherten sollten über die Wahl ihrer Vertreter in den Stiftungsräten ihren Einfluss wahrnehmen. Gegen eine Wahlfreiheit der Vorsorgeeinrichtung habe ich aber grosse Vorbehalte. Nicht erst die jüngsten Ereignisse mit Lehman-Produkten lassen mich daran zweifeln, dass Tragweite und Risiken solcher Entscheide für die langfristige Altersvorsorge in jedem Fall richtig eingeschätzt werden.

Contra: Keine radikalen Sanierungsmassnahmen

PAUL RECHTSTEINER, SP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes.

BILANZ: Wie beurteilen Sie die Lage der Pensionskassen?
Paul Rechsteiner: Noch nie standen die Pensionskassen seit der Einführung des Obligatoriums zur beruflichen Vorsorge vor so grossen Herausforderungen.

Sehen Sie Unterschiede zu 2002/03?
Die schwerste Wirtschaftskrise seit den dreissiger Jahren hat die Pensionskassen viel härter getroffen als der Einbruch damals. Die Ausfinanzierung einiger öffentlichrechtlicher Vorsorgeeinrichtungen, wie jener der SBB, hat deren Verluste an den Kapitalmärkten noch verstärkt.

Wie lässt sich die Situation verbessern?
Die Renten dürfen nicht angetastet werden. Sie haben unter dem fehlenden Teuerungsausgleich schon stark gelitten. Es braucht langfristig ausgerichtete Massnahmen und keine hektischen Sanierungen, wie sie Bundesrat Couchepin fordert. Um die Abhängigkeit von den Kapitalmärkten zu verringern, sollte die erste Säule gestärkt werden. Daran haben insbesondere die grossen Lebensversicherungen kein Interesse. Sie bekämpfen die Solidarität.

Was können die Versicherten tun?
Die Versicherten sollen den Lockrufen widerstehen, Vorsorge auf eigene Faust zu betreiben, weil die zweite Säule und die AHV angeblich nicht mehr sicher sind. Wenn jemand sein Guthaben bei der Pensionskasse abzieht und in ein Versicherungsprodukt investiert, wird die Rente auf Anhieb halbiert. Einsetzen können sich die Versicherten an der Urne, indem sie gegen eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen, beispielsweise durch die Senkung des Umwandlungssatzes, und für eine Stärkung der AHV stimmen.