BILANZ: Hochspekulative Hedgefunds sind momentan en vogue. Ist es nur eine Frage der Zeit, dass diese Anlageform das Weltfinanzsystem wieder einmal an den Rand des Zusammenbruchs bringt?
John W. Meriwether:
Sie spielen natürlich auf die Ereignisse von 1998 an …

… als sich der von Ihnen gemanagte Hedgefund Long-Term Capital Management, dem Anleger sechs Milliarden Dollar anvertraut hatten, mit seinen Anleihen verspekulierte.
Sehen Sie, so etwas wie damals wird sich mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht wiederholen. Professor André Perold von der Harvard Business School hat in einer bemerkenswerten Analyse dargestellt, wie infolge der Russlandkrise viele unvorhersehbare Faktoren auf einmal zusammenkamen. Die plötzliche massenhafte Liquidierung der Fixed-Income- Positionen durch die Anleger bescherten der LTCM über Nacht dann immense Verluste.

Am Ende liessen sich 14 Investmentbanken und Brokerhäuser zwangsverpflichten und übernahmen für mehrere Milliarden Dollar 90 Prozent des LTCM-Kapitals: Der drohende Infarkt des globalen Finanzsystems war damit verhindert.
Auch wenn ich mich wiederhole: Nach unserem damaligen Wissen – und Ihnen ist natürlich bekannt, dass bei LTCM zwei hoch angesehene Nobelpreisträger mit an Bord waren – war eine derartige Eskalation kaum vorhersehbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass man so schnell so viel Geld verlieren könnte, war unserer Ansicht nach so gering, dass sie unser Denken kaum beeinflusste.

Sie haben inzwischen bei Ihren Investoren Abbitte geleistet. Dem «Wall Street Journal» gegenüber gaben Sie sogar offen zu, dass Ihr damaliger Ansatz mit «fundamentalen Fehlern» behaftet war.
Langsam, langsam, da hat mich das «Journal» nicht richtig zitiert. Ich habe nie behauptet, dass unsere Strategie grundsätzlich falsch war. Wir haben mit ihr über Jahre hinweg ja enorme Renditen erwirtschaftet. Wir waren allerdings nicht auf die Dramatik der Ereignisse vorbereitet, das würde ich so zugeben. Niemand hat eine solche Krise vorhergesehen. Gleichwohl hätten wir besser auf sie vorbereitet sein müssen, das war der Fehler.

Sind Sie heute ein besserer Hedgefunds- Manager als noch vor drei Jahren?
Unbedingt. Das war damals eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Gleichwohl haben uns die Ereignisse auch klüger gemacht. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir beschäftigen hier im Hause bei JWM Partners heute ein komplettes Team, das sich vornehmlich mit «worst case scenarios» beschäftigt …

… professionelle Schwarzseher, sozusagen.
Richtig, die verwenden einen Grossteil ihrer Zeit darauf, am Reissbrett durchzuspielen, was alles schief laufen könnte. Dementsprechend hoffen wir schon im Vorfeld sicherzustellen, für sämtliche Eventualitäten gewappnet zu sein.

Was ist der Grund für die neu erstarkte Beliebtheit von Hedgefunds?
Ganz sicher sorgt der Börsencrash auf Raten, der die Anleger weltweit heimsucht, bei den alternativen Anlagen für enormen Zulauf.

Sie können mit Hedgefunds im Gegensatz zu den meisten normalen Fonds auch Geld verdienen, wenn es an den Börsen richtig in den Keller rauscht?
Ja, und während nahezu alle grossen Aktienindizes im Jahr 2000 ein dickes Minus verzeichneten, haben über zwei Drittel der amerikanischen Hedgefonds ordentliche Renditen erzielt. Diese Art der alternativen Anlage ist mittlerweile so gefragt, dass in der Szene das Personal knapp wird. Die Manager aus der ersten Liga sind fast alle vergeben.

Hat auch Ihr Fonds davon profitiert, dass die Märkte verrückt spielen?
Ganz sicher. JWM Partners hat zuletzt seine Einlagen auf 850 Millionen Dollar erhöhen können. Allein in den letzten zwei Monaten sind 450 Millionen Dollar durch grössere Investments hinzugekommen.

Wer sind die Kunden?
Das reicht von Privatanlegern über Banken, Asset-Manager bis hin zu verschiedenen anderen institutionellen Anlegern.

Thema Kosten: Im traditionellen Asset-Management verdienen die Manager gerade mal fünf Prozent an den erzielten Erträgen. Bei den Hedgefunds kommt zu den zwei Prozent Verwaltungsgebühr eine Erfolgsprämie von bis zu 25 Prozent des Ertrags hinzu. Verstehen Sie, wenn biedere Vermögensverwalter da zuweilen eifersüchtig auf Leute wie Sie werden?
Keine Frage, Hedgefunds kassieren in der Tat höhere Gebühren. Die Investoren müssen bei uns halt abwägen zwischen den erwarteten Renditen auf der einen und den gesamten Kosten und dem Risiko ihres Investments auf der anderen Seite. Das jüngste Wachstum im Bereich der Hedgefunds deutet an, dass für viele Anleger diese Gleichung durchaus attraktiv ist. Und vergessen Sie nicht: Anders als bei den meisten Aktienfonds sind Hedgefunds-Manager in der Regel selbst mit ihrem eigenen Vermögen beteiligt. Ich darf Sie daran erinnern, dass die wirklichen Verlierer bei LTCM neben ein oder zwei Grossbanken am Ende ja wir, die beteiligten Partner, waren. Dieser Aspekt wird in der Presse immer vernachlässigt.

Apropos Presse: Warum haben Hedgefunds in den Medien einen so katastrophalen Ruf? Das Wirtschaftsmagazin «Forbes» schrieb zuletzt, Hedgefunds seien besonders unter Prominenten wie Barbra Streisand oder Bianca Jagger beliebt – die könnten sich auf Partys immer so angeregt darüber unterhalten, wie viel Geld sie gerade wieder einmal verloren hätten.
Der Artikel, auf den Sie ansprechen, war, mit Verlaub, nicht ernst zu nehmen. Aber die Medien müssen halt Schlagzeilen machen, um Produkte zu verkaufen. Und «George Soros sprengt die Bank von England» …

… das war 1992, als der Superinvestor mit Short-Positionen das britische Pfund in die Knie zwang und eine Milliarde Pfund Gewinn einstrich …
… richtig, oder «John Meriwether bringt im Alleingang das Weltfinanzsystem zum Zusammenbruch» machen tolle Headlines.

Uns hat besonders eine Schlagzeile in der «New York Times» gefallen. Dort wurden Sie als «Alchemist» beschrieben, «der Gold in Blei verwandelt hat».
Ja, ja, die Journalisten sind sehr fantasievoll, was die Erfindung solcher Metaphern angeht. Ich wünschte, sie wären bei der korrekten Berichterstattung über Hedgefunds ähnlich ambitioniert.

Den Titel des schwarzen Schafs der Wall Street haben Sie inzwischen ja an Internetanalysten wie Mary Meeker oder Henry Blodget abgegeben. Ist Ihr Image gleichwohl nicht so angekratzt, dass Sie nur schwer einen «normalen» Hedgefund managen können?
Sehen Sie, die Leute schätzen unsere Expertise und unsere Erfahrung in diesem Markt. Eine ganze Reihe von Mitarbeitern verfügt über ein Know-how bei der Implementierung vergleichbarer Investmentstrategien, das weit vor 1998 zurückreicht. Unsere Investoren haben auch das Gefühl, dass wir heute ausgezeichnet vorbereitet sind, wenn es wieder einmal zu einer Krise kommen sollte. Und die Zeiten, in denen Hedgefunds-Manager wie George Soros oder Julian Robertson von ihrem Mythos fast erdrückt wurden, sind ja ohnehin längst vorbei. Und das ist gut so. Denn ein solcher Mythos provoziert immer auch heftige Ressentiments.

Haben einige Investoren von damals schon wieder bei Ihnen angeklopft?
O ja, eine ganze Reihe unserer Investoren bei LTCM ist heute wieder bei JWM Partners engagiert. Die meisten haben damals ja auch ausgesprochen gut verdient.

In Europa wollten die Banken aus Imagegründen lange Zeit nicht mit dem «hot money» in Verbindung gebracht werden. Diese Hemmungen sind längst verschwunden. Alle grossen Banken haben Hedgefunds-Produkte aufgelegt und zielen dabei, im Gegensatz zu den USA, zunehmend auf Privatanleger. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
Grundsätzlich befürworte ich das. Auch fürs breite Anlegerpublikum sind Hedgefunds eine interessante Portfolio-Beimischung. Meines Wissens bereitet Merrill Lynch gerade ein vergleichbares Fund-of-Funds-Produkt für den amerikanischen Markt vor. Bei einem Anleger, dem 200 000 Dollar zur Verfügung stehen, würden wir es durchaus für ratsam halten, fünf bis zehn Prozent des Vermögens in Hedgefonds zu investieren.

Das klingt aus Ihrem Mund konservativ.
Warum? Auch institutionelle Grossanleger wie Pensionsfonds, Stiftungen, Lebensversicherungen und Versicherungsgesellschaften investieren höchstens fünf Prozent ihres Gesamtportfolios in Hedgefunds. Für Privatanleger also Grund genug, mindestens genauso zurückhaltend zu sein.

Wie können Privatanleger die Spreu vom Weizen trennen? Hedgefunds sind selbst für Profis nicht sehr transparent.
Private Investoren werden in den meisten Fällen auf einen Dachfonds zurückgreifen, der von Profis ihrer Bank gemanagt wird. Darüber hinaus kann ich nur raten: Schauen Sie sich neben der Performance vor allem das Management an, die Mitarbeiter, das gesamte Backoffice und die Instrumente zur Risikokontrolle. Für die Anleger ist es entscheidend, dass das Management einem klar strukturierten, nachvollziehbaren Investmentprozess folgt.

Gleichwohl bleibt jeder Hedgefonds letztlich eine Blackbox.
Vertrauen ist in diesem Geschäft nicht alles, aber viel.

Derzeit weist vieles darauf hin, dass die Baisse an den Aktienmärkten beendet ist. Ist damit auch der Boom antizyklischer Anlagen wie Hedgefunds schon wieder beendet?
Ihr Optimismus in Ehren, aber ich gehe nicht von einer raschen Erholung der Weltwirtschaft aus. Wenn ich mir frühmorgens bei Bloomberg einen ersten Überblick über jüngste Entwicklungen verschaffe und dort zumeist Schlagzeilen über Massenentlassungen finde, kann von Turnaround ja wohl kaum die Rede sein. Ich denke, dass Hedgefonds noch lange eine äusserst attraktive Anlagealternative darstellen werden.
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