In der Finanzwelt gibt es für alles Rankings. Der reichste Mensch der Welt, der grösste Kapitalvernichter aller Zeiten, der bestverdienende Aufsichtsrat in Deutschland, sind nur einige. Rechtzeitig zu Halloween könnte es eine neue Rangliste geben: nämlich die der grössten Börsenschrecks.

Auf der würden sich Spitzenmanager finden, die Aktionäre in die Flucht schlagen, sobald sie plötzlich und unerwartet für einen Spitzenposten im Gespräch sind. Einer der ersten Anwärter für den obersten Rang könnte Bill McDermott sein. Er hat zuletzt gleich zweifach sein Halloween-Talent unter Beweis gestellt.

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Die 16 Milliarden Euro Schreck-Bilanz

Der erst vor zwei Wochen abgetretene Chef von SAP wurde jetzt quasi über Nacht als neuer Lenker von ServiceNow ernannt. Zum Jahresende soll McDermott den amerikanischen IT-Konzern, der zu den grössten Cloud-Anbietern zählt, führen. Verschreckt von der Nachricht, drückten viele ServiceNow-Anleger auf den Verkaufen-Knopf. Die Aktie verlor daraufhin rund 7,5 Prozent, ein Börsenwert von 3,19 Milliarden Dollar ging verloren.

Die Schreckverluste passen ins Bild. Zwei Wochen zuvor war McDermott bei SAP völlig unerwartet ausgeschieden. Die Aktie des deutschen Software- und Cloudanbieters war daraufhin um zehn Prozent in die Höhe geschnellt. Ein Unternehmenswert von 13,2 Milliarden Euro wurde quasi durch die Personalie geschaffen. McDermotts Schreck-Bilanz beträgt damit satte 16 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa dem Börsenwert des Energieriesen RWE und ist sogar mehr als die 14,7 Milliarden Euro, mit der die gesamte Deutsche Bank an den Börsen bewertet wird.

Der 58-jährige Spitzenmanager, der bei einem Unfall sein linkes Auge verlor und seither in der Öffentlichkeit meist mit Sonnenbrille auftritt, startete im Juli 2010 bei SAP zunächst in einer Doppelspitze durch. Zusammen mit seinem Co-Lenker Jim Hagemann Snabe erwirtschaftete er Jahr für Jahr 15 Prozent, in etwa so viel wie der Dax.

Andere Ursachen

Nach dem Abgang von Snabe schaffte er für SAP-Aktionäre mit seinem konsequenten Umbau bis zu seinem Abtritt sogar eine jährliche Rendite von 16 Prozent und schlug den Markt deutlich. Der Dax warf zwischen 2014 und 2019 lediglich rund fünf Prozent ab. SAP profitierte davon, dass McDermott den Konzern auf Cloud-Technologie ausrichtete und Software nicht mehr als Einmalgeschäft definierte, sondern als Service in einem Abo.

Insofern verwundert der schreckhafte Abstieg und Einstieg bei ServiceNow schon. Und tatsächlich könnte für die Halloween-Verluste weniger Börsenschreck McDermott verantwortlich sein, als andere Aspekte. Bei SAP wurden zeitgleich mit dem Abgang gute Zahlen verkündet. Und die Ernennung der neuen SAP-Doppelspitze sorgte für Euphorie bei den Anlegern. Immerhin hat SAP mit Jennifer Morgan die erste Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens und mit Christian Klein den jüngsten Dax-Chef aller Zeiten.

Und auch die Kursverluste bei McDermotts neuem Arbeitgeber ServiceNow sind wohl nicht auf ihn zurückzuführen. Vielmehr verliert ServiceNow mit John Donahoe einen versierten Spitzenmanager, der zum Sportartikelhersteller Nike wechselt. Weitere Rücktritte bei ServiceNow hinterlassen bei den Anlegern ein schales Gefühl und verschrecken mehr als der vermeintliche Börsenschreck Bill McDermott.

Der Artikel erschien zuerst bei «WELT» mit dem Titel: «Dumm gelaufen – wie Bill McDermott das 16-Milliarden-Euro-Pech ereilte».