Wenn Thomas Straumann am Morgen die Kleidung für den Tag zusammenstellt, ist diese Prozedur zeitraubender als bei vielen anderen Männern. Denn der Vizepräsident von Straumann, Inhaber von Medartis und zweifache Hotelbesitzer lässt es bei der Auswahl von Accessoires nicht bei Gürtel und Schuhen bewenden. Er sucht immer auch eine passende Uhr zum Outfit. In einem Köfferchen sorgfältig aufgereiht und liebevoll gepflegt, warten nicht weniger als fünfzig bis sechzig Uhren auf ihren Einsatz an seinem Handgelenk.

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Der Sprössling aus einer Unternehmerfamilie, die mechanische Feinteile für die Uhrenindustrie produzierte, lehnt sowohl goldene als auch batteriebetriebene Uhren ab – «Swatch trage ich allenfalls beim Sport». Zu seinen tickenden Schätzen gehören neben Rolex-Uhren (vorab Oyster oder Daytona) auch eine Uhr von Lange & Söhne, die Lange 1. Den Löwenanteil der Sammlung aber stellen IWC-Uhren dar, «mindestens zehn», einige Portugieser mit Schleppzeiger, eine Da Vinci, eine Grande Complication und eine Ingenieur 500 000 Ampere/Meter, ein besonders rares Stück, das mit einem Weicheisenmantel gegen starke magnetische Strahlung geschützt ist.

Die Begeisterung für die mechanischen Nobeluhren aus Schaffhausen teilt Straumann, wie es scheint, zurzeit mit dem halben Topmanagement und der Classe politique der Schweiz. Mit einer IWC am Handgelenk gesichtet wurde von André Dosé bis zu Moritz Leuenberger nahezu jeder, dem Uhrentrends etwas bedeuten. Dosé, der auch mal eine Patek Philippe trägt, wird neuerdings mit der IWC Da Vinci gesichtet, Leuenberger liest die Zeit von einer Portugieser ab. Es gibt sogar Männer, die nur diese Marke tragen, wie der vielfache Verwaltungsrat Andreas Schmid (Unique, Kuoni usw.), der aus dem Hause IWC drei Uhren hat, «vor allem Portugieser». Erwin Flückiger, CEO von Feldschlösschen und selber begeisterter Besitzer der neuen grossen Fliegeruhr und mehrerer IWC Portugieser erinnert sich amüsiert an das letzte «Dolder»-Meeting im vergangenen Januar: «Von den zehn Herren am Tisch trug nur ein einziger keine IWC.»

Was macht die Schaffhauser Uhren so sexy für Manager? In erster Linie, so ist zu vermuten, die geniale Werbekampagne. Die Uhr am Handgelenk «ist ein Ausdrucksmittel des Stils eines Mannes» sagt einer, bei dem Stil zum Geschäft gehört: Olivier Burger, Besitzer von PKZ und Burger. Von klein auf an den Umgang mit Uhren gewohnt – «meine Mutter kommt aus einer Uhrmacherfamilie» –, hat der Mann aus der Modebranche ein besonderes Verhältnis zum Thema. Sein Liebling ist eine alte Rolex, «der man nicht ansieht, dass es eine Rolex ist». Zu den anderen Uhren in seinem Besitz gehören eine geerbte Vacherin Constantin und eine Pilotenuhr von IWC, die Burger zum Sport trägt. Überhaupt steht für Burger das passende Outfit an erster Stelle. Für ihn kommt zu braunen Schuhen und braunem Gürtel selbstverständlich nur eine Uhr mit braunem Armband in Frage.

Der Mann hat ohnehin wenig Möglichkeiten, sich mit Schmuck in Szene zu setzen. Ein teures Tuch, zu einem Anzug verarbeitet, besticht eher durch noble Zurückhaltung. Bleibt als diskreter Hinweis auf einen bestimmten Lebensstil die Uhr, ein Statussymbol mit Nutzwert. «Die Uhr», so Lucia Bleuler, Inhaberin von Image Management, die Führungskräfte einiger Firmen in Sachen Stilfragen berät, «sollte so diskret und passend zur sonstigen Kleidung sein wie jedes andere Accessoire.» Wer zum edlen Businessoutfit eine poppige Plastikuhr trägt, müsse sich nicht wundern, wenn ihn keiner ernst nimmt. Geschmack hat bei der Fachfrau nichts mit dem Preis der Uhr zu tun, «sie muss einfach zum Gesamtbild passen». Und so wurde Bundesrat Joseph Deiss mit einer Tank Américaine von Cartier gesichtet, Andres F. Leuenberger, ehemals prominenter Präsident der Economiesuisse mit einer auffälligen Franck Muller, Bundesrätin Micheline Calmy-Rey mit einer Cartier Panthère und SGS-Chef Sergio Marchionne mit einer edlen Longines, wie sie einst an Bord von Swissair-Maschinen verkauft wurde.

Uhrenfreunde verbindet etwas Emotionales mit ihren Uhren. Stundenlang können sie fachsimplen: «Ich könnte von jeder meiner fünfzig Uhren die Geschichte erzählen», meint etwa Kommunikationsberater Aloys Hirzel. Zum Beispiel von seiner Piaget, in die er sich mit 25 verliebte und die damals viel zu teuer für ihn war. Anderthalb Jahre lang liess er sie bei Bucherer hinterlegen und sparte so lange, bis er sie bar kaufen konnte. Oder aber die Offiziersuhr Record aus dem Zweiten Weltkrieg, die er in einem Loft fand, den er kaufen wollte. Er liess sie renovieren und liebt sie noch immer, «weil sie ein absolut klassisches Design hat». Daneben hat er – ein Must für alle Uhrenfreaks – eine Rolex Daytona, diverse Eterna-Uhren, einen Fliegerchronographen von IWC und eine Favre-Leuba. Am meisten allerdings, meint Hirzel, wird er derzeit auf eine Maurice de Mauriac angesprochen, eine moderne Uhr, die von einem Ex-Investmentbanker designt wurde.

Neben den Designfreunden gibt es die Technikfreaks. Sie ergötzen sich an den Raffinessen schweizerischer Uhrmacherkunst, an ewigen Mondphasen und ewigen Kalendern, Schleppzeigern, Minutentourbillons und was es an technischen Spielereien sonst noch alles gibt. Ernst Tanner etwa, CEO von Lindt & Sprüngli, ist «fasziniert von Uhrwerken». Er nennt eine Blancpain, eine Breguet, eine Omega und eine Audemars Piguet sein Eigen und besitzt daneben auch noch «eine ganze Reihe» Swatches.

Adalbert Bütler, Chef von Bucherer, ist nicht nur berufsmässig an Uhren in-teressiert, er ist auch von der Technik begeistert, die dahinter steckt. Er hat einen Patravi-Gelbgoldchronographen von Carl F. Bucherer mit Grossdatum, daneben eine Eterna DS und eine Rolex Daytona. Der milliardenschwere Tessiner Tourismusunternehmer Sergio Mantegazza trägt eine Tank Française und Modeunternehmer Carlo Vögele eine Tortue repétition minute.

Doch so richtig wertvoll werden die geliebten Stücke erst dann, wenn zum materiellen auch noch der ideelle Wert kommt. Elisabeth Metzger, Generaldirektorin von Clarins Schweiz, trägt bei besonderen Anlässen nach wie vor das erste Geschenk ihres Mannes: eine goldene, mit Brillanten besetzte Uhr von Boucheron. «Für mich hat eine Uhr denselben sentimentalen Wert wie Schmuck, ich lass mir beides am liebsten schenken», meint die elegante Managerin, zu deren derzeitigen Lieblingsstücken auch eine Tortue von Cartier gehört. VR Andreas Schmid weiss von seinen IWC-Uhren eines ganz genau: Sie alle wurden ihm von seiner Ehefrau und seinen Kindern geschenkt, «das macht sie für mich zu etwas ganz Besonderem».

Und dann gibt es auch noch Menschen, welche die Uhr an ihrem Gelenk ganz einfach vergessen. Fernsehdirektorin Ingrid Deltenre jedenfalls, nach ihrer Uhr gefragt, musste erst mal aufs Handgelenk schauen um dann zu sagen: «Eine Jaeger-LeCoultre.»