Die schweizerische Kontrollstelle für Chronometer, der «Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres» (COSC), wurde 1973 gegründet. Seit dem 1976 erreichten Tief von knapp über 200000 Chronometer-Gangscheinen hat die Zahl der dem COSC zur Prüfung eingereichten Uhrwerke wieder stetig zugenommen; sie liegt heute bei 1,3 Millionen Stück pro Jahr; 5 Prozent davon sind Quarzwerke.

Es gibt Hersteller, die ausschliesslich Chronometer mit COSC-Gangschein anbieten. Sie verbreiten ein Image höchster Präzision und Qualität. Allerdings muss der Fabrikant alle «durchgefallenen» Uhrwerke (im Durchschnitt sind es 4 bis 5 Prozent) neu einregulieren und erneut vorlegen. Denn der Gangschein ist ein individuell ausgestelltes Zeugnis. Wer COSC-Zertifikate anstrebt, muss in seiner Produktion extrem akribische Qualitätskontrollschritte nach dem Konzept «Zero Defect» einführen, sonst ist er chancenlos.

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Drei Typen von Uhrenfabrikanten profitieren ganz besonders vom COSC-Gangschein. Erstens neue oder neu lancierte Marken, die sich in einer oberen Preiskategorie positionieren möchten und deren Marketing besondere Leistungen akzentuiert. Es gibt viele solcher Marken, doch lassen sie nur ganz kleine Serien, unter Umständen nur eine einzige Uhr pro Jahr testen.

Zweitens gibt es Marken, die lassen nur einen Teil ihrer Uhren prüfen, weil sie zum Beispiel Damenuhren ohne den am COSC obligatorischen Sekundenzeiger herstellen. In anderen Fällen wird zwar versucht, COSC-Qualität zu produzieren, was aber nicht durchwegs gelingt. Die Prüfung dient dann als Sieb: was durchkommt, wird mit Gangschein verkauft, was durchfällt, weist noch immer eine überdurchschnittliche Qualität auf.

Und schliesslich gibt es Marken, die 100 Prozent ihrer Produktion zertifizieren lassen und ausschliesslich Uhren mit Gangschein verkaufen. Es ist kein Geheimnis, dass Rolex und Breitling zu dieser dritten Kategorie gehören.

So werden die uhrwerke geprüft

Uhrenhersteller, die ihre Werke prüfen lassen wollen, liefern das gegebene Kaliber einer bestimmten Marke in Serien von 1 bis 500 Stück an die Prüfstelle. Jedes Uhrwerk muss in einer glasklaren, farblosen Kunststoffkalotte untergebracht und mit einem weissen Zifferblatt versehen sein, das an der Peripherie eine Sekundenteilung trägt und auf dem zwei gegenüber der Zeigerachse diametral entgegengesetzte, schwarze Punkte sitzen. Bis auf den schwarzen Sekundenzeiger sind alle Zeiger wie auch der Rotor des Selbstaufzugs entfernt. Die Uhrwerke werden dem COSC mit entspannter Werkfeder übergeben, die Aufzugwelle ist mit einer normierten Krone versehen.

Nun registrieren Mitarbeiter des COSC jedes eingegangene Uhrwerk anhand seiner eingeprägten Seriennummer, der sie einen Strichcode zuteilen. Damit ist das Werk für die hochgradig automatisierten Messgeräte auf unzweideutige Weise identifizierbar. Danach werden die Werke in Losen von fünf Stück gleichzeitig maschinell aufgezogen. Die dazu erforderliche Zahl von Umdrehungen, die Geschwindigkeit (Umdrehungen pro Minute) sowie das minimale und maximale Drehmoment werden vom Fabrikanten vorgeschrieben; diese Parameter gibt man in den Steuerungscomputer der Aufzugsmaschine ein. Von nun an werden die Werke während des ganzen Testzyklus jeden Tag auf genau dieselbe Weise aufgezogen.

Am Tag der Registrierung (Tag Null) werden die Werke vertikal mit der Krone links (d.h. in der «KL» genannten Lage) bei 23 °C in hermetisch abgedichteten, mit ultrafiltrierter, extrem trockener Luft versorgten Kammern gelagert, wobei die Temperaturschwankungen weniger als 0,5 °C betragen. Während den Tagen 1 und 2 verbleibt der Prüfling in der Lage KL, die Tage 3 und 4 sind für die Lage KO (Krone oben) reserviert, die Tage 5 und 6 für die Lage KU (Krone unten), die Tage 7 und 8 für die Lage ZU (horizontal, Zifferblatt unten). Es folgen fünf Tage (9 bis 12) für die Lage ZO (horizontal, Zifferblatt oben), wobei am Tag 10 ein allfälliger Chronographenmechanismus dauernd eingeschaltet sein muss. Am Tag 11 werden die bisher stets auf 23 °C gehaltenen Uhrwerke auf 8 °C abgekühlt, am Tag 12 lagert man sie wieder bei 23 °C, am Tag 13 bei 38 °C. Während den zwei letzten Tagen (14 und 15) «erholen» sich die Uhrwerke in der Lage KL bei 23 °C.

400000 Uhrwerke Pro jahr in Le locle

Die Tests in verschiedenen Lagen sind von grosser Bedeutung, denn die Schwerkraft beeinflusst je nach der Orientierung des Uhrwerks die Reibung der Zapfen in den Lagern, den Greifpunkt der Zahnräder und die Schwingungsfrequenz der Unruh, was die Ganggenauigkeit direkt beeinflusst.

Vom Tag 1 bis und mit dem Tag 15 wird die Winkelstellung des Sekundenzeigers einmal täglich mit der COSC-Referenzzeit verglichen; auf diese Weise bestimmt man die Abweichung in Sekunden gegenüber dem Wert des Vortags. Die Differenz wird als täglicher Gang bezeichnet, er dient zur Berechnung weiterer Parameter, die einen Chronometer kennzeichnen.

Zum automatischen Ablesen des Zeigerstands benutzt das COSC verschiedene, selbst gebaute Geräte. Bei grossen Serien werden Sätze von jeweils 25 Uhrwerken in der 5-mal-5-Anordnung von einem Portalroboter der digitalen Videokamera zugeführt, wobei jedes Werk etwa eine Sekunde lang in den Sichtbereich kommt. Die Stellung des Zeigers wird gegenüber den Referenzpunkten auf dem Zifferblatt gemessen. Für kleinere Serien verwendet man ein Gerät, das jeweils fünf Uhrwerke ruckweise unter der Kamera durchzieht. Ein ganz neues, VAOX5 genanntes Gerät mit besonders hoher Produktivität verfügt über fünf Videokameras, erfasst also den Zeigerstand von fünf Chronometern gleichzeitig.

Jeder Zeigerstand wird mit der Anzeige der Referenzuhr verglichen. Letztere ist ein System von zwei Rubidium-Atomuhren, die hundertmal genauer sind als professionelle Quarzuhren, aber lediglich als Frequenzstandards dienen. Die eigentliche Uhrzeit wird vom Satelliten-Navigationssystem GPS bezogen. Die Differenz (in Sekunden) gegenüber dem am jeweiligen Vortag gemessenen Zeigerstand ist der tägliche Gang. Er wird vom Computer auf exakt 24 Stunden zurückberechnet, denn die Messungen werden gezwungenermassen nach mehr als 24 Stunden durchgeführt. Trotz aller Automatisierung beanspruchen sie mehrere Sekunden pro Uhrwerk. Man muss sich vergegenwärtigen, dass zum Beispiel die COSC-Prüfstelle in Le Locle pro Jahr über 400000 Uhrwerke während jeweils 15 Tagen ausmessen muss, was etwa 35000 Manipulationen pro Arbeitstag bedingt.

Kleine und grosse zertifikate

Der Auftraggeber erhält in gedruckter Form sämtliche bei jedem einzelnen Uhrwerk erhaltenen Messwerte; diese Information kann er auf verschiedene Weise seinem Kunden weitergeben. Es gibt Fabrikanten, die ihre Uhren einfach schriftlich als «Officially certified» deklarieren. Andere wählen zwischen dem kleinen Zertifikat, das eine Identifikationsnummer und die Seriennummer des Werks trägt, dem mittleren Zertifikat mit einem Ausdruck der erhaltenen Werte oder dem grossen Zertifikat, auf dem neben den Ergebnissen auch Auszüge aus dem Protokoll der Testbedingungen abgedruckt sind. Das COSC berechnet lediglich 5 Franken und 10 Rappen für einen Gangschein; wer ein Zertifikat haben will, muss extra dafür bezahlen.

Quarzchronometer sind etwas aus der Mode gekommen, dennoch muss das COSC jährlich etwa 70000 Zeitmesser dieser Art prüfen. In diesem Bereich wurden 1998 völlig neue Normen eingeführt. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass die 1978 erstmals angewendeten, absolut gesehen sehr strengen Normen für elektronische Uhrwerke, selbst von sehr preiswerten Uhren aus dem Warenhaus erfüllt werden konnten. Es genügte, aus grossen Losen die besonders guten Exemplare auszusortieren und am COSC prüfen zu lassen. Die neuen Normen sind nun aber so streng, dass ein Standardquarzwerk beim COSC überhaupt keine Chance hat.

Genauer als eine gewöhnliche Uhr

Was bedeutet es nun, eine Uhr zu besitzen, die mit einem COSC-geprüften Werk ausgerüstet ist? Zunächst gilt, dass der am COSC gemessene Gang eines Chronometerwerks nicht auf die effektiv getragene Uhr übertragen werden kann. Das COSC prüft ja nicht Uhren, sondern ausschliesslich Uhrwerke. Aber sicher ist eines: Der mechanische Chronometer mit Gangschein ist mit einem Uhrwerk hervorragender Qualität ausgerüstet, das sehr gut einreguliert wurde. Er ist wesentlich genauer als eine unter denselben Umständen getragene, gewöhnliche Uhr. Andererseits wird selbst der mechanische Chronometer der Spitzenklasse zehnmal weniger genau sein als eine Quarzuhr der untersten Preisklasse. Eine über Monate beibehaltene Sekundengenauigkeit ist nur beim zehnmal genaueren Quarzchronometer möglich (er wird primär von Breitling und Rolex angeboten). Noch genauer sind lediglich Funkuhren, vorausgesetzt man befinde sich im Empfangsbereich eines Zeitzeichensenders. Aber das sind streng genommen keine Uhren mehr, sondern Radiogeräte mit eingebautem Quarzwerk.

Lucien F. Trueb ist Wissenschaftsjournalist und Autor des Nachschlagwerkes «Die Zeit der Uhren», Ebner Verlag.

Die Hitparade der COSC-Zertifikate

Rolex verkauft ausschliesslich Uhren mit COSC-Gangschein. Jahr für Jahr sind es über 750000 Stück. Wer unbedingt eine «Oyster» mit Quarzwerk haben will und sie imperativ verlangt, bekommt sie, doch wählen pro Jahr wenig mehr als 500 Käufer diese Option. Es sind echte Kenner, die ein wirklich extreme Ansprüche erfüllendes COSC-Quarz-Zertifikat erhalten – mit einer Uhr, deren Qualität jedem Superlativ trotzt.

Omega ist mit jährlich über 200000 COSC-Gangscheinen (ausschliesslich für mechanische Werke) klar die Nummer zwei.

Breitling andererseits nimmt die Quarzoption sehr ernst und verkauft jährlich über 50000 Uhren, die zehnmal genauer sind als eine gewöhnliche, der Mechanik immer noch haushoch überlegene Quarzuhr. Aber natürlich führt Breitling auch mechanische Chronometer-Chronographen mit Gangschein, es sind etwa 90000 Stück pro Jahr.

Grosse COSC-Kunden mit 10000 bis 40000 Zertifikaten pro Jahr sind Baume & Mercier, Bulgari, Panerai und TAG Heuer. Auf respektable 1000 bis 10000 Zertifikate kommen Ebel, Eterna, Ikepod, Krieger, Chopard, Hermès, Mühle-Glashütte, Patek Philippe, Paul Picot, Tissot, Ulysse Nardin, Vacheron Constantin, Ventura und Yantar.