Es war eine lockere Stimmung am 11. und 12. November in Orlando, Florida. Das oberste Kader der CS-Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB) traf sich zum ersten Mal mit den Kollegen der neuen Tochter Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ) zum «Global Partners Meeting». Insgesamt rund 1000 Personen kamen im Nobelhotel Portofino zusammen. Es ging um den Gedankenaustausch und ums Kennenlernen – der Whisky soll abends an der Bar reichlich geflossen sein.
CS-Präsident Lukas Mühlemann und CSFB-Chef Allen Wheat, der das fusionierte Gebilde führen wird, schwörten die versammelten Managing Directors auf die kommende Zusammenarbeit ein und verwiesen auf die starke Position, die sich die Schweizer Grossbank im hart umkämpften Investmentbanking in den letzten Jahren erobern konnte.
Doch die fröhliche Ausgelassenheit täuscht nicht darüber hinweg, dass derzeit dunklere Wolken am Horizont aufziehen. Denn die wichtigste Geldmaschine der CSFB droht ins Stocken zu geraten: das Investmentbanking-Team aus dem Silicon Valley.
Einen Grossteil des Gewinns der CSFB hat in den letzten Jahren ein einziges Mitarbeiter-Trüppchen erzielt: die Technology Group von Starbanker Frank Quattrone in Palo Alto. Obwohl das knapp 500 Köpfe starke Quattrone-Team nur rund drei Prozent der über 15 000 CSFB-Mitarbeiter stellt, soll es laut Insidern 20 Prozent der gesamten CSFB-Einnahmen erwirtschaften. CS-Finanzchef Philip Ryan dementiert allerdings: «Die genaue Zahl ist schwer einzugrenzen. Aber es sind eher 10 bis 15 Prozent.»
Tatsache ist, dass 1999 von den 58 IPO-Börsengängen der CSFB alle bis auf 4 von Quattrone gemanagt wurden. 600 Millionen Dollar spülte die Crew allein durch Technologiedeals in Mühlemanns Kassen, weitere 600 Millionen kamen durch den Handel dazu. «Die CSFB ist eine Infrastruktur, die um einen Technologieshop gewickelt wurde», bringt die Fachzeitschrift «Institutional Investor» die Situation auf den Punkt. «Quattrone ist ein Klumpenrisiko für die CSFB», warnt Analyst Christoph Bieri von der Banca del Gottardo.
Nachdem die Tech-Blase diesen Frühling geplatzt und der Technologieindex Nasdaq abgestürzt war, ist die IPO-Euphorie im Silicon Valley zum Erliegen gekommen. Im September wagten nur noch 26 Gesellschaften in den USA das IPO – noch im August waren es 68 gewesen. Resultierten aus den Börsengängen am Nasdaq im März noch 9,5 Milliarden Dollar, so hat sich der Betrag inzwischen fast halbiert, rechnete die «Finanz und Wirtschaft» aus. Tag für Tag blasen Gesellschaften derzeit ihre IPO ab oder verschieben den Börsengang in die weite Zukunft.
Für die CSFB Technology Group und damit für die CSFB überhaupt ist das Geschäft damit schlagartig schwieriger geworden. Wie stark sich der Technologieeinbruch konkret auf die Gewinnsituation auswirken wird, gibt die CS nicht bekannt, weist aber darauf hin, dass auch in IPO-armen Zeiten Gewinne gemacht werden können. Etwa durch die Beratung bei Fusionen, zu denen sich die kriselnden Unternehmen gezwungen sehen. «Wir wissen, dass der Technologiebereich zyklisch ist und sich derzeit in einer eher schwachen Periode befindet», sagt Ryan, «doch wir sind überzeugt von der langfristigen Bedeutung des Sektors.»
Der Vorteil der Technologielastigkeit der Gruppe droht jetzt ins Gegenteil zu kippen. Hinzu kommt, dass Mühlemann just während des Tech-Katzenjammers seine Abhängigkeit in diesem Bereich noch erhöht hat. Mit dem 13 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Brokerhauses DLJ hat Mühlemann die Gewichtungen in seinem Bankenhaus weiter in Richtung Risiko verschoben.
Derzeit wird DLJ in die Investmentbank CSFB integriert. Laut CS-Zahlen wird das Investmentbanking nach dem Einbezug der jüngsten Akquisition 39 Prozent zu den Gruppeneinnahmen beisteuern. Das von der CS-Führung einst selber als sinnvolle Gewichtung skizzierte strategische Ziel, dass die anderen Bereiche wie das Privatebanking oder das Retailgeschäft zusammen mindestens 65 Prozent der Einnahmen machen sollten, ist damit verzerrt.
Das eng an die Börsenentwicklung gekoppelte Investmentbanking ist generell risikoreicher und zyklischer als das viel konstantere Private- oder Retailbanking. Ein Beispiel: Dem Verlust bei CSFB von 220 Millionen Franken im Geschäftsjahr 1998 folgte 1999 ein Rekordgewinn von 1,9 Milliarden. Ein höherer Anteil des Investmentbankings bewirkt schon rein theoretisch eine volatilere Entwicklung der gesamten CS-Gruppe und damit auch des CS-Aktienkurses.
Der Erfolg der Credit Suisse Group hängt heute zu einem sehr grossen Teil von der Entwicklung im so genannten TMT-Bereich (Technologie, Medien, Telekom) ab. Just hier hat sich die Risikoanfälligkeit entscheidend erhöht.
Denn mit dem Kauf von DLJ hat sich die CS-Gruppe noch stärker im Bereich der Krisenbranchen exponiert. DLJ ist Marktleader im Bereich der High-Yield-Bonds, salopp auch Junkbonds genannt. Junkbonds sind hochverzinsliche und zugleich mit hohen Risiken behaftete Anleihen.
In den USA wurden solche Junkbonds zu 70 Prozent für junge Telekom-Unternehmen emittiert. Viele Telekom-Firmen sind hoch verschuldet. Der Preis für den Markteintritt im Telekom-Bereich ist enorm hoch, wie die milliardenteuren Versteigerungen der UMTS-Lizenzen zeigen. Viele Experten bezweifeln, ob sich diese Investitionen überhaupt jemals auszahlen werden.
In England machte das Beispiel der Barclays Bank Schlagzeilen. Jüngst wurde bekannt, dass das britische Bankhaus Kredite an Telekom-Gesellschaften in der Höhe von 20 Milliarden Dollar in den Büchern hatte, und dies erst noch bei nur drei Gesellschaften: Vodafone, British Telecom und Orange. Würde eines dieser Unternehmen zusammenbrechen, würde das auch das Überleben der Bank gefährden.
Die überhöhten Kreditrisiken vieler Banken haben sogar staatliche Stellen auf den Plan gerufen. David Gibbons vom Office of the Comptroller of the Currency (OCC), einer der drei wichtigsten Bankenaufsichtsstellen in den USA, warnte persönlich davor, dass die Banken beim Hochtreiben ihrer Profite die Risiken unterschätzten. Zu viele Eier sind derzeit im gleichen Korb: «Wenn der Telekom-Korb bricht, so zerbrechen auch die Banken», urteilt der «Economist».
Von einer Megakrise ist der Junkbond-Bereich bisher verschont geblieben, aber «der Markt ist seit dem Frühling auf ärmlichem Niveau», wie die Junkbond-Abteilung von Merrill Lynch konstantiert. Die Kreditrisiken haben sich vielerorts extrem verschlechtert. Die neue CS-Tochter DLJ hat sich stark exponiert und solche Anleihen auch in ihre Eigenbestände genommen.
Das Timing des Kaufs von DLJ ist von den meisten Analysten als wenig gelungen bezeichnet worden. Die CS werde just in dem Moment Weltmarktleader, wo sich die Situation dramatisch verschlechtert habe, wurde weitherum moniert. Im September kursierten am Markt Gerüchte um ein Milliardenloch mit Junkbonds, die allerdings von Mühlemann klar dementiert wurden. In einem Pressecommuniqué von Mitte November wies die CS nochmals ausdrücklich darauf hin, «keine nennenswerten Schwierigkeiten» im Junkbond-Bereich zu haben. Auch wenn sowohl DLJ als auch CSFB in der Branche einen guten Ruf als Risikomanager haben, so bleibt die Unsicherheit im Markt.
Nicht gut für die Risikostruktur der Gruppe ist auch die strikt dezentrale Strategie, nach der Mühlemann die CS-Gruppe führt. Die CS ist – im Gegensatz etwa zur Konkurrentin UBS – eine Holding. Unter ihrem Dach gruppiert sie starke Einzelfirmen wie das Investmentbanking unter dem Label CSFB, das Geschäft mit dem institutionellen Kunden unter CS Asset Management, das Geschäft mit der vermögenden Privatkundschaft unter CS Private Banking sowie das Retail- und Versicherungsgeschäft unter CS Financial Services (siehe «CS Group – vier unterschiedlich starke Geschäftseinheiten» auf Seite 46). Alle diese Bereiche werden von starken CEO geführt, wobei der wichtigste sicher CSFB-Chef Allen Wheat ist.
Mühlemann lässt den Repräsentanten der einzelnen Bereiche viel Freiraum, sogar zu viel, wie Kritiker meinen. So soll Wheat den Kurs der CSFB praktisch eigenständig bestimmen. Nicht als First Boston, sondern als «Wheat First» bezeichnen viele Banker an der Wall Street die CSFB. Nicht nur Chef Wheat, auch andere Schlüsselfiguren agieren weitgehend losgelöst von der Schweizer Zentrale. «Unguided missiles» (ungelenkte Geschosse) nenne man die CSFB-Stars intern, erzählt eine ehemalige CSFB-Mitarbeiterin aus New York.
Die CSFB gilt durch ihre Eigenständigkeit als Firma in der Firma, das Quattrone-Team nochmals als Firma in der Firma in der Firma. «Das ist wie die russische Babuschka-Puppe, in der sich immer eine noch kleinere Puppe versteckt», so der Bankenanalyst Bryan Crossley von ABN Amro in London. Die US-Finanzzeitschrift «Bloomberg Markets» verglich die Schachtelkonstruktion bei CSFB jüngst mit der Situation des in den Achtzigerjahren mit Getöse geplatzten Skandals um den Junkbond-König Michael Milken. Auch der arbeitete weitgehend autonom von der Mutter Drexel Burnham Lambert. Als Milken wegen Insidervergehen ins Gefängnis musste, brach dies der Mutter das Genick – sie ging in Konkurs. Die Reste des milkenschen Junkbond-Imperiums landen nun via DLJ bei der CSFB.
Dabei ist es durchaus branchentypisch, dass im Investmentbanking Stars das Geschehen bestimmen. Doch kein Institut lässt ihren Einzelteilen dermassen viel Eigenständigkeit. Andere Firmen wie Morgan Stanley oder Lehman Brothers arbeiten strikt nach der «one firm»-Philosophie und vernetzten ihre Starplayer und Firmenteile systematisch.
Die CS indes hat mit Quattrone jüngst nicht nur einen neuen Dreijahresvertrag abgeschlossen und ihm schätzungsweise 40 Millionen Dollar jährlich als Gehalt zugesprochen. Sie hat ihm auch erneut die Eigenständigkeit zugesichert. Versehen mit eigenem Budget, kann Quattrone nach Gutdünken seine beliebten Kundenmeetings und Golf-Plauschturniere rund um die Welt veranstalten, First Class herumjetten und in Fünfsternhotels logieren. Für die Abwerbung von Quattrone und seinem Team 1998 von der Deutschen Bank sollen gerüchteweise 225 Millionen Dollar bezahlt worden sein. Dies ist einmalig, nicht nur für die CS, sondern auch für die Exzesse wahrlich gewohnte Wall Street.
Ebenfalls seine Schäfchen bereits im Trockenen soll CSFB-Chef Allen Wheat haben, der die jedes Jahr im Februar losgehenden Bonusdiskussionen bei der CS wiederholt damit anheizte, dass er sich selbst den grössten Beitrag zuschaufelte. Mindestens hundert Millionen Dollar soll Wheat seit seinem Einstieg 1990 bei der CS kassiert haben. Kein Wunder, fällt zwei ehemaligen CSFB-Konzernleitungsmitgliedern auf die Frage nach den typischen Merkmalen von Wheat übereinstimmend als Erstes «geldgierig» ein.
Bonus-Exzesse setzen einen gefährlichen Trend in Gang, vor allem für eine Bank wie die CSFB, deren Personalkosten allein in diesem Jahr um rund 30 Prozent angestiegen sind und damit zum absolut grössten Ausgabenwachstum der gesamten CS-Gruppe beitrugen. «Die Idee, spezielle Verträge mit Topleuten abzuschliessen und es immer und immer wieder zu tun, hat sich bisher als desaströs erwiesen», sagt Roy Smith, Professor an der New-Yorker Business School, der als ehemaliger Partner der Investmentbank Goldman Sachs auch persönlich eng mit der Branche vertraut ist. Das führe zu Missmut in der Gruppe und mache aus Divisionsleitern schliesslich «loose cannons». Der einzige Grund, warum ein Firmenchef solche Verträge eingehe, sei, «dass er keine andere Wahl hat».
Dies trifft besonders für Lukas Mühlemann zu. Denn sowohl Wheat als auch Quattrone wissen, was die Schweizer ihnen zu verdanken haben. Wheat war es, der in den frühen Neunzigerjahren mit dem Aufbau des hochprofitablen Derivatehauses CS Financial Products Hunderte von Millionen für die CSFB erwirtschaftete und sie 1994 gar vor einem Verlust rettete. Er hat die CSFB zudem in der Rangliste der Investmenthäuser Schritt für Schritt nach vorne gebracht. Und Quattrone war es, der mit seinen lukrativen Tech-Deals die hohen Vorgaben, die sich Mühlemann selbst bei seinem Amtsantritt 1997 gesetzt hatte, möglich machte.
Dass Mühlemann seine Stars an einer so langen Leine führt, liegt nicht nur am Unabhängigkeitsstreben von Wheat, Quattrone und Co., sondern auch am Schweizer Chef selbst. Anders als sein Vorgänger auf dem Präsidentenstuhl, Rainer E. Gut, hat Mühlemann in den USA nicht den Ruf eines Senior-Bankers. Es gehört zum Stil an der Wall Street, dass die angelsächsischen Banker ihren Kollegen aus Europa nicht viel zutrauen und dies auch offen zeigen. «War der nicht einmal bei Arthur Andersen?», wird über den Ex-McKinsey-Chef Mühlemann gerne etwas abschätzig gewitzelt.
Vorgänger Gut wagte 1993 noch den offenen Konflikt mit seinen Starbankern, als er die exorbitanten Boni der New-Yorker CSFB-Mannen zurückstutzen wollte. Er hat damit zwar die Bonuskultur bei CSFB nicht wirklich brechen können, aber sich doch zumindest vor Ort Respekt verschafft. Mühlemann geniesst dieses Ansehen nicht in gleichem Mass. Mühlemann selber sieht im grossen Ego seiner Key-Player kein Problem: «Ich möchte, dass sie sich verhalten und fühlen wie eine Top-Investmentbank. Ich denke, wir sind nahe daran, in diese Gruppe vorzustossen.»
Heute wissen viele Banker an der Wall Street gar nicht, dass der oberste Chef der CSFB ein Schweizer ist. CSFB ist in den Augen der Branche vor allem einer: CEO Allen Wheat. Der Mann aus New Mexico, 52 Jahre alt, Harley-Davidson-Fan, immer braun gebrannt, seinen knapp 175 Zentimeter grossen Körper in Massanzüge gehüllt, direkt und schnörkellos im Umgang, mit rauem Witz und unerbittlichem Urteil, ist klar die starke Figur im CS-Konglomerat. Als DLJ mit der CS fusionieren wollte, rief deren Chef Joe Roby zuerst Wheat und nicht Mühlemann an.
Wheat gilt als geschickter, aber auch unzimperlicher Geschäftemacher. Viele seiner Kaderleute folgen ihm bewundernd und kopieren seinen Stil, etwa wenn sie wie er die Krawatte beim Essen über die Schulter zurückschlagen. Besonders nahe steht Wheat sein Aktienchef Brady Dougan, der intern bereits als Kronprinz gilt. Die beiden CSFB-Topmanager sind auch privat eng verbandelt: Wheat war Trauzeuge an Dougans Hochzeit.
Manchmal laufen die forschen CSFB-Mannen aber auch aus dem Ruder, getrieben vom Ziel einer immer höheren Performance. 1998 strauchelten gleich zwei von Wheats Wonder-Boys. Immobilienchef Andrew Stone belehnte seine Objekte über jegliches vernünftige Mass hinaus, was zu Verlustrückstellungen von 250 Millionen Dollar und zur Entlassung des Kadermanns führte. Andy Ipkendanz setzte als Debt-Trader in Russland 1,3 Millarden Dollar in den Sand (siehe BILANZ 3/1999: «Russisches Loch»).
Stone war wie heute Frank Quattrone auf Provisionsbasis bezahlt. Er amtete ähnlich frei. «Wenig Aufsicht» ortete der «Institutional Investor» bei Stone und zitierte einen von Stones Mitstreitern: «Das oberste Management hatte nicht recht im Griff, was wir taten.» Die CSFB musste 1998 ein Minus von über 200 Millionen Franken ausweisen. Einmal mehr bestätigte sich das Urteil, dass im Investmentbanking in guten Zeiten die Banker von den Boni profitieren, in schlechten Zeiten aber der Aktionär die Zeche bezahlt.
1999 ging die Serie der Pannen bei CSFB weiter. Zuerst waren da ein paar feuchtfröhliche Londoner CSFB-Händler, die sich selbst nach ihrem Lieblingsdrink «Flaming Ferraris» nannten und unautorisierte Börsengeschäfte in Schweden tätigten. Die schwedische Börse büsste die CSFB.
Im Sommer des gleichen Jahres stürmten japanische Polizisten das CS-Hochhaus auf den Shiroyama Hills in Tokio, um bei der CS Financial Products eine Razzia durchzuführen. Das Institut hatte Kunden illegal geholfen, Verluste zu verstecken. CSFP wurde definitiv geschlossen, der zuständige Abteilungsleiter Shinji Yamada unter Anklage gestellt.
Auch wenn die Strafe von praktisch allen Beobachtern als hart und übertrieben gewertet wurde, so war der Imageschaden doch da. Die CS gab zu, keine kohärente Strategie in Japan zu verfolgen. Die ehemalige CSFB-Managerin Hitomi Gambe erzählte dem Gericht von «einer Atmosphäre laxer Aufsicht». Eine «zu riskante, zu bonusorientierte Situation» sieht Heinrich Wiemer, Bankenspezialist bei der Bank Sal. Oppenheim, als Mitgrund für den Skandal in Japan. Für den Erfolg geht die CSFB, so scheint es, bis an die Grenzen.
Die CS-Gruppe steht nicht erst seit dem Einstieg von Shareholder-Value-Prediger Martin Ebner, dessen BZ Gruppe derzeit zehn Prozent der CS-Aktien besitzt, unter Erfolgsdruck. Mühlemann hat mit einem Return on Equity von derzeit rund 20 Prozent seine Vorgaben erfüllt. Die Frage ist aber, ob er das Risikoprofil der Gruppe dafür zu weit ausgereizt hat.
Gemeinsames Ziel von Wheat und Mühlemann ist es, die CSFB im exquisiten Kreis der vier oder fünf Marktführer im Investmentbanking zu platzieren. Die Serie von Pannen werfe die Frage auf, wie viel Risiko die CSFB dafür einzugehen bereit sei, meinte die Presse. «Ohne Zweifel hat die CSFB eine Kultur des Risiko-Eingehens», urteilt der «Economist». «Aber das Risiko muss kontrolliert werden.»
Gefahr droht vor allem, wenn einmal schlechtere Zeiten kommen. Der Börsenboom seit 1990 hat der Branche eine einmalig gute Gelegenheit zum Gewinnschaffen gegeben. Der Firmenteppich, den die CS-Gruppe derzeit bildet, dürfte in den Nähten gehörigem Druck ausgesetzt sein, wenn die Gewinne einmal nicht mehr dermassen üppig fliessen. Fraglich ist, ob die Gruppe all die starken Einzelpersonen, auf die sie derzeit setzt, auch in schlechteren Zeiten halten kann, denn die lose Struktur trägt nicht gerade zu einer Firmenidentität bei. Lockt anderswo mehr Geld, sind die Stars deshalb schnell bereit auszufliegen. Immer wieder kommt das Gerücht auf, Wheat stehe kurz vor dem Absprung.
Die guten Zeiten überdecken zudem noch eine andere Schwachstelle von Mühlemanns dezentraler Strategie: Noch immer werden die möglichen Synergien zu wenig genutzt. «Wie lässt sich das Synergiepotenzial überhaupt nutzen, wenn überall derart starke und unabhängige CEO vorhanden sind», fragt sich ein ehemaliges Geschäftsleitungsmitglied der CS-Gruppe. Der langjährige CS-Mann sieht grundsätzliche Mängel: «Die Frage ist, ob Mühlemanns Strategie für einen integrierten Finanzdienstleistungskonzern überhaupt die richtige ist.»
Selbst Wheat scheint sich der Situation bewusst zu sein. Am letztjährigen Managementmeeting in Florida rechnete er vor, dass seine 484 Topmanager jährlich im Schnitt nur 2,7 Millionen Dollar erwirtschafteten, während es die Topleute beim Konkurrenten Goldman Sachs auf 4,5 Millionen jährlich brächten. Die Ursache sah er explizit darin, dass die CSFB Chancen verpasst habe, weil man untereinander nicht genug zusammenarbeite.
Noch längst nicht alle möglichen Synergien werden auch andernorts in der CS-Gruppe genutzt. Im Allfinanz-Bereich etwa ist seit dem Zusammenschluss der CS und der «Winterthur» auf der Produktebene lange Zeit fast gar nichts gelaufen. «Gewaltig im Rückstand» sei man mit der Realisierung gemeinsamer Finanzprodukte für die Kunden, ärgert sich ein Insider.
Nun sollen allerdings die Schritte, die «Winterthur» enger an die Konzernzentrale zu binden, forciert werden (siehe «Im Trippelschritt zur Allfinanz» auf Seite 44). «Winterthur»-CEO Thomas Wellauer, bereits vor mehreren Monaten zum Chef des neuen Bereichs Financial Services ernannt, soll unter dem neuen Dach Versicherungs- und Bankkunden gleichermassen anpeilen. Konsequent zu Ende gedacht, muss er bei dieser Strategie schrittweise mehr Einfluss auf das Geschäft mit der vermögenden Privatkundschaft nehmen. Ob dies dem zuständigen Leiter, Private-Banking-Chef Oswald Grübel, ebenfalls eine starke Figur, gefällt, ist indes eine andere Frage. Hier liegt Konfliktpotenzial verborgen.
Als weiteres Zeichen der engeren Verbundenheit wurde die Presseverantwortlichkeit Anfang November von Winterthur nach Zürich verlegt. Nicht umsonst ist «die verstärkte Integration der ‹Winterthur›-Geschäftseinheiten in die Asset-Gathering-Strategie» eines der drei Hauptziele, die Finanzchef Ryan für die Zukunft formuliert. Die anderen beiden sind die Vollendung der Übernahme von DLJ, ein Prozess, der derzeit auf gutem Weg ist, sowie «der Ausbau des Geschäfts mit vermögenden Privatkunden in ausgewählten europäischen Märkten». Im Zentrum stehen dabei – nach dem Testmarkt Italien – Deutschland, Spanien und Grossbritannien. Auch ein Wachstum im Lebensversicherungsbereich schliesst Ryan in diese Pläne ein. Weiter forciert wird das E-Banking.
Wachsen wolle man auch durch gezielte Akquisitionen. Mögliche Übernahmekandidaten oder Fusionspartner wollte Ryan nicht verraten, betonte aber, dass die gerüchteweise herumgebotenen deutschen Institute Commerzbank oder Dresdner Bank nicht im Vordergrund stünden. Zu den Gerüchten um den Kauf der Rentenanstalt wiederholt Ryan die CS-Position, wonach das CS-Paket an der Rentenanstalt eine «Finanzinvestition» sei und eine Verschmelzung von «Winterthur» und Rentenanstalt wohl Probleme mit der Wettbewerbskommission ergäbe.
Im dritten Quartal dieses Jahres konnten alle CS-Geschäftsbereiche zulegen – ausser CSFB. Mühlemann wäre gut beraten, die erfolgreichen Bereiche Private Banking oder CS Financial Services weiter auszubauen, denn dies würde den Anteil des Investmentbankings am Gesamtgeschäft wieder etwas zurückstutzen. Dem Risiko wäre er, relativ gesehen, so wieder etwas weniger ausgesetzt. Und dies wäre angesichts der steigenden Unsicherheit bei CSFB genau das, was dem zwar schnell fahrenden, doch mitunter arg schwankenden CS-Boot wieder mehr Stabilität verliehe.
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