Mehr Rechtssicherheit, neue Möglichkeiten zur Steueroptimierung, aber auch einige Einschränkungen: Das bringt der letzte Umsetzungsschritt der ersten BVG-Revision am 1. Januar 2006. BILANZ macht hier auf die wichtigsten Neuerungen aufmerksam und gibt Arbeitgebern und Versicherten Tipps für den richtigen Umgang damit. Doch nicht alles, was das neuerliche Verordnungspaket an Regelungen vorsieht, müssen die Vorsorgeeinrichtungen auch einführen. Deshalb haben wir bei den grössten 20 Pensionskassen der Schweiz nachgefragt, welche der Optionen sie ihren Versicherten künftig bieten.

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Erhöhung des Mindestalters für eine vorzeitige Pensionierung

Wider besseres Wissen und dem Protest von Arbeitgebern und Arbeitnehmerorganisationen zum Trotz hat der Bundesrat das Mindestalter für eine vorzeitige Pensionierung auf 58 Jahre erhöht. Viele Pensionskassen operierten bisher mit einem tieferen Frühpensionierungsalter und müssen es nun nach oben korrigieren. Betroffen sind unter anderem die Pensionskassen von ABB, Credit Suisse, Migros, Swiss Re, UBS und Basel-Stadt sowie die Sammelstiftungen der grossen Versicherer «Zürich» und «Winterthur»-Columna. Als Übergangsfrist gesteht ihnen der Gesetzgeber fünf Jahre zu. Dabei stört nicht nur der staatliche Eingriff in die individuelle und unternehmerische Gestaltungsfreiheit. Hinzu kommt nämlich, dass der Bundesrat diesen wichtigen sozialpolitischen Entscheid auf Verordnungsebene getroffen hat. Das Parlament konnte sich dazu nicht einmal äussern.

Vorfinanzierung von vorzeitigen Alterspensionierungen
Wer sich vorzeitig pensionieren lässt, erhält weniger Rente. Künftig können Versicherte diese Leistungseinbusse verhindern und zusätzliche Einzahlungen für die vorzeitige Pensionierung tätigen. Dies ist sogar unabhängig von bereits erfolgten Einkäufen der vergangenen Beitragsjahre möglich. Neben dem verbesserten Renteneinkommen eröffnen sich mit diesen Einzahlungen weitere Möglichkeiten, Steuern zu sparen. Falls die vorzeitige Pensionierung schliesslich gar nicht beansprucht wird, ist die Einkaufshöhe allerdings limitiert. Denn das ursprüngliche Leistungsziel darf dann nur um maximal fünf Prozent überschritten werden.

Tipp: Damit die Fünf-Prozent-Limite nicht überschritten wird, empfiehlt sich für
Pensionskassen folgende Reglementsbestimmung: Der Einkauf für vorzeitige Pensionierung ist grundsätzlich auf fünf Prozent der Altersleistungen beschränkt. Erst wenn die vorzeitige Pensionierung feststeht, können sich die Versicherten für den Restbetrag einkaufen.

Mehr als die Hälfte der befragten Pensionskassen bieten ihren Versicherten die Möglichkeit, sich für eine vorzeitige Pensionierung einzukaufen.

Möglichkeit der Wahl zwischen Vorsorgeplänen

Bis zu drei Vorsorgepläne dürfen Pensionskassen ihren Versicherten künftig zur Auswahl vorlegen. Während der Beitragssatz des Arbeitgebers immer gleich hoch sein muss, können die Versicherten tiefere Beitragssätze wählen. Somit beschränkt sich die freie Wahl auf die freiwillige Verschlechterung des Vorsorgeschutzes.

Interessant ist diese Variante einzig für junge Versicherte, die noch möglichst
wenig Geld in ihre Vorsorge investieren wollen. So führen auch nur die Pensionskassen von ABB und Swisscom diese Neuerung ein.

Wahl der Anlagestrategie

Kaderkassen, die Lohnteile über 116 100 Franken versichern, dürfen ihren Versicherten künftig unterschiedliche Anlagestrategien anbieten. Die Pensionskasse der ABB praktiziert dieses Modell seit längerem und erhält nun definitiv die Legalisierung dafür. Alle anderen befragten Pensionskassen verzichten auch künftig auf dieses Modell. Die Versicherten der CS können lediglich das Einkaufskapital für ihre vorzeitige Pensionierung nach eigener Wahl anlegen.

Maximal versicherter Lohn

Die Limite für das versicherte Lohnmaximum liegt künftig bei 774 000 Franken für die Gesamtheit der versicherten Einkommen. Wer also bei mehreren Pensionskassen angeschlossen ist, muss alle Löhne zusammenzählen.

Einschränkungen bei den Einkäufen

Mittels Einkäufen in die berufliche Vorsorge können Versicherte vorhandene Beitragslücken schliessen. Dies schafft den Ausgleich zwischen dem tatsächlich vorhandenen Vorsorgekapital und dem maximal in der Pensionskasse möglichen Sparvolumen. Der Einkauf von Versicherungsjahren ist steuerlich begünstigt, das heisst, die privaten Einzahlungen können vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Heute gelten für diese Einkäufe noch altersabhängige Limiten, die ab nächstem Jahr jedoch wegfallen.

In den letzten Jahren haben sich viele Versicherte das Kapital kurz nach dem Einkauf wieder auszahlen lassen – anlässlich der Pensionierung oder zur Amortisation einer bestehenden Hypothek. Die Einkäufe waren steuerfrei, und das Kapital wurde nur zum Vorzugssatz für Vorsorgeleistungen besteuert. Diese Optimierungsmöglichkeit war der Steuerverwaltung ein Dorn im Auge, und deshalb gibt es nun die neuen einschränkenden Bestimmungen. Getätigte Einkäufe dürfen nicht sofort wieder in Kapitalform bezogen werden, die Wartezeit dafür beträgt drei Jahre.

Die zweite Einschränkung betrifft die Kombination aus Einkäufen und Kapitalbezug für Wohneigentumsförderung. Versicherte, die ihre Pensionskassengelder zur Finanzierung von Wohneigentum einsetzen, dürfen erst wieder Einkäufe tätigen, wenn sie ihre Vorbezüge zurückbezahlt haben.

Hier gibt es zwei Ausnahmefälle: Vorsorgelücken, die durch die Teilung des Vorsorgekapitals bei einer Ehescheidung entstanden sind, unterliegen diesen Einschränkungen nicht. Dasselbe gilt, wenn die gesetzlichen Bestimmungen eine Rückzahlung des Wohneigentumsvorbezugs nicht zulassen. Dies ist dann der Fall, wenn das Pensionierungsalter in weniger als drei Jahren erreicht wird. In beiden Fällen können weitere Einkäufe getätigt werden.

Tipp I: Die Sperrfrist von drei Jahren bezieht sich nur auf den Einkaufsbetrag. Verfügt ein Versicherter zum Beispiel über 600 000 Franken Vorsorgekapital und kauft sich für 100 000 Franken ein, so kann er anlässlich seiner Pensionierung immer noch 600 000 Franken in Kapitalform beziehen. Dies gilt analog für den Wohneigentumsvorbezug.

Tipp II: Versicherte, die drei Jahre oder weniger vor der Pensionierung stehen, können sich trotz Wohneigentumsvorbezug weiter einkaufen. Wenn ihre Pensionskasse dies vorsieht, ist sogar zusätzlich ein Einkauf für die vorzeitige Pensionierung möglich.

Tipp III: Versicherte, die einen Wohneigentumsvorbezug getätigt haben und sich weiterhin einkaufen möchten, können dies im laufenden Jahr noch uneingeschränkt tun. Für Einkäufe, die im Jahr 2005 getätigt werden, läuft die Sperrfrist von drei Jahren für den Kapitalbezug noch nicht. Dies gilt sowohl für Wohneigentumsvorbezug wie auch für ordentliche Pensionierungen.

Als weitere Möglichkeit können Versicherte den Wohneigentumsvorbezug mittels Finanzierung via Hypothek zurückzahlen. Danach können sie sich weiter einkaufen.

Beispiel: Ein Versicherter hat vor ein paar Jahren ein Haus gekauft und hierfür 200 000 Franken Pensionskassenkapital benötigt. Unterdessen ist der Wert seines Hauses gestiegen, und er kann seine Hypothek um 200 000 Franken aufstocken. Mit diesem Betrag bezahlt er seinen Wohneigentumsvorbezug zurück. Gleichzeitig erhält er – allerdings nur auf Gesuch hin – seine bezahlten Steuern zurück. Nun kauft sich der Versicherte weiter ein, mit je 50 000 Franken in den nächsten beiden Jahren. Danach wartet er drei Jahre ab und macht wieder einen Vorbezug zur Amortisation seiner Hypothek in der Gesamthöhe von 300 000 Franken.

Weitere Bestimmungen zum Einkauf

Künftig müssen in die Berechnung des höchstmöglichen Einkaufs auch Freizügigkeitskonti oder -policen einbezogen werden, die noch nicht an die Pensionskassen überwiesen wurden. Dies gilt auch für Versicherte, die einmal selbstständig tätig waren und dabei über eine Säule 3a verfügten. Gemäss Gesetzestabelle muss der überschüssige Anteil an die Einkaufsmöglichkeiten angerechnet werden. Verantwortlich für die korrekte Information ist der Versicherte, denn eine allfällige Aufrechnung des Einkaufsbetrags bei den Steuern betrifft nur ihn.

Zuzüger aus dem Ausland, die zum ersten Mal in einer Pensionskasse versichert sind, dürfen sich in den ersten fünf Jahren nur mit maximal 20 Prozent ihres versicherten Lohns einkaufen. Erst nach dem Ablauf dieser Frist kann ein Einkauf in die vollen reglementarischen Leistungen erfolgen.

Angemessenheit der Vorsorge

Viele Diskussionen mit den Steuerbehörden löste bisher die Frage nach der Angemessenheit der Vorsorge aus. Nun liegen klare Richtlinien vor: Ein Vorsorgeplan gilt als angemessen, wenn die reglementarischen Leistungen 70 Prozent des letzten AHV-Lohns nicht überschreiten. Oder dann, wenn die gesamten Sparbeiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber maximal 25 Prozent der AHV-Lohnsumme betragen. Diese Regelung liefert Unternehmen und Steuerpflichtigen eine klare Handhabe, um gegen allfällige Aufrechnungen von Beiträgen bei den Steuerbehörden vorzugehen.

Tipp: Die Angemessenheit der Vorsorge bezieht sich auf das gesamte Unternehmen. So dürfen die Altersgutschriften für einzelne – zum Beispiel ältere – Versicherte über der 25-Prozent-Grenze liegen.

Klare Kriterien für den Kollektivitätsbegriff

Geschäftsleistungsversicherungen sind bei Unternehmen beliebt, bei den Steuerbehörden weniger. Deshalb gab es oftmals Unstimmigkeiten über die Zulässigkeit solcher Versicherungen, denn Voraussetzung dafür ist ein so genanntes Kollektiv. War bisher unklar, wann welche Personengruppe als Kollektiv gegolten hat, gibt es nun eine eindeutige Definition dafür. Wenn sich ein Kollektiv nach objektiven Kriterien zusammensetzt – zum Beispiel nach der Anzahl der Dienstjahre, der ausgeübten Funktion, der hierarchischen Stellung im Betrieb, dem Alter oder der Lohnhöhe –, so ist ein eigener Vorsorgeplan dafür zulässig.

Tipp: Mit der klaren Definition der Kollektivität sind künftig zum Beispiel auch Vorsorgelösungen für einzelne Geschäftsleitungsmitglieder möglich. Voraussetzung ist, dass gemäss Reglement die Aufnahme weiterer Personen grundsätzlich möglich ist – also eine virtuelle Kollektivität.

Einhaltung des Versicherungsprinzips

In der Vergangenheit bestanden die Steuerbehörden immer darauf, dass nebst dem Alterssparen ein beträchtlicher Teil der Prämie für die Risiken Tod und Invalidität aufgewendet wurde. Neu gilt das Versicherungsprinzip bereits als eingehalten, wenn mindestens sechs Prozent der Prämien für die Finanzierung der Risiken Tod und Invalidität bestimmt sind. Auch diese Berechnung kann kollektiv erfolgen, das heisst, diese Bestimmung muss nicht für jeden einzelnen Versicherten erfüllt sein.

Tipp: Für die Berechnung des Versicherungsprinzips gelten die Aufwendungen pro Pensionskasse. So ist es zum Beispiel möglich, in derselben Pensionskasse einen Basisplan mit hohen Risikoleistungen zu führen und zugleich einen Kaderplan ohne Risikoleistungen.

Anlagen beim Arbeitgeber

Die ungesicherten Anlagen beim Arbeitgeber müssen drastisch reduziert werden, nämlich von 20 auf 5 Prozent des Vermögens. Besonders stark von dieser Einschränkung betroffen sind patronale Stiftungen, die nur zu Finanzierungs- oder Wohltätigkeitszwecken errichtet worden sind.

Tipp: Das BVG sieht im Gegenzug die so genannte Erweiterung der Anlagemöglichkeiten vor. Diese dürfen gestützt auf ein Anlagereglement, einen fachlich abgesicherten Bericht mit stichhaltigen Argumenten oder einen Beschluss des Stiftungsrats vorgenommen werden. So kann der Stiftungsrat durchaus beschliessen, die Anlagen beim Arbeitgeber bei 20 Prozent zu belassen. Allerdings ist auch hier wie bisher die Vorschrift einzuhalten, dass das Vermögen, das zur Deckung von Vorsorgeleistungen dient, auf keinen Fall ungesichert beim Arbeitgeber angelegt werden darf.

Ab 2006 besteht also in der beruflichen Vorsorge mehr Rechtssicherheit dank klaren Regeln. Dies führt zu zahlreichen Einschränkungen, doch – entsprechendes Know-how vorausgesetzt – bleibt immer noch genügend Freiraum für attraktive und dennoch legale Steueroptimierungen.