Nichts ist nichts. Einen Taschenrechner braucht das künftige Rentnerpaar Susanne und Walter P. wohl nicht mehr. Denn das Nullzinstief in der Schweiz breitet sich immer stärker aus. Ist bei Schweizer Staatsanleihen und Obligationen von Firmen mit Top-Bonität schon lange nichts mehr zu holen, bringen jetzt auch einzelne Vorsorgeinstrumente immer weniger ein: In den vergangenen zwölf Monaten hat sich die durchschnittliche Rendite der 3a-Vorsorgekonti auf 0,6 Prozent halbiert. Und bei der J. Safra Sarasin Freizügigkeitsstiftung gibt es bereits seit Ende Januar überhaupt keinen Zins mehr. Was sollen Susanne und Walter P. noch rechnen?
Doch im wolkenverhangenen Nullzinstief tut sich eine Lücke auf. Ja genau, eine nützliche Lücke hinauf zur Renditesonne. Lücken in der Pensionskasse nämlich. Sie ermöglichen aktuell überaus attraktive Einkäufe, die höchst einträgliche Renditen einbringen. Gewinne, wie sie mit andern Anlagen kaum mehr möglich sind. Mittelfristig wahrscheinlich nicht einmal mehr mit Aktien, die inzwischen doch eher hoch bewertet sind. Und die Renditen mit Einkäufen in die Pensionkasse sind zugänglich für den Grossteil der in der zweiten Säule versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Einkauf drei bis zehn Jahre vor Pensionierung
Unbestreitbar ist das Vorsorgegeld für die meisten Schweizerinnen und Schweizer der mit Abstand grösste Vermögensposten. Die Einflussmöglichkeiten bei diesen Mitteln sind deutlich grösser, als den meisten Vorsorgenehmerinnen und -nehmern bekannt ist. Dies in erster Linie im überobligatorischen Bereich der zweiten und in der dritten Säule.
Der einfachste Weg zur Steigerung des Anlegerwohls sind Nachzahlungen in die Pensionskasse. Im Vergleich zu null Zinsen auf Sparkonten und negativen Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen bietet die Mindestverzinsung von Pensionskassengeldern von 1,75 Prozent schon beachtliche Gewinne. Werden die steuerlichen Vorzüge dazugerechnet, resultieren Traumrenditen. «In Zeiten von äusserst mageren Zinsen sowie hohen Aktien- und Immobilienbewertungen ist ein freiwilliger Einkauf in die PK ohne Zweifel sehr attraktiv», erklärt Jörg Odermatt, Leiter des Vorsorgeberatungsunternehmens PensExpert. Wie attraktiv dieser Weg sein kann, zeigt er an einem Zahlenbeispiel.
Das Fazit von Jörg Odermatt: Wer auf einen möglichen Einkauf verzichtet, müsste einen Anlageertrag von rund zehn Prozent erzielen, um nach zehn Jahren auf das gleiche Kapital zu kommen wie mit einer PK-Nachzahlung. Eine wohl illusorische Performance. Es ist nicht zuletzt der Steuervogt, der dafür sorgt, dass Pensionäre ihre Renten so vorteilhaft aufpeppen können:
• Erstens können diese Nachzahlungen eins zu eins vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden.
• Zweitens werden auf den Zins- und Dividendenerträgen der PK-Anlagen keine Steuern erhoben.
• Wer sich drittens das (zusätzliche) PK-Kapital bei seiner Pensionierung auszahlen lässt, wird zum vorteilhaften Rentensatz besteuert.
Besonders attraktiv sind Nachzahlungen, wenn sie drei bis zehn Jahre vor der Pensionierung erfolgen. Je früher einbezahlt wird, desto stärker verwässert sich sonst der Steuerspareffekt. Und mit einem Anlagehorizont von 20 und mehr Jahren sind mit Risikoanlagen wie Aktien die Renditechancen nachweislich klar am grössten.
«Einverstanden, bei einer gesunden Pensionskasse mit einem Deckungsgrad von mindestens 100 Prozent ist eine PK-Einzahlung in der Tat eine prüfenswerte Alternative», geben die Vorsorgeexperten der UBS zu Protokoll. Axa-Sprecherin Bettina Steiner und VZ-Pensionskassenexperte Sven Pfammatter halten den Daumen ebenfalls nach oben: «Nachzahlungen in die Pensionskasse dürfen derzeit gewiss zu den besten Anlagen gezählt werden, wenn das Risiko und die hohe Sicherheit der Pensionskassenanlagen in Betracht gezogen werden. Dies vor allem, wenn man noch die mögliche Steuerersparnis mitberücksichtigt.»
So funktioniert es praktisch
Nichts wie los, wird sich da mancher Vorsorgenehmer sagen und sich flugs auf die Suche nach brachliegendem Flüssigem machen. Schliesslich geht der freiwillige Pensionskasseneinkauf sehr einfach vor sich. Ähnlich einfach wie beim Einzahlen in die Säule 3a. Man verlangt bei der eigenen Pensionskasse ein Formular sowie einen Einzahlungsschein. Sind die Formalien erledigt, kann die freiwillige Einzahlung vorgenommen werden. Die PK-Bestätigung über die einbezahlte Summe dient dann dazu, den Steuerabzug geltend zu machen. Das alles ist rasch erledigt. Die Hindernisse liegen anderswo:
• Einzahlen kann nur, wer in seiner PK eine sogenannte Vorsorge- oder Deckungslücke aufweist. Eine solche entsteht beispielsweise durch einen Stellenwechsel oder einen Auslandaufenthalt. Häufig, aber leider nicht in allen Fällen, geht aus dem Pensionskassenausweis hervor, wie gross die allfällige Vorsorgelücke ist. Sonst muss man bei der jeweiligen Pensionskasse nachfragen.
• Eine Reihe von Vetos kommt sodann vom Gesetzgeber. Wer einen Teil des PK-Kapitals für Wohneigentum bezogen hat, muss beispielsweise zuerst diesen Vorbezug zurückzahlen, bevor freiwillige Einzahlungen wieder möglich sind. Gesetzliche Einschränkungen gibt es auch beim Zuzug aus dem Ausland oder nach einer Scheidung.
• Sinn machen Nachzahlungen logischerweise nur bei Vorsorgekassen, die auf gesunden Beinen stehen. Konkret bedeutet dies, dass sie einen Deckungsgrad von 100 Prozent oder mehr aufweisen sollten. Gefährlich wird es speziell bei Deckungsgraden von unter 90 Prozent. Dann besteht eine Unterdeckung, und die Kasse muss saniert werden. Dies heisst in der Regel, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusätzliche Beiträge leisten müssen. Eine wichtige Rolle spielt auch der von der PK verwendete technische Zinssatz. Wird dieser unrealistisch hoch angesetzt, ergibt sich ein beschönigter Deckungsgrad.
Die Sache mit den Töpfen
Wenn Einkäufe aber möglich und sinnvoll sind, dann lohnt es sich, noch einige Detailfragen abzuklären. Vor allem die Sache mit den Töpfen. Sehr viele Pensionskassen führen nämlich für den obligatorischen Teil der betrieblichen Vorsorge (BVG) und den überobligatorischen Bereich verschiedene Töpfe. Für den obligatorischen Topf gelten die gesetzlich vorgeschriebene Mindestverzinsung (aktuell: 1,75 Prozent) und der ebenfalls gesetzlich vorgegebene Umwandlungssatz (aktuell: 6,8 Prozent). Die Leistungen des Überobligatoriums liegen meistens darunter. Derzeit werden die überobligatorischen Gelder im Durchschnitt zwar mit 2,5 Prozent verzinst, der Umwandlungssatz erreicht aber nur noch 5,5 Prozent.
Einkäufe lohnen sich somit speziell dann, wenn das Geld in den obligatorischen Bereich fliesst. In der Praxis ist es allerdings nur ausnahmsweise möglich, den Topf zu wählen. Versuchen sollte man es aber auf jeden Fall. Die Leistungsunterschiede sind zu gross, um einfach die Hände in den Schoss zu legen.
Noch wenig genutzte Möglichkeit
Aufgefordert, etwas zu tun, sind viele, ja sehr viele. Exakte Zahlen, wie viele Versicherte eine Vorsorgelücke aufweisen und wie gross die PK-Lücke insgesamt ist, hat zwar niemand. Eine grobe Schätzung wagt immerhin die UBS: «Wenn man bedenkt, dass in den Vorsorgeeinrichtungen der zweiten Säule rund 800 Milliarden Franken liegen, wird diese Lücke sicherlich im zweistelligen Milliardenbereich liegen.»
«Das kann durchaus stimmen», sagt Iwan Lanz, Vorsorgeexperte bei der Publica, der mit rund 63'000 Versicherten und über 43'000 Rentnern grössten autonomen Pensionskasse der Schweiz. Exakt kann er die möglichen Nachzahlungen beim Vorsorgewerk des Bundes beziffern: Es sind stolze 6,4 Milliarden, also rund 100'000 Franken pro Versicherten. «Nahezu alle unserer Versicherten hätten die Möglichkeit, Nachzahlungen in die Pensionskasse vorzunehmen, viele allerdings nur kleinere Beträge», erwähnt Lanz. Effektiv einbezahlt worden sind in den letzten Jahren hingegen jeweils nur rund 60 Millionen Franken. Der Publica-Experte hält es aber durchaus für möglich, dass dieser Betrag im laufenden Jahr wegen des schwierigen Anlageumfeldes deutlich höher ausfallen wird.
Grosse Werbung für Einkäufe werden die Pensionskassenverantwortlichen nicht machen. Denn die zufliessenden Milliarden sollten ja möglichst bald wieder gewinnbringend angelegt werden. Momentan auch für PK-Anlageprofis eine höchst delikate Aufgabe. Eine Aufgabe jedoch, die sie in den vergangenen zehn Jahren recht gut gelöst haben. Trotz rekordtiefen Zinsen und dem Börsencrash von 2008 erreichten die Schweizer Pensionskassen im Jahresdurchschnitt eine Anlagerendite von rund 4,5 Prozent. Ähnlich hoch war die Rendite in den letzten fünf Jahren. Chapeau.