Vom Taxifahrer zum Milliardär: Der Chinese Liu Yiqian hat geschafft, wovon viele träumen. Und dafür gesorgt, dass eine Porzellantasse mit Hühnermotiv im Jahr 2014 für Schlagzeilen sorgte: Für rund 36 Millionen Dollar sicherte er sich auf einer Auktion von Sotheby’s den Zuschlag für das fragile Stück aus der Chenghua-Ära (1465–1487), das seither als die teuerste Tasse der Welt gilt.

Auch wenn Millionenbeträge für einzelne Porzellanstücke eher selten sind, ist diese Marke in den letzten Jahren immer öfter gerissen worden. Für Rückenwind sorgen dabei unter anderem neue Wohlhabende aus Asien, die sich gegenseitig überbieten und in den letzten Jahren vor allem für Objekte aus unterschiedlichen chinesischen Dynastien wiederholt sieben- bis achtstellige Beträge zahlten. Und auch ein anderes Käuferklientel wirft bei Versteigerungen immer mal wieder überraschend hohe Gebote für Porzellanobjekte in den Raum, die den taxierten Schätzpreis um ein Vielfaches übertreffen.

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Kein Wunder also, dass neben den klassischen Käufern wie Museen, institutionellen Investoren und Sammlerinnen auch immer mehr private Alltagsanleger Porzellan gezielt als Wertanlage in Betracht ziehen und im Markt nach Renditeperlen suchen.

Obwohl Porzellan – das sich primär aus Kaolin, Quarz und Feldspat zusammensetzt – noch immer als «Weisses Gold» bekannt ist, sollten die Risiken bei einem Kauf im hochpreisigen Segment nicht unterschätzt werden, da der Markt mitunter ziemlich unberechenbar ist. «Es gibt Modeströmungen, denn Porzellan ist dem momentanen Geschmack sehr unterworfen, und der ändert sich ständig», sagt Sabine Neumaier, Leiterin der Abteilung Europäisches Porzellan und Keramik beim Auktionshaus Koller.

Die Konsequenz: Statt hoher Gebote erlösen viele Vitrinenschätze nur noch einen Bruchteil vom Kaufpreis. Deutlich zeigt sich das beispielsweise bei klassischen Services, die früher zu einer anständigen Aussteuer zählten, Sammeltassen und Rokokofiguren, deren Preise in den letzten Jahren mitunter deutlich eingebrochen sind.

Die 36-Millionen-Dollar-Tasse hat einen Durchmesser von nur acht Zentimetern. Sie wird als «Chicken Cup» bezeichnet, weil sie mit einem Hahn und einer Henne verziert ist, die sich um ihre Küken kümmern.

Die 36-Millionen-Dollar-Tasse hat einen Durchmesser von nur acht Zentimetern. Sie wird als «Chicken Cup» bezeichnet, weil sie mit einem Hahn und einer Henne verziert ist, die sich um ihre Küken kümmern.

Quelle: Imaginechina via AFP

Wie unbarmherzig der Trend drehen kann, erfuhr schon vor langer Zeit auch die älteste Schweizer Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren (1763–1790): Weil sie an ihren hochpreisigen Rokokofiguren festhielt und das aufkommende Faible für neumodischen Klassizismus ignorierte, musste sie schliesslich Konkurs anmelden.

Klassiker mit Rückenwind

Die gute Nachricht: Der Porzellanmarkt ist sehr facettenreich und bietet in verschiedenen Bereichen gute Aussichten für Renditejägerinnen und -jäger. Was immer geht, ist seltenes, hochwertiges, historisches Geschirr in passablem Zustand, das aus namhaften Manufakturen stammt und mitunter sehr aufwendig und kunstvoll bemalt ist.

Der Markt floriert seit Jahrzehnten, was sich bei Auktionen in entsprechenden Preisen widerspiegelt. Auf der Poleposition steht dabei die älteste deutsche Porzellanfabrik, die im Jahr 1710 von August dem Starken gegründet wurde: «Meissen ist und bleibt die international gesuchteste Manufaktur», sagt Neumaier. Ebenfalls hoch im Kurs stehen zudem KPM Berlin, Royal Copenhagen, Wiener Kaiserliche Porzellanmanufaktur, Herend, Sèvres, De Lamerie, Wedgwood, die Manufaktur St. Petersburg und alte Asiatika-Objekte.

Zwar gibt es immer wieder temporäre Preisabschläge. Doch langfristig ist die Wertentwicklung solide und positiv. Zumal sich das Angebot an gut erhaltenen, historischen Originalobjekten mit jeder Beschädigung oder Zerstörung weiter verknappt. «Historisches Porzellan kann nicht nachproduziert werden und ist insofern ein äusserst attraktives Investmentfeld», meint Ingrid Gilgenmann, Porzellanexpertin beim Auktionshaus Lempertz. Und nicht das einzige: Neben historischem Porzellan sind zudem auch Stücke gefragt, die auf Vorlagen von alten Modellen basieren und von angesehenen Manufakturen hochwertig nachproduziert werden. Und auch repräsentative und grossflächige Deko-Objekte werden gesucht.

«Es geht immer um das Besondere und um Klasse statt Masse», bringt es Susanne Mehrgardt, Leiterin der Abteilung Kunstgewerbe beim Auktionshaus Van Ham, auf den Punkt: «Das kann eine grosse Platte aus dem Schwanen- oder aus dem Peitschenhiebservice von Meissen sein, seltene, frühe Objekte, repräsentative Vasen oder Figurengruppen, Arbeiten des Jugendstils oder pastellfarben dekorierte Porzellane bestimmter Marken.»

Historisches Porzellan kann nicht nachproduziert werden und ist insofern ein äusserst attraktives Investmentfeld.

Ingrid Gilgenmann, Porzellanexpertin beim Auktionshaus Lempertz

Als Peitschenhiebservice werden Tassen und Teller bezeichnet, die ein Peitschenhiebmuster zeigen, das zwischen 1903 und 1904 vom belgisch-flämischen Architekten und Designer Henry entworfen wurde. Auch eine interessante Geschichte und Provenienz lässt sich am Markt gut versilbern – etwa, wenn die Preziose aus einem Königs- oder Fürstenhaus oder einer berühmten Sammlung stammt. «Eine gute und interessante Provenienz ist immer ein guter Mehrwert für ein Objekt», sagt Neumaier.

Wie stark gerade dieser Punkt das Interesse von Investoren und Investorinnen pusht, zeigte sich im letzten Jahr, als in New York Teile der berühmten Porzellansammlung von Margarethe und Franz Oppenheimer bei Sotheby’s in New York unter den Hammer kamen: Bereits im Vorfeld wurde die Versteigerung von einigen als potenzielles Jahrhundertereignis gesehen – auch weil die Stücke erst kurz vorher restituiert worden waren. Die Auktion erzielte ein Rekordergebnis, wobei das Rijksmuseum in Amsterdam das Gros der Stücke ersteigerte.

Klar ist: Wer sich am Porzellanmarkt engagieren will und auf signifikante Gewinne spekuliert, muss Massenware und gehobenes Gebrauchsgeschirr ante portas lassen und tiefer in die Tasche greifen. «Um Porzellan mit grösserem Wertsteigerungspotenzial zu erstehen, sollte man einen mittleren fünfstelligen Betrag einkalkulieren», rät Porzellanexpertin Neumaier. Zudem ist es ratsam, sich nur auf einen Teilbereich des Markts zu konzentrieren, weil sich so schneller Expertise aufbauen lässt. Der Fokus kann dabei auf Manufakturen, Marken oder Epochen liegen, auf bestimmten Porzellanarten oder einzelnen Künstlern wie Johann Joachim Kändler, Johann Gottlieb Kirchner, Paul Scheurich, Adam Friedrich von Löwenfinck oder Antoine Watteau.

Um ein Gespür für Trends und Preise zu entwickeln, bieten Fachliteratur sowie Auktions- und Sammlungskataloge eine gute Orientierungshilfe. Hier kann man sich auch gut in die Bedeutung von Initialen, Zahlen, Wappen und anderen Symbolen der einzelnen Manufakturen und Epochen einlesen.

Flohmarktfund erlöste 720'000 Dollar

Da der Markt gerade im hochpreisigen Segment viele Fälscherinnen und Fälscher anlockt, spielen Echtheitszertifikate eine grosse Rolle: «Die Datierung und Zuschreibung sollten durch fachmännische Gutachten gesichert sein, etwa durch vereidigte Porzellanexpertinnen», rät Porzellanfachfrau Mehrgardt. Um Fälschungen vorzubeugen, ist es zudem ratsam, bevorzugt bei Auktionshäusern und renommierten Fachhändlern zu kaufen. Neben Sotheby’s, Christie’s und Bonhams sind hier unter anderem auch Van Ham, Lempertz, Nagel Auktionen, Beurret Bailly Widmer Auktionen, Koller Auktionen in Zürich, Schuler Auktionen in Zürich und das Auktionshaus Zofingen gute Anlaufstellen.

Zwar müssen Käuferinnen und Käufer zusätzlich zum Preis für das Objekt auch noch eine Aufschlagsgebühr einkalkulieren, auf der anderen Seite finden sich dort aber meist auch die exquisitesten Objekte, da viele Sammlungen exklusiv über Auktionshäuser angeboten werden. Das sollte jedoch nicht davon abhalten, trotzdem auch auf Flohmärkten und Online-Handelsplätzen wie Ebay, 1stdibs und Co. zu schauen, denn auch hier gibt es immer wieder Schnäppchen zu entdecken. So konnte sich ein Amerikaner im Jahr 2020 über einen ordentlichen Gewinn freuen, nachdem er die kleine Schale schätzen liess, die er für 35 Dollar auf einem Flohmarkt im US-Bundesstaat Connecticut erstanden hatte und die sich als Relikt aus der Ming-Zeit entpuppte: Sie erlöste am Ende 720'000 Dollar.

In jedem Fall sollten sich interessierte Porzellanlaien vor einem grösseren Kauf von hochwertigem Porzellan unbedingt von seriösen Fachleuten beraten lassen, um böse Überraschungen zu vermeiden. Denn neben Fälschungen lassen sich auch Restaurierungen nicht immer leicht erkennen, die den Wert eines Objekts schmälern. Auch hier bieten Gutachten von renommierten Experten und Expertinnen einen gewissen Schutz und Mehrwert.

«Wir empfehlen immer, beim Auktionshaus einen professionell erstellten Zustandsbericht anzufordern. Diese Berichte spiegeln zwar auch nur die Meinung der jeweiligen Expertin wider, aber bei einem seriösen Haus kann ein Kunde davon ausgehen, dass ein Objekt für den Bericht eingehend untersucht wurde, beispielsweise auch unter UV-Licht, und dass allenfalls nicht sichtbare Schadstellen oder Restaurationen erwähnt sind», sagt Reto Monticelli von Beurret Bailly Widmer Auktionen aus Basel.

Gut zu wissen: «Viele frühe Porzellane haben historische Schäden. Die müssen aber nicht zwingend wertmindernd sein», weiss Lempertz-Fachfrau Gilgenmann. An einer Versicherung ihrer fragilen Ware sollten Porzellaninvestoren und -investorinnen bei hochpreisigen Objekten aber besser trotzdem nicht sparen.

Die Datierung und Zuschreibung sollten durch fachmännische Gutachten gesichert sein.

Susanne Mehrgardt, Auktionshaus Van Ham

Grossartige Schweizer Sammlungen

Die Zahl grosser eidgenössischer Porzellanmanufakturen ist überschaubar: Neben Kilchberg-Schooren und Nyon, die im 18. Jahrhundert gegründet wurden und beide nicht mehr existieren, gibt es aktuell nur noch Langenthal und Rössler. Gleichzeitig wurden in der Schweiz zahlreiche grossartige Porzellansammlungen zusammengestellt. Berühmte Namen sind unter anderem Dr. Emil Samuel Kern, Gilbert und Stephen Zuellig, sowie die Ehepaare Pauls, Felber und Thomi-Neyrink.

Viele der Schweizer Porzellanpreziosen, die in den Verkauf kommen, bleiben im Land, weil sich die aufwendige Verzollung nur bei sehr wenigen Objekten lohnt. Allerdings ist das Angebot an hochwertiger Ware für den Sammlermarkt auch überschaubar und der heimische Auktionsmarkt sehr beschränkt. Insofern zieht es in der Schweiz lebende Sammler verstärkt ins EU- und grössere internationale Ausland, um ein breiteres Angebot zu haben und gezielter einzukaufen.

Auch wenn die Aussichten für gut erhaltene historische Porzellanobjekte aus namhaften Manufakturen langfristig positiv sind, werden Preiskorrekturen nach unten in allen Bereichen des Markts ein Thema bleiben. Diese können anderseits aber auch die Chance zum günstigen Einstieg bieten. «Kleinere deutsche Manufakturen sind momentan sehr günstig», meint etwa Koller-Frau Neumaier. Hierzu zählen etwa Höchst, Frankenthal und Fürstenberg.

Und auch Fehldrucke, Waren von aufgelösten Manufakturen und saisonale Produkte wie Weihnachtsteller könnten im Lauf der Zeit im Wert steigen. Das kann mitunter aber ziemlich lange dauern. «Je länger Sie ein Objekt besitzen, umso besser ist das auch für die Preisentwicklung. Für die meisten Objekte gilt, dass sich der Ankaufspreis mit Gewinn realisieren lässt», meint etwa Gilgenmann.

Dennoch sollten Porzellanliebhaber und -liebhaberinnen einen Kauf laut Meinung etlicher Expertinnen primär als eine Investition in den eigenen Geschmack sehen anstatt vorrangig als Kapitalanlage.