Um den Bitcoin ranken sich viele Mythen. So ist etwa bis heute unklar, wer vor 16 Jahren die erste Kryptowährung der Welt erfunden hat. Ein Fakt ist der Erfolg der Digitalwährung: Aktuell steht der Kurs bei über 66'000 Dollar – erst im März hatte der Bitcoin ein neues Allzeithoch erreicht.

Auch kein Geheimnis ist die Volatilität des Bitcoins. Plus 5 Prozent über Nacht ist genauso normal wie minus 7 Prozent innert zwei Stunden. Wie ist das möglich? Ein Mythos, der sich in einschlägigen Internetforen hartnäckig hält: Maschinen und Roboter sollen den Bitcoin-Kurs beeinflussen – und diesen gar manipulieren.

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Das ist – in dieser Form – Quatsch. Bedeutet aber nicht, dass der Bitcoin-Kurs nicht manipuliert werden kann. Das kommt immer wieder und in verschiedenen Methoden sowie Ausprägungen vor. Tag für Tag. Darüber sind sich die Experten, mit denen die Handelszeitung gesprochen hat, einig. Uneinig sind sie sich, welchen Einfluss die Manipulationsversuche auf den Kurs haben.

Handelszeitung zeigt nachfolgend die Manipulationsmethoden auf – und wie Experten diese einschätzen:

1. Wale diktieren den Preis

Menschen mit sehr vielen Bitcoins werden in der Kryptoszene als «Whales» (deutsch: Wale) bezeichnet. Der Glaube, dass wenige Individuen mit ihren Handlungen den Preis von Bitcoin diktierten, ist übertrieben. In den jungen Jahren des Bitcoins sollen sich die Wale in Internetforen abgesprochen haben, um den Kurs zu «pumpen» (anzutreiben) oder zu «dumpen» (verwerfen). Der Einfluss der Wale ist allerdings von Jahr zu Jahr geringer geworden, weil einerseits mehr Bitcoins im Umlauf sind und andererseits das Handelsvolumen stetig gewachsen ist.

2. Mit Fake News den Kurs manipulieren

Das Internet ist voll mit falschen Nachrichten und sogenannten «Deep Fakes», die den Bitcoin propagieren. So richtig Einfluss auf den Kurs haben aber vor allem berühmte und mächtige Menschen. «Der Bitcoin-Kurs reagiert schnell auf Nachrichten in den sozialen Medien – und ist somit besonders anfällig für Fake News, die gezielt gestreut werden, um den Kurs positiv oder negativ zu beeinflussen», sagt Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie und Geldpolitik an der Universität Freiburg.

Ein berühmtes Beispiel sind die Tweets von Elon Musk. Der reichste Mensch der Welt setzte zwischen 2019 und 2021 auf Twitter (heute X) immer wieder Nachrichten ab, die den Bitcoin-Kurs massiv beeinflussten. So erklärte er einmal seine Liebe zur ältesten Kryptowährung der Welt und vermeldete, dass Tesla den Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren würde, worauf der Kurs im zweistelligen Prozentbereich zulegte. Nur um zwei Monate später zu schreiben, dass Tesla aufgrund von Umweltbedenken wegen des hohen Energieverbrauchs keine Bitcoins mehr als Zahlungsmittel akzeptieren würde – der Bitcoin-Kurs fiel an diesem Tag um rund 15 Prozent.

Die US-Börsenaufsicht SEC drohte Musk im Zusammenhang mit Bitcoin bereits mit einer Untersuchung wegen Kursmanipulation. Daraus wurde aber nie etwas – die klaren Spielregeln fehlten zu jener Zeit. Dafür wurde Musk in einem ähnlichen Fall – er twitterte über die Kryptowährung Dodgecoin – von verärgerten Kleinanlegern mit einer Sammelklage eingedeckt. Diese ist noch hängig.

3. Insider-Trading

Der Handel auf der Grundlage nicht-öffentlicher Informationen – also Insider-Trading – ist auf regulierten Märkten illegal. Es ist schwierig, den Insiderhandel in der dezentralisierten und pseudonymen Welt der Kryptowährungen zu kontrollieren. «Die Kryptobranche ist noch zu wenig reguliert, das ermöglicht Missbrauch. Es braucht dringend klarere Regeln», fordert Rossi deshalb.

Anders sieht es Kryptoexperte Rino Borini. «Die US-Börsenaufsicht SEC hat lange gezögert. Jetzt sind die Bitcoin-ETFs aber an der Wall Street zugelassen. Das ist eine regulierte Börse, die überwacht wird. Die SEC hat im Vorfeld auch klare Regeln definiert.» Nach wenigen Monaten bilden die ETFs bereits vier Prozent der im Umlauf befindenden Bitcoins ab. Mit Blackrock ist auch der grösste Vermögensverwalter der Welt mit von der Partie. Für Borini ein gutes Zeichen: «Der Bitcoin-Markt wird immer professioneller, liquider und effizienter.»

4. Spoofing

Grosse Kauf- oder Verkaufsaufträge werden mit der Absicht erteilt, sie vor ihrer Ausführung zu stornieren. Diese Taktik – Spoofing – erzeugt falsche Marktsignale und kann die Wahrnehmung von Angebot und Nachfrage manipulieren. So kann ein Manipulator etwa einen grossen Kaufauftrag erteilen, um den Eindruck eines starken Kaufinteresses zu erwecken. Das veranlasst andere Händler dazu, ihre Kaufaufträge zu erhöhen und den Preis in die Höhe zu treiben. Sobald der Kurs ein gewünschtes Niveau erreicht hat, storniert der Manipulator seinen ursprünglichen Kaufauftrag, was zu einem plötzlichen Kursrückgang führt.

Ein bekanntes Phänomen, das auch Rino Borini kennt. Ab und an würden Positionen eliminiert. Meistens aber nicht aus manipulativen Gründen, sondern weil ein gewisses Limit erreicht wurde, das der Käufer gesetzt hat. «Das kann zu kurzfristig starken Kursstürzen führen», so Borini. «In der traditionellen Welt haben wir das alles aber auch, wobei halt Bitcoin noch ein Teenager ist. Die Marktreife wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen.»

Wie gross ist das Problem der Manipulation also wirklich?

«Die privaten und Kleinanleger gehen ein grösseres Risiko ein als die grossen Institute wie Blackrock und Co., die sich seit der Einführung der Bitcoin-ETFs auch am Markt beteiligen», sagt Sergio Rossi. Der Privatanleger habe einen Informationsrückstand gegenüber den grossen Akteuren. «Der Kleine taumelt blind durch den quasi unregulierten Markt. Die Grossen und Mächtigen sind ihnen immer einen Schritt voraus.» Das sei beim Bitcoin besonders problematisch.

«Selbstverständlich gibt es immer und überall manipulative Kräfte. Doch ich schätze diese als gering ein», sagt indes Rino Borini. Kleinanleger müssten sich der Volatilität bewusst sein. «Sie sollen auf erprobte Lösungen und Anbieter setzen. Und müssen vor allem ihre Emotionen im Griff haben und nicht versuchen, mit Trading den Markt zu schlagen.»

Benjamin Manz, Gründer und Geldexperte von Moneyland, rät zur Weitsicht: «Für langfristige Investoren ist die Gefahr von kurzfristigen Manipulationen weniger gross. Kurzfristige Spekulationen sollten sowieso vermieden werden.» Bitcoin und andere Kryptos würden auch ohne Preismanipulationen ein riskantes Investment bleiben. «Ob Bitcoin wirklich das neue Gold wird, bleibt umstritten.»

Nicola Imfeld von Handelszeitung
Nicola ImfeldNicola Imfeld ist seit Februar 2024 Teamlead des Wirtschaft-Desk von Handelszeitung, Bilanz und Blick.Mehr erfahren