BILANZ: Niklas Zennström, haben Sie heute schon Angry Birds gespielt?

Niklas Zennström: (lacht) Nein, noch nicht.

Sind Sie gut darin?

Es gibt so viele Menschen, die das Spiel spielen, da bin ich sicher nicht der Beste. Aber es ist eine gute Methode, um ein paar Minuten totzuschlagen.

Mit 400 Millionen Downloads ist Angry Birds das erfolgreichste Handy-Game aller Zeiten. Sie haben in den Entwickler Rovio investiert. Wie erklären Sie sich den Erfolg des doch eher simplen Geschicklichkeitsspiels?

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Es spricht jeden an – man sieht sogar 60-Jährige damit herumspielen. Und es ist sehr einfach, in das Spiel hineinzukommen. Es ist ein wunderbar designtes Spiel.

Kann man so einen Erfolg planen?

Nicht wirklich. Aber Angry Birds ist nicht das erste Spiel von den Jungs bei Rovio – es ist ihr zweiundfünfzigstes. Sie haben auf traditionellen Handys mit deren bescheidenen Grafikfähigkeiten angefangen, lange bevor es das iPhone gab. In Angry Birds haben sie also eine ganze Menge Erfahrung hineinprogrammiert. Und es war das richtige Produkt im richtigen Moment. Das ist nicht planbar, aber wenn man Erfahrung hat und die richtige Gelegenheit kommt, dann kann alles passieren.

Mit Ihrer Beteiligungsgesellschaft Atomico investieren Sie unter anderem auch in eine Modewebsite, einen Musikdienst und einen Online-Reservationsdienst für Restauranttische. Ein System lässt sich da nicht erkennen.

Wir suchen nicht nach bestimmten Geschäftsideen. Wir suchen zunächst nach einem starken Gründerteam, an das wir glauben. Zweitens suchen wir nach Märkten, die entstehen oder die sich verändern und in denen es deshalb grosses Potenzial gibt – in einem stabilen Markt ist es schwer, etwas zu erreichen. Und wir suchen nach Innovationen, sei es im Geschäftsmodell oder bei den Produkten. Wir fokussieren uns dabei auf das konsumentennahe Online-Geschäft. Innerhalb dieses Rahmens kann es alles sein – es muss nur Erfolg versprechen.

Was ist das Alleinstellungsmerkmal Ihrer Beteiligungsfirma ausser der Marke Zennström? Was machen Sie besser als andere Geldgeber?

Schauen Sie, heute ist der Entrepreneur der Stärkere – vor fünf oder zehn Jahren war der Geldgeber der Stärkere. Gute Firmen haben heute kein Problem, Kapital zu finden. Als Investor muss man deshalb Firmen noch mit anderem helfen als nur mit Geld. Unternehmen mit starkem Wachstum müssen so schnell wie möglich international expandieren. Das ist der Schlüsselaspekt. Wir haben Büros in London, São Paulo und Peking. Mein Team und ich haben viel Erfahrung, wir können den Leuten helfen, diese Märkte zu verstehen, dort Fuss zu fassen und die richtigen Partnerschaften aufzubauen. Das ist der Hauptunterschied zwischen uns und anderen Kapitalgebern, die solche Fähigkeiten vielleicht nicht haben.

London, São Paulo, Peking – doch in den USA haben Sie kein Office. Verliert das Silicon Valley seinen Nimbus als Wiege der Internet-Start-ups?

Im Silicon Valley gibt es viele gute Investoren mit einem reichen unternehmerischen Background. Wir müssen nicht gegen sie antreten, das ist schon ein etablierter Markt. Aber in Europa ist noch etwas zu holen, und in Südamerika sowie in China gibt es nur wenige Investoren. Dort haben wir ein sehr gutes Netzwerk, weil Skype dort sehr erfolgreich war und ist. In den USA treten wir typischerweise als Co-Investor auf und helfen den Firmen dann beim Markteintritt im Ausland. Das funktioniert ganz gut.

Was halten Sie von der Schweiz als Standort für Start-ups?

Die Schweiz scheint ganz gut zu sein. Ich war im Mai in Zürich und habe mir einige Firmen angeschaut. Ich war positiv überrascht von den Aktivitäten dort. Aber die Schweizer denken wie auch viele in anderen europäischen Ländern beim Marktpotenzial nur in den Landesgrenzen. Dazu ist der Schweizer Markt aber zu klein. Meine Erfahrung in Schweden mit neun Millionen Einwohnern ist die: Wenn man nur national erfolgreich ist, wird man scheitern. In einem kleinen Land muss man die ganze Welt als Markt anschauen.

In welche Schweizer Firmen haben Sie investiert?

Noch in keine. Aber das kommt sicher noch. Und wir haben vor einigen Jahren in einen Schweizer Unternehmer investiert: Daniel Graf und seine Firma Kyte in San Francisco. Die wurde kürzlich erfolgreich verkauft.

Gibt es überhaupt heisse Start-ups in der Schweiz?

Es gibt sicher vielversprechende Firmen. Aber ich kann Ihnen aus dem Stand gerade keine nennen.

Was muss die Schweiz tun, um attraktiver für Start-ups zu werden?

Es ist eine Frage der Geisteshaltung. Man muss Jungunternehmer ermutigen, ihre Firma zu gründen. Viele haben Angst, ein Risiko einzugehen und ihren sicheren Job zu verlieren. Diese Angst muss man überwinden. Aber inzwischen realisieren die Leute, dass ihre Jobs sowieso nicht sicher sind – die Krise der letzten Jahre hat es gezeigt. Und, ja, die Wahrscheinlichkeit als Jungunternehmer zu scheitern, ist sehr gross. Aber wenn es nicht klappt, hat man wenigstens Erfahrung dazugewonnen. Misserfolg ist kein Stigma. Diese Einsicht ist in den USA schon lange da, und langsam setzt sie sich auch in Europa durch.

Was raten Sie jemandem, der heute eine Firma gründen will?

Es einfach zu probieren. Wenn man es nicht probiert, bedauert man es später vielleicht. Und es ist wichtig, ein Produkt zu finden, das ein spezifisches Problem zielgenau löst. Es darf nicht zu kompliziert sein. Meistens sind es die einfachen Produkte, die viel Aufmerksamkeit erzielen und erfolgreich sind. So wie Google. Man muss es in einer Minute erklären können. Und wie gesagt, es muss vor allem auf der ganzen Welt attraktiv sein.

Sind wir in einer zweiten Internetblase, wie Google-Chef Eric Schmidt sagt?

So kategorisch würde ich das nicht sagen. Manche Firmen haben zwar schon jetzt Bewertungen, als wären sie perfekt, als würden alle Vorhersagen genau nach Plan eintreffen. Das sind zu hohe Bewertungen. Aber immerhin haben viele Firmen starkes Wachstum und sind profitabel – wie etwa Rovio, an der wir beteiligt sind. Im Unterschied dazu erzielten zur Dotcom-Zeit auch Firmen hohe Bewertungen, die keine Gewinne machten, die nicht mal ein funktionierendes Businessmodell hatten.

Ist Facebook 100 Milliarden wert, wie die Bewertung nahelegt?

Für mich ist klar: Google und Facebook werden die Online-Welt dominieren. Google ist mit derzeit 190 Milliarden Dollar viel mehr wert als Facebook. Langfristig sehe ich keinen Grund, warum sich die Bewertungen nicht angleichen sollten.

Herr Zennström, Sie sind vermutlich der erste Unternehmer, der dieselbe Firma gleich zweimal für einen Milliardenbetrag verkaufen konnte. Beim ersten Mal, als eBay Ihren Telefondienst Skype für 2,6 Milliarden Dollar erwarb, nannte das deutsche «Handelsblatt» das «den dümmsten Deal der IT-Geschichte».

Dann war das der dümmste Artikel der Pressegeschichte!

Trotzdem galt die Übernahme als Flop, Synergien kamen nie zustande. Drei Jahre später verkaufte eBay die Firma weiter an eine Investorengruppe, zu der auch Sie gehörten.

Die Leute von eBay haben trotzdem ein hervorragendes Investment gemacht. Beim Verkauf an uns behielten sie 30 Prozent. Alleine diese 30 Prozent waren beim jetzigen Weiterverkauf an Microsoft so viel wert wie der einstige Kaufpreis.

Skype hat in all den Jahren nie Geld verdient. Wie soll das unter Microsoft gelingen?

Diese Frage muss Ihnen Microsoft beantworten.

Ich nehme an, Sie haben ein paar gute Argumente, sonst hätten Sie die Firma nicht für 8,5 Milliarden verkaufen können.

Microsoft hat so viele Assets, die sie einbringen kann, damit Skype noch schneller wächst. Denken Sie nur an Windows, an das Handybetriebssystem Windows Phone, den Browser, die Xbox oder die Bürosoftware Outlook. Das sind alles Berührungspunkte mit Konsumenten und Firmenkunden. Die kann man zu Berührungspunkten mit Skype machen.

Sie sind Milliardär, müssten nie mehr arbeiten. Wie halten Sie sich hungrig?

Ich versuche, neue Sachen zu machen. Skype war ein sehr grosser unternehmerischer Erfolg. Das zu wiederholen, ist schwierig. Deshalb habe ich beschlossen, etwas anderes zu machen und eine Investmentfirma aufzubauen, die vielleicht die Technologie- und Beteiligungslandschaft verändern kann. Auch da ist es das Ziel, einer der Besten der Welt zu sein. Das ist eine Herausforderung, die sehr motiviert. Und ich habe vor vier Jahren mit meiner Frau Zennström Philanthropies aufgesetzt.

Was sind die Erfolgsfaktoren in der Philanthropie?

Man muss strategisch vorgehen. Manche gehen an einen Wohltätigkeitsanlass, spenden dort ein bisschen Geld. Das ist toll. Aber wenn man es in grösserem Massstab machen will, dann geht es nicht darum, Geld zu spenden. Es geht darum, Resultate zu erzielen. Man muss die Nonprofitorganisationen behandeln wie ein Investment. Man muss eine Due Diligence durchführen wie bei einer Beteiligung: Welche strategischen Ziele will die Organisation erreichen? Welches sind die Hebel, die man dazu in Bewegung setzen muss? Hat man dort einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Organisationen? Machen die Leute einen guten Job, sind sie effizient? Man muss sie zur Rechenschaft ziehen. Das Schlimmste ist, hart zu arbeiten, viel Geld zu verdienen und es dann an Nonprofitorganisationen zu verschleudern, die keinen Impact haben.

Tauschen Sie sich mit anderen Philanthropen wie Bill Gates darüber aus?

Ja, ich investiere auch etwas Zeit, um mich mit anderen Gönnern auszutauschen, die schon länger dabei sind. Man muss von anderen lernen, was funktioniert und was nicht.

Sie sind ein begeisterter und auch erfolgreicher Segler. Wie viel Zeit wenden Sie dafür auf?

Ich zähle die Tage nicht, aber ich nutze jede Gelegenheit. Wenn man von Natur aus kompetitiv ist, so wie ich, dann will man auch das so gut wie möglich tun.

Was kann ein Unternehmer von einem Segler lernen?

Beim Wettkampfsegeln geht es darum, von Anfang an die richtige Strategie zu haben, die richtige Technologie auszuwählen, das richtige Bootsdesign. Und dann hängt es davon ab, ob man das richtige Team auswählt, das gut zusammenarbeitet. Meine Erfahrung als Unternehmer war immer, dass es absolut entscheidend ist, die richtigen Leute auszuwählen – Leute, die sehr viel besser sind als ich in dem, was sie tun. Leute, welche die Ziele verstehen, zusammenarbeiten können, einander respektieren. Und die dabei noch Spass haben. Das ist beim Segeln nicht anders.

 

Niklas Zennström (46) ist der wohl erfolgreichste Internetunternehmer Europas. Mit Janus Friis startete er 2001 den Musikdienst Kazaa. Später gründeten sie Skype, die kostenlose Telefonate zwischen Computern ermöglicht. Sie verkauften die Firma 2006 an eBay, kauften sie drei Jahre später zurück und verkauften sie nun erneut, an Microsoft. BILANZ traf den begeisterten Regattasegler am Rande der Rolex Middle Sea Race auf Malta.