Dextra hat sein Rechtschutzangebot neuerdings modular aufgebaut. Der Kunde wählt aus, was und wie hoch er die einzelnen Gebiete absichern will. Was waren die Gründe für diese Umstellung?
Seit der Gründung ist in der DNA von Dextra die Ambition verankert, den Kunden verständliche, transparente und effiziente Rechtsschutz-Lösungen anzubieten. Viele sagen deshalb, Dextra habe den Markt dahingehend in Bewegung gesetzt. Die Neugeschäftszahlen der letzten Jahre bestätigen dies. Die Welt hat sich rapide verändert, die Erwartungen an individuelle, sofort abrufbare Angebote sind enorm gestiegen, vor allem auch über den weniger beratungsintensiven und daher eher anonymen Digitalzugang. «One size fits all» ist sehr charmant in puncto Einfachheit, aber die Evolution erfordert mittlerweile auch Passgenauigkeit und Preisdifferenzierung. Wie wollen Sie in heutigen Zeiten verständlich machen, dass es keine bessere Lösung gibt, als einem landwirtschaftlichen Betrieb dieselbe Police anzubieten wie einem zahntechnischen Labor, einem Immobilien-Makler oder einer Marketing-Agentur? Analytisch, kaufmännisch und technisch ist das nicht mehr plausibel. 

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Glauben Sie, es ist ein Bedürfnis der Kunden, sich individuelle Pakete selbst zu schnüren? Haben Sie vielleicht eine Kundenbefragung gemacht, die das gezeigt hat? 
Die ersten Wochen nach Markteinführung zeichnen bereits ein hoch interessantes und auch für uns überraschend positives Bild: Neuer Verkaufsspitzenreiter durchgehend seit Tag eins ist die Produktlinie Flex, in welcher die meisten individuellen Entscheidungen zu treffen sind und aus welchen die grössten Leistungs- und Preis-Spreizungen resultieren. Interessant ist auch die Beobachtung, dass sich die Durchschnittsprämie bei den Privatkunden nach oben bewegt, während die Prämien bei den Firmenkunden etwas zurückgehen. Das Bewusstsein für Preis-Leistungs-Verhältnisse ist im Markt also voll vorhanden.

«Wir sollten den Emanzipationsgrad und die Fähigkeiten der Konsumenten nicht unterschätzen.»

Besteht nicht die Gefahr, dass der Kunde das falsche Angebot wählt, im Ernstfall ohne Rechtsschutz dasteht und Dextra dann als «ungerecht» empfindet, obwohl es sein Verschulden war, den falschen Versicherungsschutz zu wählen? 
Wir sollten den Emanzipationsgrad und die Fähigkeiten der Konsumenten nicht unterschätzen. Das Bild der undurchschaubaren Versicherung, die einem unreifen Kunden aufgrund mangelnder Kenntnis «angedreht» wird, ist definitiv am Aussterben. Die Informationstiefe des Internets und damit die Vergleichsmöglichkeiten spielen eine grosse Rolle, weit über den Versicherungssektor hinaus. Ich sehe es sogar eher diametral: Warum soll ein Rentner für Arbeitsrecht bezahlen oder ein Bewohner eines Eigenheims für Mietrecht? Viele «alte Regeln» der Versicherungsbranche verlieren derzeit an Gültigkeit. Das können Ihnen auch grosse Gesellschaften bestätigen, welche allesamt mittlerweile Kundenzentrierung gross auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Sie bieten verschiedene Module an, die der Kunde auswählt, darunter unter anderem Mobilität und Familie. Was sind die häufigsten Module, die Schweizer Kunden wählen?
Bislang stellen wir fest, dass im Schnitt fünf Module kombiniert werden (Durchschnitt Privatkunden 4,2, Durchschnitt Firmenkunden 5,2). Bei Privatkunden steht die Nachfrage nach den Modulen Arbeiten, Wohnen, Mobilität und Alltag im Vordergrund. Das Modul Beratung+ übertrifft übrigens bei weitem unsere Erwartungen.

Eine Cyberversicherung findet sich nur unter dem Angebot für Unternehmenskunden. Wie kann ich mich als Privatfrau gegen Cyberkriminalität absichern? 
Für Privatkunden ist Cyberschutz in der Schweiz bereits bei den Hausrat- und Haftpflicht-Versicherern erhältlich, recht hoch standardisiert und mittlerweile etabliert. Daneben bieten oft auch Kreditkartenanbieter Schutz vor internetbezogenen Missbrauchsfällen, was dem Verbraucher oftmals gar nicht bewusst ist. Und was die aktive Vorsorge gegen die Risiken von Cybercrime angeht, so empfehle ich die sehr nützlichen Hinweise auf den einschlägigen Websites der Polizeien und Behörden in der Schweiz und auch in Deutschland. 

Sind bestehende Policen vom neuen modularen Aufbau Ihrer Produkte auch betroffen? Wird es im Bestand zu irgendwelchen Anpassungen kommen?
Unsere zurzeit rund 60’000 Versicherungsnehmer und ihre Policen sind von der Modularisierung nicht unmittelbar betroffen. Der Bestand bleibt, wie er ist. Beim nächsten Versicherungsjahrestag besteht aber die Möglichkeit, den vorhandenen Schutz zu belassen oder mittels der Module den Schutz an die individuelle Situation anzupassen. Hierzu stehen wir dann beratend zur Seite.

«Es ist und bleibt der grundsätzliche Anspruch von Dextra, verständlich, transparent und effizient im Handling zu sein.»

Sind die Prozesse bei Dextra immer noch schlank und flexibel, auch mit der gestiegenen Diversifikation des Angebots? 
Es ist und bleibt der grundsätzliche Anspruch von Dextra, verständlich, transparent und effizient im Handling zu sein. Auch bei den neuen Modular-Produkten ist der Selbstbedienungsfaktor hoch, falls Kundinnen und Kunden dies wünschen. Dies zeigt beispielsweise unsere äusserst hohe Direktquote. 24 Prozent des Neugeschäfts wurden im Jahr 2020 über unsere Website ohne Vermittler oder Beratung durch Dextra abgeschlossen.

Rechtsschutzversicherungen sind nach wie vor ein wachsendes Segment im Bereich der Sachversicherung. Wie hoch ist der Marktanteil von Dextra? Wie sind die weiteren Wachstumsziele? 
Je nach Betrachtungsgrundlage wird unser Marktanteil bemessen mit 5 Prozent oder 9 Prozent. Netto betrachtet am Prämienvolumen sind es 5, unter Einbeziehung unserer Rechtsdienstleistungen für andere Versicherer sind es 9 Prozent. Es ist absolut richtig: Rechtsschutz ist nach wie vor das am stärksten wachsende Sachversicherungssegment, in welchem Dextra seit Jahren die mit Abstand höchste CAGR (Compound Average Growth Rate) verzeichnet. Überdurchschnittliches, profitables Wachstum bleibt eines unserer Hauptziele.

Dextra hat seine Autoversicherungssparte mit dem neuen Namen Simpego verkauft. Was hat Sie zu diesem Schritt veranlasst?
Die Autoversicherung wurde 2017 als Tochter bzw. Schwester der Rechtsschutzgesellschaft geboren. Aus regulatorischen Gründen können diese beiden Produktkategorien nicht von einer Versicherungsgesellschaft betrieben werden. Zunächst stellten wir fest, dass im Markt Verwechslungsgefahren entstanden, die weder hilfreich noch effizient waren. Viel wichtiger war aber schlussendlich die Erkenntnis, dass wir als unabhängiger Rechtsschutzspezialist bessere Kundenleistungen erbringen können, als es ein Mischbetrieb kann. Die neuen Hauptaktionäre von Simpego wiederum sind traditionelle Versicherungsgruppen, die im Online-Geschäft ergänzend zu ihrer Kernkompetenz vorwärtskommen möchten. Die strategischen Überprüfungen und Adjustierungen haben schliesslich in Bezug auf Klarheit und Fokussierung zur Trennung der Marken geführt.

«Die Auswirkungen der Pandemie haben die Robustheit unseres Geschäftsmodells auf die Probe gestellt und bestätigt.»

Wird Dextra nun definitiv ein Rechtsschutzversicherer bleiben oder stehen neue Spin-offs in der Überlegung?
Die Dextra Rechtsschutz AG ist und bleibt unabhängiger Spezialist, welcher sich bis auf weiteres ausschliesslich auf das nationale Marktgebiet Schweiz und den Ausbau des Dextra Legal Powerhouse fokussiert. Unsere Diversifikation zwischen Privatkunden (54 Prozent) und Firmenkunden (46 Prozent) sowie unser hybrider Vertriebsansatz über Broker und über unsere Website bilden eine gute Ausgangslage, die Stellung als technologischer Vorreiter zur Erreichung von profitablem Wachstum oberhalb der Marktdurchschnitte weiter auszubauen. Die Auswirkungen der Pandemie haben die Robustheit unseres Geschäftsmodells auf die Probe gestellt und bestätigt. Ein Spin-off ist derzeit weder geplant noch in greifbarer Nähe.

Welche neuen Erfahrungen haben die Zeiten der Pandemie denn der Rechtsschutz-Branche gebracht?
Die Auswirkungen der Pandemie sind nicht das erste Kumul-Ereignis. Insolvenzen von Reisekonzernen beispielweise oder Abgasprobleme bei Autoherstellern treffen unsere Kundschaft schlagartig und in breitem Ausmass. Die Pandemie verursachte bei Dextra bislang 8600 unvorhersehbare Beratungs- und Rechtsfälle. Die Hauptsorgen entstammen der Deutung von Arbeits- und Mietrecht, Umgang mit Kurzarbeit, Kündigungen, Mietzinsaussetzungen u. Ä. Unsere Kompetenz-Teams haben den ungeplanten Mehraufwand souverän gemeistert. Schlussendlich macht sich das Konzept der Spezialisierung wiederum vorteilhaft bemerkbar. Aus den individuellen Herausforderungen vieler Kunden entwickelten sich in kürzester Zeit allgemeingültige, konzentrierte Standards.