Wir leben immer länger. Damit steigt das Bedürfnis nach mehr Flexibilität bei der Pensionierung. Fortschrittliche Unternehmen setzen neben der vorzeitigen Erwerbsaufgabe vermehrt auf den gestaffelten oder späteren Übertritt in den Ruhestand. Das fixe Pensionierungsalter mit 64 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer ist in den Köpfen der aktiv tätigen Bevölkerung allerdings noch tief verankert. Bereits die Anpassung des Frauenrentenalters an das Niveau der Männer stösst bei der aktuellen AHV-Revision auf Widerstand. Das Parlament hat der Vorlage zugestimmt, aber es droht ein Referendum und damit der ungewisse Ausgang bei einer Volksabstimmung. Gleichzeitig gibt es laufend mehr Pensionierungsmodelle, um die unterschiedlichen Ansprüche der Unternehmen und Mitarbeitenden zu erfüllen. Das erstaunt kaum, denn Individualisierung ist eng mit dem digitalen Zeitalter verknüpft. Die Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen werden in den Mittelpunkt gestellt. Entsprechend gibt es verschiedene Varianten für den Ausstieg aus dem Arbeitsleben.

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Wissenstransfer sicherstellen 

Die neuen Beschäftigungsmodelle zielen darauf ab, die Quote der Frühpensionierungen zu senken und den Wissenstransfer in einem Unternehmen sicherzustellen. In der Praxis geht es darum, die ältere, erfahrene Generation im Arbeitsprozess zu behalten. «Dazu gehört auch eine vermehrte zeitliche und räumliche Flexibilität sowie die Kreativität, neue Modelle zu finden, die für die Arbeitskräfte und die Unternehmen passen», sagt Veronica Weisser, Vorsorgeexpertin bei der UBS. Sie plädiert für Jobsharing-Modelle zwischen Jung und Alt sowie eine Offenheit für die Idee, dass man älteren Mitarbeitenden eine Regenbogenkarriere anbietet, mit weniger Verantwortung und Lohn für die letzte Lebensphase. Es sind vor allem Grossfirmen und staatsnahe Unternehmen, die mit flexiblen Pensionierungsmodellen zwischen dem 58. und dem 70. Lebensjahr den Takt vorgeben. Bei den Finanzdienstleistern gehören nebst der UBS die ZKB, Axa, Swiss Life, Allianz und Mobiliar dazu. Auch ABB, Migros, Coop, Novartis, Swisscom und die Post bieten eine Weiterbeschäftigung im Pensionsalter. Die SBB kennen vier Zukunftsmodelle, um dem demografischen Wandel aktiv zu begegnen. Die Mitarbeitenden können ihre Erwerbstätigkeit und den Übergang in den dritten Lebensabschnitt individueller gestalten. Eine Variante setzt dabei gezielt Anreize, länger im Arbeitsprozess zu verbleiben. 

Einfluss der Babyboomer

Die Generation der Babyboomer hat einen nachhaltigen Einfluss auf die Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort Schweiz. Bei dieser Altersgruppe wird 2030 ein Höchststand an Pensionierungen erreicht. Gleichzeitig ist der Nachwuchs aufgrund der nachfolgenden Jahrgänge mit einer niedrigeren Geburtenrate dünn gesät. Umso wichtiger ist es, ältere Mitarbeiter möglichst lange im Arbeitsmarkt zu halten. Der Schweizerische Arbeitgeberverband hat jüngst zusammen mit Unternehmen, Wissenschaft und Politik das Arbeitgebernetzwerk «focus50plus» lanciert. Man will damit die Rahmenbedingungen für eine Weiterarbeit über das ordentliche Pensionsalter hinaus verbessern. Um die Möglichkeit der beruflichen Mobilität gegen Ende des Erwerbslebens zu erleichtern, empfehlen Experten, von der aktuellen Vergütungsskala abzuweichen, die automatische Lohnerhöhungen gekoppelt an das Alter vorsieht. Derzeit wirken sich die im Alter höheren Beiträge für die berufliche Vorsorge und die fehlende Lohnflexibilität negativ aus. Im aktuellen Verhandlungsprozess um die BVG-Reform steht entsprechend eine Verstetigung der Beiträge über den Erwerbszyklus hinweg zur Diskussion. Vermehrt gibt es auch die fliessende Pensionierung. Dabei wird der Beschäftigungsgrad vor dem ordentlichen Rentenalter vermindert. Im Gegenzug kommt es oft zu einem verlängerten Verbleib im Arbeitsprozess über das AHV-Alter hinaus. 

Frühe Entscheidungen

Bei der Ruhestandsplanung sind frühe Entscheidungen wichtig. Vor allem die staatliche AHV ist nur beschränkt flexibel. Praktisch gibt es zwei Wahlmöglichkeiten. Erstens die vorzeitige Pensionierung, maximal zwei Jahre früher. In diesem Fall wird die Rente für jedes vorbezogene Jahr lebenslang um 6,8 Prozent gekürzt. Zweitens lässt sich der Bezug um bis zu fünf Jahre aufschieben. Mit dieser Maximalvariante werden Steuern gespart und bei der Rente ergibt sich ein Zuschlag von gut 30 Prozent. Bei der zweiten Säule bieten sich vielfältigere Ansätze für den fliessenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Frühzeitige Pensionierungen sind ab 58 Jahren möglich. Die Rente muss bei einer früheren Beanspruchung des Altersguthabens aus der zweiten Säule nicht zwingend niedriger ausfallen. Durch den zusätzlichen Einkauf von Beitragsjahren lassen sich verminderte Leistungen im Ruhestand teilweise oder voll kompensieren. Bei der stufenweisen Pensionierung ermöglicht der Gesetzgeber interessante finanzielle Varianten. Reduziert ein Arbeitnehmer sein Pensum ab dem 58. Altersjahr um bis zur Hälfte, kann er trotzdem zum bisherigen Lohn versichert bleiben. Der Arbeitgeber muss zwar nur die Hälfte der Vorsorgebeiträge auf dem effektiven Lohn übernehmen, die höheren Arbeitnehmerbeiträge sorgen aber dafür, dass die Altersrente trotz niedrigerem Salär nicht gekürzt wird.