Ein Interview mit André Steiner, Präsident des Verwaltungsrats und Geschäftsführer der Mendo AG, Bern, welche die neue Ausbildung auch anbieten wird. Gleichzeitig leitet er die Geschäftsstelle für die Westschweiz und das Tessin der IAF Interessengemeinschaft für Finanzausbildung.

Herr Steiner, wozu braucht es einen neuen Zertifikatslehrgang für die Beratung in der beruflichen Vorsorge?
Der Alltag in der Beratung von Unternehmen und auch von Versicherten in Fragen der beruflichen Vorsorge hat sich gewandelt. Die berufliche Vorsorge ist auf der politischen Bühne und auch in der Presse zu einem Dauerthema geworden. Entsprechend stellen sich Unternehmen und Versicherten mehr Fragen als früher. Die Vollversicherungsangebote sind in der Assekuranz in Diskussion und andere Modelle stellen an die Unternehmensberaterinnen und -berater höhere Beratungsanforderungen. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Zudem werden in der Pensionskassenverwaltung vermehrt höhere Beratungskompetenzen verlangt, denn die einfachen Verwaltungsaufgaben werden zunehmend digitalisiert. Immer mehr stehen der Kontakt und die Beratung von Versicherten im Vordergrund. Und diese bringen aufgrund ihrer Lebenssituation unterschiedliche Fragen ein. Dafür werden ausgebildete Fachpersonen benötigt, die über solide Beratungskompetenzen verfügen. Die heutigen Ausbildungsangebote im Bereich der beruflichen Vorsorge decken diese Anforderungen unseres Erachtens nicht genügend ab – vor allem werden die Beratungskompetenzen kaum vermittelt.

Angeboten wird eine Vertiefung auf die Beratung von Unternehmenskunden und eine auf die von Versicherten. Wozu das, denn der Versicherte hat doch kaum Einfluss auf und Spielraum in seiner beruflichen Vorsorge?
Es ist richtig, dass Versicherte in der Regel keinen direkten Einfluss auf ihre Pensionskassenlösung haben. Bei gewissen Kadervorsorgelösungen – sogenannten 1e-Plänen – bestehen allerdings schon direkte Einflussmöglichkeiten. Im Fokus dieser Vertiefung stehen aber vor allem die Anliegen und Fragen von Versicherten im Zusammenhang mit ihrer Lebenssituation. 

Es geht um die Sicherstellung einer guten Beratung zum Beispiel im Zusammenhang mit einem Vorbezug für selbstgenutztes Wohneigentum, einem Vorsorgeausgleich bei Scheidung, der Bearbeitung von Rentenfällen oder auch für die korrekte Auskunftserteilung an Konkubinatspaare. 

Dies sind nur einige Themenbeispiele, die sich aus den Lebenssituationen von Versicherten ergeben können, welche zu einem Beratungsbedarf führen.

Wann und wo startet der erste neue Lehrgang? 
Derzeit bieten drei Bildungsinstitute ab dem Frühling 2021 ein Ausbildungsprogramm an. In der Deutschschweiz bestehen Kursangebote in Basel, Bern, Luzern, Olten und Zürich. In der Romandie in Genf und Lausanne.

«Mit den Vertiefungsthemen wollen wir die Teilnehmenden für die Anforderungen in ihrem Praxisalltag fit machen.»

Wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte? 
Bei den Themen rechtliche Grundlagen, Kapitalanlagen sowie Versicherungstechnik und Leistungen geht es um die Vermittlung solider Wissensgrundlagen. Die Teilnehmenden werden befähigt, diese Grundpfeiler der beruflichen Vorsorge zu verstehen und in der Praxis verständlich erläutern zu können. Mit den Vertiefungsthemen wollen wir die Teilnehmenden für die Anforderungen in ihrem Praxisalltag fit machen. Hier liegt der Fokus bei der Förderung der Beratungskompetenzen.

Wie stellen Sie sicher, dass die Berater immer auf dem neusten Wissensstand sind? Es tut sich ja gerade einiges im Bereich der zweiten Säule …
Es tut sich einiges, da haben Sie recht, und dies wird sich auch fortsetzen. Die involvierten Schulen werden mit der Zeit entsprechende Weiterbildungsangebote aufbauen. Die beiden Brokerverbände ACA und SIBA haben auch bereits Interesse an einem kontinuierlichen Weiterbildungsangebot angemeldet und im Austausch mit ihnen und weiteren Praxispartnern werden sich zusätzliche Weiterbildungsthemen ergeben. Diese zwei Organisationen unterstützen uns auch im Aufbau dieses neuen Lehrgangs.

Auf wie viele Wochenstunden Unterricht ist der Lehrgang angelegt? 
Der gesamte Lehrgang dauert im Format des Präsenzunterrichts rund 15 Kurstage oder 120 Lektionen. Sicher müssen die Teilnehmenden noch Zeit für das persönliche Lernen einplanen und so dürften insgesamt rund 200 Lernstunden mit Unterricht und persönlichem Lernen über einen Zeitraum von rund sechs Monaten zusammenkommen. Selbstverständlich ist dies nur als Grössenordnung zu verstehen und stark abhängig vom Vorwissen.

«Zwei Schulen bieten ein Blended oder Mixed Learning an – also eine Kombination aus Online- und Präsenzunterricht.»

Ist Präsenzunterricht gedacht oder Selbst-Learning im Homeoffice?
Am Markt werden unterschiedliche Formen angeboten. Alle Bildungsanbieter führen den Lehrgang in Form des traditionellen Präsenzunterrichts. Zwei Schulen bieten ein Blended oder Mixed Learning an – also eine Kombination aus Online- und Präsenzunterricht. Schliesslich bietet eine Schule auch einen reinen Fernunterricht an. Die Teilnehmenden können somit aus drei verschiedenen Modellen die für sie richtige Form auswählen.

Wer sind die Dozenten für die in beiden Schwerpunkten (Unternehmen und Versicherte) gemeinsamen Fächer Recht, Kapitalanlagen, Versicherungstechnik und Leistungen?
Die Rekrutierung und der Einsatz geeigneter Dozenten ist Sache der einzelnen Schulen. Die IAF kümmert sich um den eigentlichen Prüfungsbetrieb. Bildungsinhalte, Prüfungsziele, Positionierung im Arbeitsmarkt und die Qualitätssicherung sind die Aufgabenbereiche der IAF. Die Kurse werden nicht von der IAF, sondern von Schulen geführt. Wir gehen davon aus, dass die Schulen erfahrene Dozenten mit hohem Praxisbezug einsetzen. Dieser neue Zertifikatslehrgang soll sich – wie üblich bei der IAF – durch einen hohen Praxisbezug auszeichnen.

Wie viel kostet der Lehrgang, inkl. Prüfungsgebühren usw.?
Die Prüfungsgebühren werden durch die IAF in Rechnung gestellt. Diese machen pro schriftlichem Modul 400 Franken und für die mündliche Prüfung 500 Franken aus. Insgesamt fallen so Prüfungsgebühren von 2100 Franken für den Abschluss in einer Vertiefungsrichtung an. Die Schulkosten sind abhängig vom einzelnen Angebot.

Jene Schulen, die mehrere Methoden anbieten, führen auch leicht unterschiedliche Preisangebote. Für die Vorbereitungskurse müssen die Teilnehmenden mit Kosten zwischen 4000 und 5000 Franken rechnen. Je nach Angebot sind auch Literatur und umfangreiche Online-Angebote integriert. Die totalen Kosten belaufen sich also pro Teilnehmerin und Teilnehmer je nach Kursmodell auf 6000 bis 7000 Franken.

«Die Zertifizierung eignet sich auch für langjährige Beraterinnen und Berater.»

Wen wollen Sie damit in erster Linie ansprechen?
Da zwei unterschiedliche Vertiefungsrichtungen angeboten werden, sprechen wir auch entsprechende Berufsleute an. Die Vertiefung Unternehmensberatung empfehlen wir Beratenden von Brokern, Versicherungsgesellschaften und weiteren Anbietern, die KMU und Selbstständigerwerbende in Fragen der beruflichen Vorsorge beraten und begleiten. Die Zertifizierung eignet sich auch für langjährige Beraterinnen und Berater. Die Welt der beruflichen Vorsorge bewegt sich gerade sehr dynamisch und da kann eine solche Ausbildung helfen, sein Wissen auf den neusten Stand zu bringen. 

Die Vertiefung Versichertenberatung empfehlen wir Mitarbeitenden von Vorsorgeeinrichtungen, die direkt mit Versicherten Personen im Austausch stehen und diese beraten und informieren. Solche Beratungen werden sowohl bei betriebseigenen Pensionskassen wie auch bei Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen immer gefragter. Wer sein Wissen sowohl für Beratungen von Unternehmen als auch für jene von Versicherten auf Vordermann bringen will, kann natürlich auch beide Vertiefungsrichtungen abschliessen. Damit wird eine noch umfassendere Kompetenz geschaffen.

Es werden mehrere Kursangebote geführt, in alphabetischer Reihenfolge:

  • ESPP École supérieur en prévoyance professionnelle mit klassischem Präsenzunterricht in Genf.
  • IfFP Institut für Finanzplanung mit klassischem Präsenzunterricht und gemischtem Unterricht (blended learning) in Basel, Olten und Zürich.
  • Mendo AG mit klassischem Präsenzunterricht in Bern, Lausanne und Luzern, gemischtem Unterricht (mixed learning) in Zürich und Fernunterricht für die gesamte Deutschschweiz (ortsunabhängig).