Wenn Mitarbeitende kriminell werden und das eigene Unternehmen ins Visier nehmen, kann das schnell teuer werden – und zwar deutlich teurer als bei Schäden, die durch externe Täter verursacht werden, beispielsweise von Hackern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Schadensstatistik von Allianz Trade.Ein 23-jähriger Buchhalter, der über Jahre Millionensummen veruntreute und dafür acht Sportwagen und eine Villa auf Mallorca kaufte. Die Küchenhilfe, die über 15 Jahre mit einer 23-köpfigen Diebesbande das Spital ihre Arbeitgebers um Lebensmittel, Geschirr, Textilien, Verbandsstoffe etc. erleichterte.

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Diese illustren Beispiele nennt Rüdiger Kirsch, Betrugsexperte bei Allianz Trade, um zu zeigen, dass Unternehmen viel eher durch die eigenen Mitarbeitenden als durch externe Täter die grössten Gefahren drohen.

Personal für 70 Prozent der finanziellen Eigenschäden verantwortlich

Tatsächlich ergibt sich aus aggregierten Daten aus den Schadensfällen der vergangenen fünf Jahre in der Vertrauensschadenversicherung (VSV) der Allianz, dass 57 Prozent der Täter aus dem eigenen Unternehmen kommen Sie verursachen dabei fast drei Viertel der Schadenhöhe. 

57 Prozent der Täter kommen aus dem eigenen Unternehmen. Sie verursachen dabei fast drei Viertel der Schadenhöhe.

57 Prozent der Täter kommen aus dem eigenen Unternehmen. Sie verursachen dabei fast drei Viertel der Schadenhöhe.

Quelle: ZVG Allianz Trade

Immerhin zeigt der Blick auf die vergangenen fünf Jahre, dass sowohl die Fallzahlen als auch die Schadenhöhe bei externen Dritten deutlich stärker zugenommen hat als bei den eigenen Mitarbeitern. «Kriminelle Mitarbeiter sind nach wie vor eine unterschätzte Gefahr in Unternehmen», sagt Kirsch. 

Die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen richteten mit vermeintlichen ‚Alltagsdelikten‘ wie Betrug, Untreue oder auch Diebstahl und Unterschlagung nach wie die grössten Schäden an – auch, weil sie mangels Kontrollen oft über viele Jahre unentdeckt bleiben. Seine Überzeugung: «Vertrauen ist gut, aber es muss seine Grenzen haben.»

Typische Täter: Männlich, etwa 45, Chef-Finanzexperte

Als typischen Täter hat die Allianz einen gebildeten Mann im Alter zwischen 40 und Mitte 50 in gehobener oder leitender Position im Finanzwesen mit mindestens zehn Jahren Betriebszugehörigkeit identifiziert. Kirsch: «Sie schlagen zwar seltener zu als Jüngere, die kürzer dabei sind. Dann aber mit voller Wucht: Sie kennen alle Lücken in den Kontrollsystemen und besitzen durch die langjährige Zugehörigkeit ein entsprechendes Vertrauen von Kollegen und Chefs. Dabei hilft ihnen meist auch ihr freundliches und respektvolles Auftreten – sie sind oft auffällig unauffällig und geraten bei Verdachtsmomenten selten sofort in den Fokus.» 

Veruntreuung und Betrug

Allianz Trade führt die Geschäfte des Kreditversicherers Euler Hermes, der seit 2018 zur Allianz gehört, seit Frühjahr 2022 unter neuem Namen fort. Die Gesellschaft befasst sich auch mit den Folgen der Veruntreuung durch Mitarbeiter und der Vertrauensschadenversicherung (VSV).

Reif fürs Kino: Tatmotive sind zuweilen spektakulär

Die häufigsten Motive der Täter reichen dabei von Spielsucht, Habgier und luxuriösem Lebensstil bis zu einer finanziellen Notlage, die dann bei den Tätern zu kriminellen Verzweiflungstaten führt. Häufig ist es auch eine Kombination aus verschiedenen Motiven.

Mangelnde Wertschätzung oder Rache sind ebenfalls Beweggründe. Einige Fälle in der Schadensstatistik waren allerdings nahezu filmreif und die Gründe ziemlich skurril: Die Innentäter finanzierten mit ihren Machenschaften Schönheitsoperationen, Sportwagen, Luxusimmobilien, Schallplattensammlungen, einen Swingerclub oder ihre krankhafte Tierliebe.

Whistleblowing-System kann hilfreich sein

Interne Kontrollsysteme, die sowohl zu Routineprüfungen als auch zur Prüfung von Auffälligkeiten führen, sind nach den Erfahrungen der Allianz-Trade-Expertinnen und -Experten am besten geeignet, um Täter zu ertappen. Zufälle oder Selbstanzeigen können ebenso dazu führen, Betrugsfälle zu entdecken.

Als wirksam gilt auch ein Whistleblowing-System, das sowohl Hinweise von Mitarbeitenden als auch externe Tipps aufnimmt. Empfohlen wird, die Hinweisstelle möglichst ausserhalb des Unternehmens, zum Beispiel bei einer Anwaltskanzlei, anzusiedeln. 

Vorsicht Falle: Haftungsrisiken werden häufig unterschätzt

Neben finanziellen Schäden entstehen durch diese Betrugsdelikte allerdings auch erhebliche Haftungsrisiken – sowohl für Geschäftsführer als auch für «normale Mitarbeitende».

«Wer im Unternehmen entscheidet, haftet», sagt Stefan Steinkühler, selbständiger Jurist und Experte für Versicherungsrecht, Managerhaftung und Haftungsrecht. Kriminelle Mitarbeitende haften für ihre Taten bei Fahrlässigkeit – ihre Chefs aber ebenso, wenn sie es den Tätern zu leicht machen und es unterlassen haben, entsprechende Vorsorgemassnahmen und Absicherungsmechanismen zu implementieren. Steinkühler: «Wer seinen Laden nicht im Griff hat, muss dafür geradestehen – schlimmstenfalls mit dem eigenen Privatvermögen. Bestenfalls springt eine Versicherung ein.»

Die Erfahrung von Allianz Trade zeigt: Unternehmen bleiben häufig auf einem Grossteil des Schadens sitzen. Hier kann dann die Vertrauensschadenversicherung (VSV) einspringen. Obere Führungskader haften hingegen grundsätzlich unbegrenzt und mit ihrem Privatvermögen – und sichern sich deshalb oft mit einer Managerhaftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) ab.