Herr und Frau Schweizer schätzen ihre finanzielle Absicherung für den Ruhestand insgesamt als gut bis sehr gut ein. Erwartet wird, dass AHV und Pensionskasse nach der Pensionierung rund 58 Prozent des letzten Erwerbseinkommens abdecken - das ist ein Ergebnis des Axa-Ruhestandsmonitors 2025 (HZ Insurance berichtete). Im Interview blickt der Studienverantwortliche Werner E. Rutsch noch weiter über den Tellerrand hinaus. 

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Herr Rutsch, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkenntnisse des Ruhestandsmonitors 2025?

Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist sicherlich, dass bei Fragen wie Renten- versus Kapitalbezug die Realität eine andere ist, als die meisten Menschen sie einschätzen. So hat zum Beispiel nur etwa jeder sechste Befragte angegeben, im Rentenalter das Kapital beziehen zu wollen. Laut Bundesamt für Statistik haben sich mit 41 Prozent aber mittlerweile mehr Personen für eine Kapitalauszahlung entschieden, als für eine ausbezahlte Rente (40%). Diese Diskrepanz ist schon interessant. 

Eine erfreuliche Erkenntnis ist, dass die eigene Absicherung für den Ruhestand grosso modo als gut eingestuft wird. Das spricht für das Dreisäulensystem in der Schweiz. Und was ich als Anlageexperte bemerkenswert finde ist die Tatsache, dass das Anlageverhalten der Vorsorgestiftungen in der Realität ziemlich gut mit den Erwartungen der Befragten übereinstimmt - das zeigt sich vor allem bei Immobilienanlagen, die ja einen gewichtigen Teil ausmachen. Die Akzeptanz dafür ist hoch.  

Der Gesprächspartner

Werner E. Rutsch ist seit mehr als 15 Jahren Mitglied der Geschäftsleitung von AXA Investment Managers Schweiz AG und Head Alts Business. AXA IM Alts ist ein Unternehmensbereich von AXA Investment Managers, der seit dem 1. Juli 2025 nach Abschluss der Übernahme Teil der BNP Paribas Gruppe ist. 

Sie haben die Diskrepanz zwischen Kapital- und Rentenbezug angesprochen. Was sind die Gründe dafür?

Da gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Viele Erwerbstätige wissen beispielsweise gar nicht, wie viel Kapital sie tatsächlich in ihrer Vorsorgestiftung haben. Dabei ist das in der Regel der grösste Vermögensposten. Deshalb können sie Fragen dazu häufig schlechter beurteilen. Dann gibt es eine ganze Branche, die darauf hinarbeitet, den Kapitalbezug besonders schmackhaft zu machen. Denn sie haben natürlich ein vitales Interesse daran, das Kapital für die Neurentnerinnen und -rentner individuell zu verwalten. Da denke ich nicht nur an Banken, sondern auch an unabhängige Vermögensverwalter.

Ein weiterer Grund ist sicherlich die steuerliche Bevorzugung, die den Kapitalbezug gegenüber einem Renteneinkommen attraktiv macht. Zudem spielt auch die familiäre Situation eine Rolle, wenn ich meinen Kindern später Geld vererben möchte. Das ist bei einem Renteneinkommen weniger gegeben. Und zu guter letzt ein Argument, das zunehmend an Bedeutung gewinnt: Immer mehr beziehen das Kapital und verlassen die teure Schweiz, um woanders günstiger leben zu können. 

«Viele Erwerbstätige wissen gar nicht, wie viel Kapital sie tatsächlich in ihrer Vorsorgestiftung haben».

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Pläne des Bundesrats, den Kapitalbezug stärker zu besteuern?

Das Thema ist erst in der jüngeren Vergangenheit aufgekommen - dementsprechend spiegelt sich das in unserem aktuellen Ruhestandsmonitor noch nicht wirklich wider. Man sollte dabei auch bedenken, dass es in der Schweiz immer drei Ebenen gibt - Bund, Kantone und Gemeinden.

Ein erhebliches Steuersubstrat wird von den Kantonen abgeschöpft. Da würde sich mit dieser Vorlage nichts ändern.

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Nachhaltige Anlagen nach ESG-Kriterien waren lange Zeit das Mass aller Dinge. Hat diese Thematik an Bedeutung verloren?

Ja und nein. Das gilt aber eher für die Vorsorgeeinrichtungen und weniger für die Versicherten, bei denen Nachhaltigkeitskriterien nach wie vor einen hohen Stellenwert geniessen. ESG bleibt für beide Seiten auch in Zukunft wichtig, es gibt nicht die eine, richtige Messlatte für diese Kriterien. 

Sie haben mit der 15. Auflage des Ruhestandsmonitors so etwas wie ein kleines Jubiläum gefeiert - was hat sich über die Jahre verändert, was die Erwartungen und Einstellungen  anbelangt? 

Da würde ich vor allem zwei Komponenten in den Vordergrund stellen. Was sich zum einen verändert hat, ist sicherlich das grundsätzliche Interesse an der Thematik Altersvorsorge - das ist stark gewachsen. Das haben wir bei der Umfrage deutlich gespürt. Auf der anderen Seite hat sich auch das Finanzwissen deutlich verbessert. Zwar noch nicht in einem Umfang, wie es wünschenswert wäre, aber es geht zumindest in die richtige Richtung - nicht zuletzt dank Youtube und Social Media. Die Menschen sind in jedem Fall besser informiert, als es noch vor 15 Jahren der Fall war. 

«Das Anlageverhalten ihrer Vorsorgestiftung interessiert die Versicherten sehr».

Nutzen Sie die Studienergebnisse auch für Ihre eigene praktische Arbeit bei AXA IM Alts? 

Natürlich nutzen wir die Inputs. Für uns und die Vorsorgestiftungen ist es beispielsweise gut zu wissen, dass die grosse strategische Bedeutung von Immobilienanlagen in der Schweiz auch von den Versicherten gutgeheissen wird. Das kann die eine oder andere Stiftung vielleicht sogar bekräftigen, dort weiter zu investieren. 

Zudem gibt die Studie Impulse, am Thema Finanzwissen dranzubleiben und als Stiftung offen zu kommunizieren, in welchen Bereichen sie ihre Anlageschwerpunkte setzt. Das kann ja auch mit wenig Aufwand auf dem Vorsorgeausweis oder in den digitalen Kanälen dargestellt werden - Transparenz zahlt sich aus. Das Anlageverhalten interessiert die Versicherten nämlich sehr, wie unsere Studie zeigt.

Kommunikation ist das eine, mehr Flexibilität das andere. Sind Pensionskassen heute flexibel genug, was unterschiedliche Lebensmodelle anbelangt? 

Diese Flexibilität kommt immer mehr, wenn auch mit etwas Verzögerung. Neue Modelle sind vor allem dann interessant, wenn die strikte Trennung von Kapital und Rente etwas aufgeweicht wird. Also zum Beispiel in den ersten 10 oder 20 Jahren eine etwas höhere Rente und dann sukzessive abnehmend - oder einen Kapitalschutz auf den Kapitalteil, damit ich meinen Erben noch etwas hinterlassen kann. Einige Stiftungen sind jetzt dabei, solche Komponenten einzuführen. Da kommt einiges in Bewegung. Zwar langsam, aber stetig. 

Bleiben die Schweizer Renten sicher? 

Jede Stiftung ist eine eigene Rechtseinheit, gehört Arbeitgebern und Arbeitnehmern und ist vom Sponsor unabhängig. Selbst wenn ein Unternehmen in den Konkurs geht, heisst das nicht, dass dann auch die Pensionskasse ein Problem hat. Meiner Meinung nach sind die Schweizer Renten vor allem aufgrund der rechtlichen Strukturen sehr sicher. Bei der ersten Säule haben wir bekanntlich gerade eine Abstimmung hinter uns und beschäftigen uns damit, wie wir jetzt diese Zusatzrente finanzieren.

Zur Studie

Die Studie «Ruhestandsmonitor 2025» basiert auf einer Befragung von 1'200 Personen der Schweizer Bevölkerung ab 18 Jahren (inkl. Deutschschweiz, Westschweiz und Tessin), davon 302 Pensionierte. Sie wurde zwischen dem 28. Mai und 17. Juni 2025 durchgeführt, mittels Online-Panel-Befragung. Die Studie ist bevölkerungsrepräsentativ.