Ob nach einem guten oder schlechten Börsenjahr: Pensionskassenvergleiche sind beliebt, und sie werden anhand verschiedener Kennzahlen vorgenommen. Als wichtigste Messgrösse der finanziellen Lage und (temporären) Stabilität einer Pensionskasse dient der Deckungsgrad, der das Verhältnis zwischen dem Vermögen und den Verpflichtungen einer Pensionskasse ausweist.

Ab einem Deckungsgrad von 100 Prozent hat eine PK genug finanzielle Mittel, um alle Leistungsansprüche der Versicherten zu decken. Liegt er darunter, besteht eine Unterdeckung. Fällt der Deckungsgrad deutlich oder für längere Zeit unter 100 Prozent, muss die Pensionskasse Sanierungsmassnahmen einleiten – zum Beispiel, indem sie von den Arbeitgebenden und den versicherten Erwerbstätigen zusätzliche Sanierungsbeiträge verlangt. Sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Kassen zeigten nach dem schwierigen Börsenjahr 2022 im Durchschnitt einen deutlich tieferen Deckungsgrad als ein Jahr zuvor.

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Sollte es also das Ziel aller Pensionskassen sein, einen möglichst hohen Deckungsgrad zu erreichen? Nicht unbedingt. Die Berechnung des Deckungsgrads kann durch verschiedene Parameter beeinflusst werden. Eine Anhebung des technischen Zinssatzes führt beispielsweise automatisch zu einem höheren Deckungsgrad, da dadurch der gegenwärtige Wert der benötigten Vorsorgekapitalien für die Rentenverpflichtungen reduziert wird. Laut einer allgemeinen Regel steigt der Deckungsgrad um bis zu 5 Prozentpunkte, wenn der technische Zinssatz um 0,5 Prozentpunkte erhöht wird.

Der Gastautor: Werner E. Rutsch, Head Institutional Business, Axa Investment Managers Schweiz, Winterthur.

So wie eine Unterdeckung nicht für jede PK die gleichen Konsequenzen hat – öffentlich-rechtliche Kassen geniessen die Sicherheit vom «Sponsor», das heisst, der öffentlichen Hand –, ist auch die Struktur einer Kasse entscheidend für ihre finanzielle Stabilität. Ein höherer Anteil an Rentnerinnen und Rentnern im Vergleich zu den Arbeitnehmenden schränkt die Handlungsfähigkeit einer PK im Unterdeckungsfall ein, da garantierte Renten nicht gekürzt werden können. Bei einem geringeren Rentneranteil hingegen hat die Kasse mehr Optionen und bessere langfristige Zukunftsperspektiven.

Deckungsgrad kann auch zu hoch sein

Im Gegensatz zur gängigen Auffassung kann der Deckungsgrad einer Pensionskasse auch zu hoch sein. Eine Wertschwankungsreserve von etwa 15 Prozent des Gesamtvermögens reicht in der Regel aus, um Renditeschwankungen aufzufangen. Bei übermässig hohen Deckungsgraden und Schwankungsreserven fragt man sich, warum die Kasse sie nicht zur Ausschüttung an die Versicherten oder zur Verbesserung der Leistungen verwendet. Beim Austritt können Versicherte nämlich nur «100 Prozent» mitnehmen, daher ist ein überhöhter Deckungsgrad, zu dem sie beigetragen haben, unfair.

Beim Deckungsgrad ist also höher nicht immer besser und tiefer nicht immer schlechter. Pensionskassen sollten auch nicht von einer vielversprechenden, langfristigen Anlagestrategie abrücken, nur weil sie eine temporäre Unterdeckung ausweisen. Eine differenzierte Betrachtung des Deckungsgrads ist unabdingbar – und sollte für alle fair sein.