Mikroversicherungen sind das beste Beispiel, sagte Lukas Neumann, Forscher an der Universität St. Gallen, im März am 18. Europäischen Trendtag des Gottlieb Duttweiler Institute in Rüschlikon ZH. Denn solche Mikroversicherungen weisen alles auf, was Menschen heute erwarten: Sie sind einfach, transparent und sie funktionieren genau so, wie man das von ihnen erwartet. Dass es vielfach bei ganz normalen Versicherungsverträgen anders aussieht, weiss jeder Mensch, der selber Schadenfälle mittlerer Komplexität erlebt hat: Bei der geringsten Abweichung vom Standardfall wird es rasch sehr kompliziert. Details müssen erklärt werden. Und damit entstehen Chancen für neue Anbieter.

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Einbetten bedeutet nicht verschwinden

Es stellt sich bei den modernen Entwicklungen nicht mehr die Frage nach machen oder weglassen. Sehr erfolgreiche Geschäftsmodelle betten Versicherungsleistungen in die Dienste anderer Unternehmen aus anderen Branchen ein. Die wichtigsten Leistungen – wie beispielsweise ein Versicherungsschutz bei den E-Autos von Tesla – laufen dann im Hintergrund. Bei Weiterentwicklungen von digitalen Geschäftsmodellen liegen hier laut Analysten grosse Potenziale – wenn man diese nicht nur den Zufälligkeiten von Design-Thinking-Workshops überlässt, sondern die Vereinfachungen durch Weglassen als offen deklariertes mögliches Ziel bezeichnet. 

Kopieren ist keine gute Lösung

Dann können Versicherungsgesellschaften auch einer anderen Falle entkommen: Wenn digitale Innovationen von Branchenführern mehr oder weniger direkt kopiert werden, ist der Erfolg oft bescheiden. Denn die ganze Philosophie dahinter wird oft vergessen – und selbst wenn man diese als Faktor auf dem Radarschirm hatte, lässt sich diese nicht beliebig kopieren. Sichtbar ist das Ergebnis an den bescheidenen Kundenzahlen vieler digitaler Angebote. Sie mögen noch so sparsam daherkommen – aber das bedeutet nicht gleich auch eine einfache Nutzungsmöglichkeit.    

Bremsfaktor alte IT

Intuitiv sträuben sich viele Unternehmen gegen eine Vereinfachung: Das Leben ihrer Kundinnen und Kunden wird immer komplizierter und um alle Spezialfälle zu regeln, braucht es eben eine Vielzahl von Features. Sichtbar ist das an vielen Online- und Mobil-Auftritten von Finanzdienstleistern. Experimentell hat man laut dem Wirtschaftsanthropologen Jason Hickel bei Menschen nachgewiesen, dass man bei Problemlösungen einfach noch weitere Ressourcen einsetzt – und nicht stattdessen einfach etwas weglässt, um zum Ziel zu gelangen. 

Erfolgreiche Beispiele 

Dafür stehen einige der erfolgreichen neuen Anbieter, die konsequent auf Einfachheit setzen. Robinhood beispielsweise, die bei jungen Menschen sehr erfolgreiche Trading-App. Die kommt mit viel Weissraum auf der Oberfläche aus, die Features sind auf das gerade erforderliche Minimum reduziert. Apple macht das Gleiche bei und mit der Hardware. Auch hier gibt es eine einfache, intuitive Bedienung, wenige Schalter, die Sachen sollen einfach laufen. Reibungslos. Umstritten ist derzeit, ob das Modell auch für mobile Finanzdienstleistungen gilt. Einfache Banking- und Zahlungsanbieter wie Revolut und N26 vereinfachen, so gut es geht. Vielerorts steht dahinter indes auch die Herausforderung, alte Systeme im Hintergrund mit neuen Anwendungen zu verbinden. Was als einfach und reduziert daherkommt, weist deshalb oft auf Mängel an anderen Stellen hin – wie bei einer alten IT oder einer unzureichend vorgenommenen Abklärung der «echten» Kundenbedürfnisse. 

Stopp-Schilder einbauen 

Wie beispielsweise die in der Schweiz verbreitete Handhabung, wonach Kundinnen und Kunden zwar einige Informationen auf den Websites von Versicherungsgesellschaften finden. Die Verträge müssen die Kundinnen und Kunden aber dann selber ausdrucken und per Post einschicken. Laut dem Innovationsexperten Navi Radjou haben sich Stopp-Marken bei der Entwicklungs- und Innovationsphilosophie bewährt. Bisheriges Verhalten wird abrupt beendet, es müssen neue Wege begangen werden und nach einer kurzen Zeit der Umgewöhnung vermisst niemand mehr den bisherigen Schnickschnack. Ein Beispiel hierfür ist das Vorsorge- und Sparthema, bei dem grosse Lebensversicherungen (auch) zunehmend mit Banken konkurrenzieren. Gemäss nüchterner Sichtweise geht es hierbei um den sorgfältig geplanten Vermögensaufbau mit regelmässigen Sparbeträgen. In der Praxis hat sich jetzt bei einigen sehr erfolgreichen digitalen Apps gezeigt, dass es hierbei um ganz andere Themen geht. Unterhaltung beispielsweise, wenn sich die Kurse bewegen und die Suche nach Sicherheit in einer komplexen Welt – dann sollte wenigstens die Vorsorge robust erscheinen.