Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag seit Ihrer Ernennung zum CEO von Aon Schweiz im November verändert? 

Neu verbringe ich jetzt die Woche in Zürich und kehre am Wochenende in mein Dorf im Waadtland zurück, wo meine Familie lebt. Was meine Agenda betrifft, so habe ich mit meinem Eintritt in den Verwaltungsrat von Aon in der Schweiz weitere unternehmerische und regulatorische Aufgaben übernommen. Mein Schwerpunkt bleibt jedoch derselbe: dafür zu sorgen, dass unsere Kollegen über die richtigen Instrumente, Engagement und Leidenschaft verfügen, um die Kunden mit den höchsten Qualitätsstandards zu bedienen und ihre Bedürfnisse zu antizipieren. Mein geografischer Wirkungsbereich hat sich erweitert, aber ich teile weiterhin dieselbe Philosophie mit meinen Teamleitern, sodass der Übergang reibungslos verlief.

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Wie gross waren die Fussstapfen, die Ihr Vorgänger Felix Jenny hinterlassen hat?

Felix hat eine Schlüsselrolle beim Aufbau des Brokerage-Geschäfts von Aon in der Schweiz gespielt. Ich habe daher die Rolle als CEO mit Bescheidenheit und Engagement übernommen. Aon Schweiz hat im vergangenen Jahr einige organisatorische Änderungen vorgenommen: Wir haben das Brokerage-Geschäft und die Aktivitäten im Bereich Vorsorgeberatung und -verwaltung zusammengelegt und unter eine einheitliche Leitung gestellt. Dies erlaubt uns, mit einer Stimme zu sprechen und unsere Kunden noch besser zu bedienen. Meine direkten Mitarbeiter haben nun mehr Verantwortung und Rechenschaftspflicht. Die neue Einheit umfasst mehr als 300 Kollegen in 8 Niederlassungen. Wir greifen auch auf die Ressourcen des Unternehmens in der EMEA-Region zurück. Auch werden wir bald mehr über die neue Struktur mitteilen.

Auf dem Maklermarkt ist viel in Bewegung. Die Fusion von Aon mit Willis Tower Watson scheiterte 2021 an wettbewerbsrechtlichen Fragen. Ist das Thema komplett vom Tisch?

Wir sind immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, auch in der Schweiz, wo wir wachsen möchten. Bei Aon sind wir überzeugt, dass es eine kritische Grösse braucht, um Kunden im heutigen anspruchsvollen Umfeld erfolgreich zu beraten. Die fortschreitende Konzentration in der Versicherungsbranche, ein hart umkämpfter Markt, zunehmende regulatorische Änderungen, die für kluge Geschäftsentscheide benötigten Daten und Analysen sowie das Vorhandensein eines geeigneten internationalen Netzwerks entsprechend dem Wachstum des Unternehmens sind nur einige der Themen, mit denen sich Kunden heute auseinandersetzen müssen. Aon ist gut positioniert und gehört weiterhin zu den innovativsten sowie visionärsten Akteuren auf dem Markt. Mit unseren Teams sind wir vor Ort nah am Kunden. 

Haben kleinere Häuser eine Chance, zu überleben?

Auf jeden Fall. In unserem Geschäft geht es letztlich um Menschen, und ich bin überzeugt, dass Firmen mit starker Expertise in einer bestimmten Branche oder Region einen Mehrwert für verschiedene Versicherungsbedürfnisse bieten können.

Was sind mittelfristig die grössten Herausforderungen für das Versicherungsgeschäft? 

Die Herausforderungen sind vielfältig, und es ist wichtig, Trends im Markt zu antizipieren, um erfolgreich zu sein. Aon war schon immer an vorderster Front bei neuen Entwicklungen, die die Zukunft prägen werden. Themen wie ESG (Umwelt, Soziales, verantwortungsvolle Unternehmensführung), Fragen rund um Mergers & Acquisitions, geistiges Eigentum sowie das Wohlbefinden und die steigende Belastbarkeit der Arbeitskräfte, um nur einige zu nennen, werden für Kunden immer wichtiger. Wir sind in diesen Bereichen sehr aktiv. Morgen denken wir vielleicht über Lösungen für das Metaverse und Kryptotechnologien oder politische Risiken in Europa und deren Bedeutung für die Märkte nach.

Woher nehmen Sie das Know-how und die Technologien, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen?

Aon investiert schon lange in neue Technologien und Innovationen, um die Qualität unserer Dienstleistungen kontinuierlich zu steigern. Dies ist eine Tradition, die tief in unserer Organisation verankert ist. Für uns sind innovative Technologien gleichbedeutend mit Wachstum.

Prognosen besagen, dass der Klimawandel enorme Schäden und Kosten verursachen wird. Wie stellen Sie sich als Versicherungsmakler, der seine Kunden bei solchen Schäden berät, diesen Herausforderungen? 

In der Tat verursacht die wachsende Zahl von Naturkatastrophen zusammen mit der zunehmenden Konzentration von Vermögenswerten enorme Schäden und Kosten. Bei Aon schätzen wir, dass Naturkatastrophen wirtschaftliche Schäden in Höhe von mehr als 343 Milliarden Dollar für das Jahr 2021 verursacht haben. Auch wenn der (Rück-)Versicherungsmarkt gut kapitalisiert ist und der Verlust bei Kunden durch traditionelle und alternative Risikotransferlösungen abgesichert ist, sind wir überzeugt, dass Versicherungen nur einen Teil der Antwort darstellen. Der Schlüssel heisst hier Vorbeugung. Deshalb investieren wir viel Zeit und Ressourcen bei der Identifizierung und Quantifizierung der Risiken zusammen mit unseren Kunden. Diese Analysen können sehr nützlich sein, wenn es darum geht, gemeinsam mit den Unternehmen Massnahmen zur Schadensbegrenzung zu ergreifen und Pläne zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zu entwickeln, um das Risiko eines solchen Schadens zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen.

Prävention ist der Schlüssel, und es muss noch viel getan werden, um irreversible Schäden am Ökosystem zu verhindern. Welchen Beitrag leistet Aon in diesem Bereich?

Die Welt muss ihre Anstrengungen verstärken und sich in Richtung eines grüneren Planeten bewegen, damit wir alle eine Chance haben. Technologie spielt dabei eine Schlüsselrolle. Aon hat sich verpflichtet, die Umweltauswirkungen seiner Geschäftstätigkeit zu verringern und ein widerstandsfähigeres, nachhaltiges Unternehmen mit dem Erreichen von Netto-null-Treibhausgasemissionen bis 2030 zu werden. So werden beispielsweise 90 Prozent des Papiers, das Aon einkauft, recycelt oder tragen ein Umweltzeichen. Ausserdem setzt Aon dank seiner robusten technologischen Infrastruktur auf alternative Kommunikationslösungen, die es uns ermöglichen, Flug- und Autoreisen zu reduzieren. 

In einigen Bereichen der Industrieversicherung wie z. B. Cyber und D&O sind die Preise stark gestiegen, und die Deckungswünsche der Unternehmen können nicht immer erfüllt werden. Befürchten Sie nicht, dass immer mehr Unternehmen dazu übergehen werden, ihre eigenen Captives aufzubauen, entweder allein oder in Kombination mit anderen?

In der Versicherungsbranche sind Zyklen nicht neu, sondern Teil der Realität. Als innovativer Berater ist es unsere Aufgabe, solche Zyklen zu antizipieren und unseren Kunden zu helfen, ihre Risikotransferstrategie entsprechend anzupassen. In der Tat stellen Captives oder PCC (Protected Cell Companies, eine Art gemietete Captive) eine Lösung dar, wenn die Preise deutlich steigen. Daher ermutigen wir unsere Kunden sogar, eine solche Lösung als Teil unserer Beratungsdienste in Betracht zu ziehen. Wir haben engagierte Teams in der ganzen Welt, auch in der Schweiz, die sich auf die Analyse, Gründung und Verwaltung von Captives konzentrieren. Darüber hinaus verfügen wir über verschiedene Tools, mit denen wir den Versicherungsgesellschaften Risiken strukturiert darstellen und so den besten Anbieter auf dem Markt finden können. 

Zur Person:

Pierre Brunel ist seit November 2021 CEO von Aon Schweiz. Zuvor war Pierre Brunel sechs Jahre lang für Aon Westschweiz (Romandie) verantwortlich. Davor hatte er eine leitende Position bei einem führenden internationalen Versicherungsmakler in der Schweiz und im Nahen Osten inne. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in der Versicherungsbranche verfügt Brunel über ein tiefes Verständnis der Schweizer Versicherungs-, Rückversicherungs- und Risikomanagementmärkte.