Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1) ist ein im Darm produziertes Hormon. Es reduziert das Hungergefühl. Krankhaft Fettleibige erfahren Linderung, solange sie die Fett-weg-Pillen mit dem Wirkstoff zu sich nehmen. Folgekrankheiten wie Diabetes Typ 2 können durch den medikamentenbedingten Gewichtsverlust vermieden werden.

Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, welches diese Medikamente in die Grundversicherung übernimmt. Die Kostenübernahme der Therapie ist derzeit auf drei Jahre begrenzt. 

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«Die aktuell vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) festgelegten Kriterien schränken die Verschreibung von GLP-1 stark ein», heisst es bei Groupe Mutuel. Diese könne nur durch bestimmte Fachärzte wie Endokrinologen oder Diabetologen erfolgen, wodurch eine gezielte Anwendung gewährleistet werde.

Nützen die GLP-1-Medikamente etwas?

Medikamente mit GLP-1-Agonisten bewirken bei Adipositas eine Gewichtsabnahme. Erste Studien zeigen jedoch, dass ein Jahr nach dem Absetzen ein Grossteil der Patientinnen und Patienten wieder an Gewicht zulegt. «Somit ist fraglich, ob die Gewichtsreduktion nachhaltig ist», hält Sanitas fest.

Auch andere Krankenkassen zweifeln. Concordia, CSS, Helsana, Groupe Mutuel, Swica sowie Sanitas verweisen dabei auf derzeit noch fehlende Langzeitdaten. Die CSS weiss aus Studien, «dass rund die Hälfte der Patientinnen und Patienten aufgrund unerwünschter Wirkungen wieder abbrechen».

Erheblicher Aufwand für Versicherer

Für Krankenversicherer stellen die GLP-1-Therapien einen erheblichen Aufwand und Kosten dar, wie eine Umfrage dieser Redaktion bei den grössten Krankenversicherern ergab.

Neben den prämienrelevanten Medikamentenkosten verursacht die Überprüfung vor einer Therapie mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten «einen erheblichen administrativen Aufwand, der bei Sanitas mehrere Mitarbeitende in Vollzeit beschäftigt», betont Sanitas und fordert bei der Überprüfung einen grösstenteils automatischen Informationsaustausch zwischen Krankenversicherern und Leistungserbringern, um diesen Aufwand zu reduzieren.

Groupe Mutuel wirft seinen Blick auf die rasante Entwicklung bei GLP-1-Verabreichungen: «Die rasche Zunahme» der Verschreibungen werfe «durchaus Fragen hinsichtlich der Menge und der Preisgestaltung auf».

Alternative Wege gegen Fettleibigkeit

«Für eine erfolgreiche und nachhaltige Gewichtsreduktion gelten die bekannten Empfehlungen respektive Massnahmen wie zum Beispiel Ernährungsumstellung, mehr Bewegung und psychologische Begleitung», betont Helsana.

Und Swica hält fest: «GLP-1-Agonisten sollten erst eingesetzt werden, wenn nichtmedikamentöse Behandlungsmöglichkeiten nicht den gewünschten Therapieerfolg zeigen.» Für ausgewählte Patientinnen und Patienten mit schwerer bis morbider Adipositas seien nach sorgfältiger Abklärung auch chirurgische Interventionen geeignet.

Billiger als eine Operation

«Aufgrund ihres invasiven und irreversiblen Charakters sind diese Eingriffe jedoch nicht für alle Patientinnen und Patienten geeignet. Von den aktuell verfügbaren Optionen heben sich die GLP-1-Präparate diesbezüglich ab», betont Groupe Mutuel.

Eine Magenbypass-Operation könne bis zu 40’000 Franken kosten. GLP-1-Medikamente dürfen derzeit maximal drei Jahre lang bezogen werden, was gemäss Groupe Mutuel 179 Franken pro Monat entspricht und Medikamentenkosten von rund 6442 Franken pro Patientin oder Patient verursacht.

Swica beziffert die Kosten auf «rund 10’000 Franken zusätzlich zu den nichtmedikamentösen Therapiemassnahmen». 

Kostenabwägung im Auge behalten

Künftige Studien müssten zeigen, «ob die von der Allgemeinheit getragenen Kosten für diese Gewichtsreduktionstherapie und der damit verbundene hohe Aufwand gerechtfertigt sind», meint Sanitas. Für die Krankenkasse ist ein Abwägen sinnvoll. Sie fragt sich, «ob dieses Geld und die Arbeit an anderer Stelle im Gesundheitswesen besser investiert gewesen wären».

Doch für eine seriöse Kosten-Nutzen-Analyse fehlen momentan belastbare Daten, da sind sich alle befragten Krankenkassen einig. 

Sorgenvoller Blick in die Zukunft

Mehrere Krankenversicherer warnen vor zunehmenden Kosten: Sollten die Kriterien für den Einsatz dieser GLP-1-Behandlungen ausgeweitet werden und damit die Menge zunehmen, müsse unbedingt eine Preissenkung erfolgen. 

Aus Sicht der CSS «ist es wichtig, dass bei Übergewicht nicht einfach und direkt zu teuren Medikamenten und Abnehmspritzen gegriffen wird. Diese Gefahr besteht aktuell – mit entsprechenden Kosten- und Prämienfolgen. Wir sehen, dass die Leistungskosten aufgrund solcher Abnehmspritzen markant ansteigen.» 

Durch die Fett-weg-Pillen würden für die Grundversicherung noch höhere Kosten entstehen, stellt Helsana fest. Und fügt an: «Diesbezüglich ist es unserer Ansicht nach der richtige Weg, dass das Parlament im Rahmen des zweiten Kostendämpfungspakets den Mengenrabatten bei Medikamenten mit hohen Umsätzen zugestimmt hat.» Diese Mengenrabatte würden per Verordnung umgesetzt «und sollten auch für GLP-1-Abnehmpräparate gelten».

Mehr Prävention, weniger Adipöse

Am allerbesten wäre es natürlich, wenn die immer weiter grassierende Fettleibigkeit in unserer Gesellschaft gar kein Thema wäre, da sind sich alle Krankenkassen einig. Als Schlüssel dazu fordern CSS, Concordia, Groupe Mutuel, Helsana, Sanitas und Swica eine verbesserte Prävention gegen Fettleibigkeit.

In Zukunft könnte eine bessere Behandlung von Adipositas in der Schweiz durch Gesetzesanpassungen oder durch die Entwicklung von Präventionsprogrammen und Massnahmen der öffentlichen Gesundheit erreicht werden, führt Groupe Mutuel ins Feld und meint: «Die Versicherer allein sollten nicht die kompletten Ausmasse der Versorgung von adipösen Patientinnen und Patienten bewältigen müssen.»

Concordia bringt es auf den Punkt: «Wir würden uns einen noch stärkeren Fokus auf Prävention wünschen. Massvolle Ernährung und genügend Bewegung sollen allen Menschen ermöglichen, ihre Gesundheit nicht mit Übergewicht und den bekannten Folgekrankheiten zu belasten. Programme zur Unterstützung einer nachhaltigen Verhaltensänderung sollten gestärkt und längerfristig begleitet werden.»
 

GLP-1-Medikamente und wie die Schweiz damit umgeht

Das Glucagon-like Peptide-1, kurz GLP-1, ist ein Peptidhormon, das im Darm (L-Zellen von Ileum und Kolon) produziert wird. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Blutzuckers und gilt als Sättigungshormon.

GLP-1-Rezeptor-Agonisten sind Medikamente, die die Wirkung von GLP-1 imitieren. Sie werden zur Behandlung von Typ-2-Diabetes und bei Adipositas eingesetzt.

GLP-1-Rezeptor-Agonisten können auch beim Abnehmen helfen, indem sie das Hungergefühl eindämmen und für ein längeres Sättigungsgefühl sorgen.  Beispiele für GLP-1-Rezeptor-Agonisten sind: Dulaglutid, Exenatid, Liraglutid, Semaglutid, Tirzepatid. 

Die Kostenübernahme aus der Grundversicherung (OKP) ist aktuell auf drei Jahre beschränkt. Die Medikamente werden durch Swissmedic, das Schweizerische Heilmittelinstitut, zugelassen. 

Die Aufnahme in die Spezialitätenliste (SL) erfolgt durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Dabei müssen die  WZW-Kriterien (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) erfüllt sein. Darüber hinaus müssen diese Präparate diverse Limitationsanforderungen erfüllen und die Zulassung ist teilweise befristet. (ajm)

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