Thomas Schöb, Sie sind CEO der Baloise Bank AG, eine Tochter der Baloise-Gruppe, zu der auch die Baloise Versicherung gehört. Was ist deshalb bei der Baloise Bank besonders?
Wir sind ein Bestandteil unseres gemeinsamen Geschäftsmodells «Versicherung & Bank», einem schweizweit einzigartigen Ansatz, den wir auch Insure-Banking nennen. Unsere Kundinnen und Kunden werden in Finanzthemen und Versicherungsthemen gleichermassen beraten.
Aus dieser ganzheitlichen Beratung wählen Kunden oder Kundinnen das Produkt, das ihren individuellen Bedürfnissen entspricht.
Letzteres machen ja eigentlich alle Banken. Doch was ist der Approach bei der Baloise Bank?
Die Baloise Bank AG hat einen Vorteil dank des privilegierten Zugangs zu den Kundinnen und Kunden der Versicherung und umgekehrt. Im Idealfall haben die Kundin oder der Kunde schon eine langjährige Beziehung zum Finanzpartner in der Versicherung, also zu unseren Kundenberatern. Dadurch erreichen wir diese Kundenbasis leichter und können mit ihnen auch über Bankthemen sprechen. Als Kundin oder Kunde habe ich damit eine Anlaufstelle für sämtliche Themen im Bereich Vorsorge und Vermögen.
Wie läuft das ab?
Die Beratung bei uns übernehmen Finanzpartner. So nennen wir unsere Kundenberater. Unsere Finanzpartner haben eine breitere Lösungspalette für die Kundschaft zur Verfügung als Kundenberater einer reinen Versicherung.
Der Finanzpartner kann beispielsweise einen Finanzplaner, einen Fachspezialisten Finanzen oder einen Private Banker hinzuziehen – je nachdem, wie tief sein Bankwissen ist und welche Lösungen er für die Kundin benötigt. Hier differenzieren wir uns von anderen Banken und anderen Versicherungen.
Wie hoch ist das Verhältnis Unternehmenskunden zu Privatleuten?
Die Baloise Bank AG ist vor allem im Privatkundensegment stark und in der Lage, umfassende Angebote zu bieten. Bei Firmenkunden sind wir primär im alten Stammgebiet der Solothurner Bank tätig, das heisst in etwa im Viereck Basel, Biel, Bern, Aarau. Dort haben wir auch für Unternehmenskunden eine breite Angebotspalette.
Welche Aufgaben nimmt die Baloise Bank für das Mutterhaus respektive die Baloise Versicherung wahr?
Wir bieten einen Teil der Insure-Banking-Produktpalette an. Wir finanzieren vor allem Wohneigentum. Das macht die Versicherung auch auf ihrer eigenen Bilanz. Hier stellen wir sicher, dass die Risikobeurteilung, die Qualitätseinschätzung, das Servicing, die Dokumente, einfach alles drum und dran, geprüft und vorhanden ist.
Im 3a-Geschäft kann Baloise sowohl Versicherungslösungen als auch Banklösungen anbieten. Zu guter Letzt ergeben sich Anschlusslösungen, wenn eine Auszahlung aus der privaten Vorsorge oder eine Auszahlung aus der beruflichen Vorsorge ansteht. Wenn sich jemand entscheidet, das Kapital zu beziehen statt die Rente, bieten wir Vermögensverwaltungsmandate an.
Wie unabhängig können Sie überhaupt agieren? Sind Sie an der kurzen Leine?
Die Frage ist, wie unabhängig ich überhaupt agieren will. (schüttelt den Kopf) Das Thema, uns als Bank separat positionieren zu müssen, kommt mir gar nicht in den Sinn, weil das nicht unserer Strategie entspricht.
Für die Bank habe ich relativ grosse Entscheidungsfreiheiten, aber letztlich müssen diese Entscheidungen auf das Insure-Banking-Geschäftsmodell von Baloise einzahlen. Ich bin zudem Mitglied der Geschäftsleitung von Baloise in der Schweiz, wo auch meine Kollegen von der Versicherung einsitzen. Das ist zum Beispiel eines dieser Gefässe, in denen wir uns miteinander abstimmen.
Doch Versicherung ist nicht gleich Bank …
Korrekt. Es sind zwei verschiedene juristische Einheiten. Wir haben die Bankenaufsicht, die Versicherungsaufsicht – da kann uns die Regulierung auch mal vor eine Herausforderung stellen. Hier müssen wir stets aufpassen, um alles sauber im Einklang mit der geforderten Regulatorik umzusetzen.
Was ist so ein Regulierungsknüppel?
Datenschutz. Je nachdem dürfen wir Daten zwischen Bank und Versicherung nicht austauschen. Oft kann die Kundin oder der Kunde das Einverständnis geben. Doch das funktioniert nicht überall.
Wann zum Beispiel nicht?
Insbesondere bei alten, langfristig ausgelegten Verträgen. Jemand hat vor 25 Jahren einen Einzellebenvertrag abgeschlossen. Das ist die einzige vertragliche Beziehung, die diese Person mit Baloise hat. Da kann ich nicht einfach irgendwelche AGB ändern und sagen: «Wenn Sie nichts dagegen haben, dann teilen wir die Daten.» Den möglichen Datenaustausch hat man vor 25 Jahren noch nicht vorgesehen, heute ist das anders.
Es ranken sich Übernahmegerüchte um die Baloise. Zürich, AXA und auch die Allianz werden als mögliche Käufer gehandelt. Das betrifft zwar zunächst Ihr Mutterhaus, indirekt aber auch Sie. Welche Auswirkungen hat das?
Baloise verfolgt mit der Refokussierungsstrategie, die wir im letzten September vorgestellt haben, eine eigenständige Strategie. Wir wollen den Weg dieser Refokussierungsstrategie gehen und in der Schweiz das Geschäftsmodell «Versicherung & Bank» skalieren. Und daran arbeiten wir Tag für Tag.
Sie lassen sich also nicht beirren ...
Nein. Ich glaube an dieses Geschäftsmodell aus einem Guss.
Was macht Sie da so sicher?
Wenn ich auf die kontinuierlichen Entwicklungen der letzten Jahre schaue, freut mich das Leistungsvolumen unserer Bank – also die gemachten Finanzierungen, die neu angezogenen Passivgelder und Vermögensverwaltungsmandate.
Da kommt ein anständiger Teil über den Versicherungsvertrieb vermittelt bei uns an. Wir arbeiten daran, Bank und Versicherung noch mehr miteinander zu verknüpfen. Wir verschlanken stetig Prozesse, weil sie immer noch zu kompliziert sind – damit wir am Ende die erwünschte Skalierung hinbekommen.
Wie muss ich mir das konkret vorstellen? Ist meine Versicherungsberaterin auch gleich noch meine Finanzberaterin? Neben entgegengebrachtem Vertrauen braucht es dazu ziemlich viel Know-how.
(Nickt) Das ist so.
Wir haben zudem Finanzplaner in den Agenturen, dazu Fachspezialisten, die die ganzen Thematiken rund um Insurance und Banking kennen. Wenn es sehr bankspezifisch wird, kann man einen Privatkundenberater dazunehmen, der von der Baloise Bank AG kommt.
Der Finanzpartner unserer Kundschaft muss also nicht alles selber wissen. Doch er sollte das grundsätzliche Vertrauen seiner Kundinnen und Kunden geniessen. Er kann deshalb alles ansprechen. Wenn es aber ins Detail geht, zieht er einen Spezialisten bei.
Haben Sie Leute, die beides beherrschen?
Wir haben Leute, die beides beherrschen. Aber Sie sprechen einen richtigen und wichtigen Punkt an.
Wenn ich daran denke, über welch breites Spektrum unsere Finanzpartner beraten müssen: Über Versicherungsprodukte, Vorsorge und Vermögen mit unzähligen Lebensthematiken. Eine der Herausforderungen war für uns deshalb die Lösung der Frage: Wie können wir die komplexen Aufgaben eines Finanzpartners ein Stück weit auf verschiedene Köpfe verteilen? Unsere Antwort ist unser Supportsystem.
Unterstützt eine KI Ihre Beratungstools und den Support?
In gewissen Bereichen haben wir KI-Unterstützung. Nehmen wir zum Beispiel das Thema einer Finanzplanung. Im letzten Herbst pilotiert, steht unser neues Tool Baloise FX, das menschliche Finanzexpertise mit künstlicher Intelligenz kombiniert, bald im Einsatz. Dafür werden unsere anonymisierten Beratungsdossiers mit einem Sprachmodell verknüpft. Dank Gen AI sind wir in der Lage, schneller qualitativ hochwertige Finanzplanungen und Berichte für unsere Kundinnen und Kunden bereitzustellen.
Neben einem Effizienzgewinn haben wir zudem eine Qualitätssicherung in den Berichten. (schmunzelt) Nicht jeder ist ein geborener Schriftsteller.
Durch den lesbaren Bericht mit Baloise FX vermeiden wir ausserdem, unserer Kundschaft einen Zahlenfriedhof zu unterbreiten. Schliesslich wollen wir das Interesse unserer Kundinnen und Kunden für Themen wecken, statt Leute unterwegs zu verlieren.
Was wird für Sie und die Baloise Bank in den kommenden Monaten das Wichtigste sein?
Das Wichtige ist das Bewusstsein, dass wir nicht als Bank alleine, sondern im Zusammenspiel mit der Versicherung erfolgreich sein werden.
Wir streben eine Symbiose zwischen der Versicherung, unserem Assetmanagement und uns als Bank an.