Jedes Jahr werden weltweit mehr als 300 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Als Abfall macht der Werkstoff bis heute Probleme; tonnenweise landet Plastikmüll im Meer, wird von Tieren aufgenommen und kann in die menschliche Nahrungskette gelangen, stellt die International Union for Conservation of Nature fest.

Drohende Klagen wegen Gesundheitsschäden

Die weltweite Verschmutzung mit Plastikmüll war bisher ein Thema vor allem für Umweltschützer. Nach einer aktuellen Studie könnte daraus jedoch auch ein neues Grossrisiko für Versicherer werden. Allein in den USA drohten der Branche bis 2030 durch mögliche Gerichtsverfahren gegen Industriekunden Zahlungen von 20 Milliarden US-Dollar, prognostiziert die gemeinnützigen Minderoo Foundation in einer Analyse. 

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Die Untersuchung von Minderoo wird unterstützt vom australischen Bergbau-Magnaten Andrew Forrest und von der Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Juristen und Datenanalysten haben dabei erstmals Szenarien modelliert, wie sich die Kosten der Plastikverschmutzung auf die wahrscheinlichen Entschädigungszahlungen auswirken.

Unternehmen, darunter Petrochemie- und Konsumgüterfirmen, könnten für die Kosten der Beseitigung von Plastikverschmutzungen haftbar gemacht werden, während neue rechtliche Möglichkeiten zur Geltendmachung von Ansprüchen für den Schaden, den die Gesellschaft erleidet, die Haftung der Unternehmen zu erhöhen drohen, so die Analyse. Nach 2030 könnten die rechtlichen Ansprüche noch deutlich steigen.

Minderoo hatte die Anwaltskanzlei Clyde & Co zusammen mit dem Datenanalyseunternehmen Praedicat mit der Berechnung von möglichen Schadenszenarien beauftragt. Diese basieren auf dem Wert möglicher Umwelt- und Gesundheitsschäden, die auf Hunderte von Milliarden Dollar geschätzt werden. Demgegenüber stehen rechtliche Möglichkeiten, die Betroffene wahrnehmen könnten, um eine Entschädigung zu erhalten. In den Modellen von Praedicat wurden Wahrscheinlichkeiten für erfolgreiche Klagen wegen der Auswirkungen von in Kunststoffen enthaltenen Chemikalien angegeben. 

Diverse wissenschaftliche Untersuchungen haben bereits chemische Zusätze in Kunststoffen mit Gesundheitsproblemen wie Unfruchtbarkeit, frühe Pubertät, Entwicklungsstörungen und Stoffwechselerkrankungen in Verbindung gebracht. Nach Schätzungen des Berichts belaufen sich die weltweiten sozialen Kosten im Zusammenhang mit diesen kunststoffbezogenen Chemikalien auf über 100 Milliarden Dollar pro Jahr.

Anhand einschlägiger Präzedenzfälle, einschliesslich einiger Urteile in jüngsten Klagen, errechneten die Studienautoren eine voraussichtliche Haftung von 20 Milliarden Dollar in den USA. Andere Rechtswege führten zu geringeren Verbindlichkeiten der Unternehmen.

Erhebliche Kosten für Streitfälle

Die grosse Diskrepanz zwischen den geschätzten sozialen Kosten der Verschmutzung durch Plastikabfälle und den mehr als 20 Milliarden Dollar an Unternehmenshaftung erklärt sich zum Teil dadurch, dass die Rechtsstreitigkeiten im Bereich Kunststoffe noch relativ jung sind und dass es schwierig ist, Schäden mit bestimmten Kunststoffherstellern in Verbindung zu bringen. Die Lieferketten umfassen viele Akteure, und anders als beispielsweise bei Tabakklagen sind die meisten Menschen mit Kunststoffen bereits in Berührung gekommen. 

Versicherer und Risikomanager erstellen Modelle, um die reale Welt zu simulieren und die Wahrscheinlichkeit verschiedener zukünftiger Ergebnisse vorherzusagen. Der Bericht schätzt, dass die Versicherer im schlimmsten Fall Verluste in Höhe von 100 Milliarden Dollar für die Risikokvorsorge einkalkulieren müssten. Mit der Weiterentwicklung der Rechtsprechung bestehe mittelfristig die Möglichkeit, dass immer mehr Ansprüche aus Schadenfällen zugunsten der Kläger entschieden würden, heisst es in dem Bericht.

«In zehn Jahren könnten die Rechtsfälle weitaus stichhaltiger und die wissenschaftlichen Erkenntnisse weitaus belastender sein», so Dominic Charles, Direktor der Minderoo-Stiftung. Die Versicherer sollten daher laut Studie die Risiken besser einschätzen und entsprechend auf ihre Kunden einwirken. (bloomberg/hzi/mig)