Herr Krauskopf, vor allem republikanische Politiker in den USA behaupten, die Uno-Initiative Net-Zero Insurance Alliance stelle eine unzulässige Wettbewerbsabrede dar. Stimmt dies?

Eine derart pauschale Aussage ist nicht zutreffend. Klar ist zunächst, dass die  Allianz eine Wettbewerbsabrede darstellt. Zu diesem Schluss dürfte nicht nur die Eidgenössische Wettbewerbskommission Weko kommen, sondern wohl alle Wettbewerbsbehörden.

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Zur Person

Patrick Krauskopf ist ehemaliger Weko-Vizedirektor und Anwalt in der Schweiz und in den USA. Sein Spezialgebiet umfasst das Wettbewerbsrecht und die Compliance.

Es geht primär um rein betriebswirtschaftliche Effizienzvorteile.

Patrick Krauskopf

Es stellt sich hier aber die Frage, ob sich die Allianzpartner aufgrund der Uno-Initiative auf eine staatliche Vorschrift berufen können. Wenn dies der Fall ist, dann besteht grundsätzlich kein kartellrechtliches Bussgeldrisiko. Im vorliegenden Fall wird die Weko beurteilen, ob aufgrund der Rolle der Uno bei dieser Allianz eine solche Vorschrift besteht, die möglicherweise überdies ins nationale Schweizer Recht umgesetzt werden könnte.

Auch wenn dies nicht erfolgt ist, kann ich mir persönlich kaum vorstellen, dass die Weko hier das Argument der Net-Zero Insurance Allinance, wonach eine staatlich oder staatlich geförderte Marktordnung besteht, ohne Weiteres ignorieren würde und könnte.

Wenn die Weko aber der Uno-Initiative keine Bedeutung zumisst und die Allianz untersucht, drohen dann sofort Bussgelder?

Nein. Die Weko würde untersuchen, ob sich eine solche potentiell problematische Abrede unter den Versicherern rechtfertigen liesse. Die Rechtfertigungsgründe sind im Schweizer Kartellgesetz, wie auch grossmehrheitlich im Ausland, eher eng umschrieben: Es geht primär um rein betriebswirtschaftliche Effizienzvorteile. Umweltschutz -und Nachhaltigkeitsgründe wurden in der Praxis der Wettbewerbsbehörden bisher kaum beziehungsweise nie berücksichtigt. Die Behörden stellen sich auf den Standpunkt, dass sogenannte öffentliche Interessen, wie dies die Umweltschutz- oder Klimapolitik sind, keine ökonomischen Eckwerte sind, welche sie berücksichtigen dürfen.

Wir befürchten, dass die eher passive Haltung der Weko Unternehmen davon abhalten wird, im Bereich der Nachhaltigkeit zusammenzuarbeiten.

Patrick Krauskopf

Ob eine Wettbewerbsbehörde den Mut hat, im Jahr 2023 den Begriff Rechtfertigungsgründe weiter auszulegen als bisher, ist schwer abzuschätzen und nach meiner Erfahrung eher unwahrscheinlich.

Verstehe ich Sie richtig, eine Kooperation wie die Net-Zero Insurance Alliance, die dem Klima oder der Umwelt dient, würde von der Weko verboten werden?

Die Weko hat einen grossen Ermessenspielraum. Aus Opportunitätsgründen gehe ich davon aus, dass die Weko bei einer derartigen Uno-Initiative nicht intervenieren würde. Wenn man indes eine kartelltheoretische Brille anzieht, bleibt ein Restrisiko. Wir haben deswegen vor sechs Monaten eine Interessensgemeinschaft «Grünes Kartellrecht» mit Akteuren aus Politik und Wirtschaft ins Leben gerufen, damit das Parlament die anstehende Kartellgesetzrevision zum Anlass nehmen kann, die Rechtfertigungsgründe auszudehnen auf Umweltschutz -und Nachhaltigkeitsgründe. Wir befürchten, dass die eher passive Haltung der Weko Unternehmen davon abhalten wird, im Bereich der Nachhaltigkeit zusammenzuarbeiten. Das Damokles-Schwert möglicher Bussgelder ist hier sicherlich hinderlich.

Kann hier nicht der Bundesrat intervenieren? Es wäre doch unverständlich, dass Unternehmen, welche vereinfacht ausgedrückt etwas gegen den Klima-Wandel unternehmen wollen, von der Weko mit Bussgeldern belegt werden?

Ja, der Bundestat kann bei öffenlichen Interessen korrigierend eingreifen. Sollte die Weko zum Ergebnis kommen, dass die Klima-Allianz verboten ist, dann kann beim Bundesrat ausnahmsweise eine Zulassung beantragt werden. In der Vergangenheit hat der Bundesrat indessen solche Anträge abgelehnt, wobei noch nie Umweltschutz geltend gemacht wurde.

Wenn also der Bundesrat öffentlich sagen würden, dass er eine solche Allianz aus öffentlichen Interessen zulassen würde, dann wäre für die Unternehmen der Weg frei?

Leider nein, und zwar aus faktischen Gründen. Ein Unternehmen wird nämlich kaum das Risiko auf sich nehmen, zuerst in einem langen Weko-Verfahren ein Bussgeld zu riskieren, um dann Jahre später beim Bundesrat eine Ausnahmebewilligung einzuholen.

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Entweder die Weko erklärt zeitnah, dass sie Nachhaltigkeit als Rechtfertigungsgrund akzeptiert, oder das Parlament muss die noch aus dem Jahr 1996 stammenden Rechtfertigungsgründe ausweiten. Den gesetzgeberischen Weg erachte ich als notwendig und zielführend, so wie es vor kurzem die Niederlande gemacht haben.